ESC-Jubiläen 2021: Love, Peace und Udo Jürgens
Im Jahr 2021 jährt sich nicht nur der bislang letzte Eurovision Song Contest in Deutschland. Auch der erste ESC überhaupt, der Sieg von Udo Jürgens und weitere kuriose und bedeutende Momente feiern Jahrestag.
Vor fünf Jahren: "Love, Love, Peace, Peace" beim ESC 2016
Seit dem Finaltag des ESC 2016 in Stockholm hat sich eine Performance für immer in den Herzen aller ESC-Fans festgesetzt. Ein ganz besonderer ESC-Interval-Act während der Votingpause wurde zur wohl besten ESC-Parodie überhaupt. In "Love, Love, Peace, Peace" sangen die Moderatoren Petra Mede und Måns Zelmerlöw davon, wie man den perfekten ESC-Auftritt hinlegt. Die selbstironische Performance war randvoll mit Anspielungen auf die ESC-Vergangenheit - so wie dem brennenden Fake-Klavier der Österreicher The Makemakes oder einem Mann im Hamsterrad wie bei Maria Yaremchuk aus der Ukraine. Auf dem YouTube-Kanal von eurovision.de ist "Love, Love, Peace, Peace" das mit weitem Abstand am meisten geklickte Video. Noch Jahre später überbieten sich die Fans in den Kommentaren, wer wie viele Anspielungen erkannt hat. Cameo-Auftritte auf der Bühne hatten ESC-Gewinner wie Lordi und Alexander Rybak. Um einen authentischen ESC-Song zu bekommen, sorgte Fredrik Kempe für die Musik, der bereits fünf ESC-Songs wie "Undo" (2014) und "Popular" (2011) komponiert hat. Seitdem Europa beim ESC 1994 in Dublin erstmals mit "Riverdance" in Kontakt kam, hat wohl kein Interval Act mehr für so viel Aufsehen gesorgt. Nur kurze Zeit später, als es um die Wertungen für die Acts des Abends ging, sollten Petra Mede und Måns Zelmerlöw übrigens zum ersten Mal in der ESC-Geschichte zweimal zwölf Punkte einsammeln. Die getrennte Punktevergabe zwischen Jury- und Televote, die bis heute im Einsatz ist, wurde 2016 eingeführt.
Vor zehn Jahren: ESC 2011 in Düsseldorf
Die meisten Fans werden sich bei dieser Meldung vermutlich erst einmal gewundert haben: Der ESC 2011 ging nicht nach Berlin, Hamburg oder Hannover - sondern nach Düsseldorf! Ein Jahr nach Lenas Sieg in Oslo sollte die größte Musikshow der Welt in der Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens stattfinden, zum zweiten Mal nach Kopenhagen 2001 in einem dafür umgebauten Fußballstadion. Die Entscheidung für Düsseldorf fiel vor allem aufgrund der wesentlich höheren Zuschauerkapazität der Arena mit ausfahrbarem Dach. Sechs Wochen lang war sie für die Aufbauarbeiten und die Shows belegt, sodass für den Fußballverein Fortuna Düsseldorf ein Ausweichquartier gebaut werden musste. Der Club spielte drei Heimspiele in einem temporären Stadion in der Nähe, das schnell den Namen "Lena-Arena" bekam. Deutschlands zweite ESC-Gewinnerin nach Nicole wollte mit "Taken By A Stranger" ihren Titel verteidigen und erreichte am Ende Platz zehn. Als Moderations-Trio überzeugten Anke Engelke, Judith Rakers und Stefan Raab - und lieferten im Finale mit "Satellite" in einer Big-Band-Version eine fulminante Eröffnung. Bei der großen Show ist es verschmerzbar, dass der Siegertitel "Running Scared" aus Aserbaidschan für viele eher zu den schwächeren des vergangenen Jahrzehnts gehört.
Vor 15 Jahren: Buhrufe für einen misslungenen Gag beim ESC 2006
Mittlerweile sind Buhrufe beim Eurovision Song Contest keine Seltenheit mehr, meistens sind sie politisch begründet. 2006 beim ESC in Athen haben aber zwei Acts von sich aus die Wut des griechischen Publikums provoziert. Zum einen die litauische Band LT United, die sich in ihrem Song schon selbst als Sieger feierte, zum anderen die isländische Sängerin und Schauspielerin Ágústa Eva Erlendsdóttir. Sie wurde in der Rolle der selbstverliebten Möchtegern-Sängerin Silvía Night in einer Comedyshow in ihrem Land sehr populär und sollte die Insel beim ESC 2006 vertreten. Auch in Athen spielte sie ihre Rolle gnadenlos weiter. Sie crashte ihre Proben, ließ Fake-Journalisten aus der Pressekonferenz entfernen und beleidigte ihre Mitbewerber. Auch nach ihrem Aus im Halbfinale wurde sie ausfallend, spuckte auf Journalisten. Tomi Putaansuu, der Frontmann der Siegerband Lordi, sagte: "Ich denke, sie ging ein bisschen zu weit." Die griechischen Medien nahmen Erlendsdóttirs Auftritt ernst - sehr zur Überraschung der Schauspielerin selbst. Vor und nach ihrem Auftritt mit dem knallbunt-trashigen "Congratulations" waren erstmals in einem ESC-Halbfinale laute Buhrufe zu hören. Seit 2007 tritt sie nicht mehr als Silvía Night auf.
Vor 20 Jahren: Skandal-Vorentscheid mit Zlatko vor dem ESC 2001
Mit Estland gewann 2001 zum ersten Mal ein Land jenseits des sogenannten ehemaligen Eisernen Vorhangs den ESC. Deutschland schickte mit "Wer Liebe lebt" von Michelle zum bisher letzten Mal einen klassischen Schlager zum Wettbewerb nach Kopenhagen. Dort erreichte Michelle Platz acht, viel spannender war aber ihr Weg durch den deutschen Vorentscheid. 9,23 Millionen Zuschauer sahen 2001 die Show aus Hannover - mehr als bisher jeden weiteren Vorentscheid. Die Acts polarisierten schon im Vorfeld und füllten die Boulevard-Schlagzeilen. "Big Brother"-Kandidat Zlatko wurde bei seinem Auftritt ausgebuht. Selbst Modedesigner Rudolph Mooshammer trat mit einem eigenen Song auf. Thomas Gottschalk wollte nach einer verlorenen Wette bei "Wetten, dass..?" ebenfalls beim Vorentscheid mitmachen. Der Entertainer sagte am Ende aber selbst wieder ab. Eine Band, die angekündigt hatte, nackt aufzutreten, wurde noch vor dem Vorentscheid disqualifiziert. Die Wahl von Michelle war am Ende ein Sieg der Fans des klassischen Schlagers im erbitterten Kampf gegen die Spaßfraktion, die schon Guildo Horn und Stefan Raab zum ESC schicken konnte.
Vor 25 Jahren: ESC 1996 als einziger ohne Deutschland
Mitte der 90er hatte die Europäische Rundfunkunion (EBU), die den ESC ausrichtet, ein Problem. Denn immer mehr Länder - vor allem aus Osteuropa - wollten auftreten, doch die Finalstartplätze waren begrenzt. In den 90ern experimentierte man so mit verschiedenen Qualifikationsmodi und entschied sich 1996 dazu, alle Länder bis auf Gastgeberland Norwegen vor der Show von internationalen Juroren bewerten zu lassen. Für 23 Startplätze bewarben sich 30 Länder - sieben Acts durften also gar nicht erst zum ESC nach Oslo reisen. Darunter auch der damals 27-jährige Sänger Leon, der mit dem Eurodance-Song "Planet Of Blue" den deutschen Vorentscheid in Hamburg für sich entschied. Das ESC-Finale zeigte die ARD daraufhin nur im dritten Programm des NDR. Bereits ein Jahr später führte die EBU die Big-Four-Regel ein (heute Big Five), die Deutschland, Frankreich, Großbritannien (UK), Spanien und heute auch Italien den Finalstartplatz zusichert. Deutschland ist Rekordteilnehmer beim ESC und war außer 1996 immer dabei.
Vor 30 Jahren: Punktgleichheit an der Spitze des ESC 1991
Der Eurovision Song Contest hat Fans bereits sehr viele spannende und enge Votings beschert - doch einen absoluten Punktgleichheit an der Spitze gab es nur zweimal. 1969 wurden gleich vier Länder deshalb zu Siegern erklärt. Weil dies einige Länder verärgerte, galt später die Regel, dass bei Punktgleichheit dasjenige Land gewinnt, das am häufigsten die Höchstwertung bekommen hat. Da die Punktevergabe reformiert wurde und immer mehr Länder teilnahmen, schien ein erneuter Gleichstand sehr unwahrscheinlich - und doch bekamen beim ESC 1991 in Rom mit Carola aus Schweden und Amina aus Frankreich beide Sängerinnen 146 Punkte. Sogar die Zahl der Zwölf-Punkte-Wertungen war identisch. Während die Kameras nach dem Voting eine sichtlich verwirrte Carola im Backstage-Raum zeigten, fragten die Moderatoren bei den EBU-Offiziellen im Saal nach, wer denn nun gewonnen habe. Diese gaben den Sieg Carola, weil sie häufiger zehn Punkte bekam als die Französin. Die Schwedin ist insgesamt drei Mal beim Wettbewerb angetreten und außerdem eine der erfolgreichsten Kandidatinnen der ESC-Geschichte.
Vor 35 Jahren: Eine 13-jährige Siegerin beim ESC 1986
Der ESC 1986 brachte die jüngste Gewinnerin aller Zeiten hervor. Sandra Kim holte mit "J'aime la vie" den bislang einzigen Sieg für Belgien, allerdings mit einem Trick. Sie selbst gab an, 15 Jahre alt zu sein - sogar in ihrem Song sang sie dies in einer Passage. Tatsächlich war die 1972 geborene Kim aber erst 13. Der Sieg wurde ihr im Nachhinein nicht aberkannt - doch nachdem in den Folgejahren erneut Kinder antraten, wurde 1990 das Mindestalter auf 16 Jahre festgelegt. Seit 2003 gibt es auch einen Junior Eurovision Song Contest. Sandra Kim nutzte ihren Sieg gleich für das nächste große Projekt. Nur kurze Zeit später sang sie den Titelsong zur Zeichentrickserie "Es war einmal ... das Leben", die in Deutschland in der ARD lief.
Vor 45 Jahren: Liechtenstein versucht beim ESC 1976 ein Debüt
Liechtenstein hat noch nie bei einem Eurovision Song Contest teilgenommen. Beim ESC 1976 in Den Haag wollte man aber debütieren und hat über einen Vorentscheid sogar eine Sängerin und einen Titel ausgewählt. Die damals 16-jährige Biggi Bachmann sollte mit "My Little Cowboy" an den Start gehen. Doch die Liechtensteiner Verantwortlichen haben eine Teilnahmevoraussetzung übersehen: Sie brauchten einen eigenen Sender, der Mitglied in der EBU ist. Allerdings wurde Liechtenstein damals medial über die Schweiz versorgt. Eigene Radio- oder Fernsehsender entstanden erst Jahrzehnte später, bis heute ist keiner von ihnen Teil der EBU. So zerplatzte Liechtensteins Debüt 1976 - und der Song "My Little Cowboy" ist bis heute verschollen.
Vor 55 Jahren: Udo Jürgens gewinnt 1966 im dritten Anlauf den ESC
Ein Platz sechs und ein Platz vier - damit sollte sich Udo Jürgens nicht zufrieden geben. Schon 1964 und 1965 trat er beim ESC für Österreich an, 1966 aber schuf er seinen Auftritt für die Ewigkeit. Nur hinter einem Klavier sitzend sang er seinen Titel "Merci Chérie", überzeugte europaweit die Jurys und gewann den Wettbewerb haushoch. "Merci Chérie" wurde ein Welthit und ebnete Udo Jürgens' internationale Karriere. Mit über 900 komponierten Songs, einem eigenen Musical und unzähligen ausverkauften Hallen ist Udo Jürgens einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Künstler aller Zeiten. Doch so klar er auch den ESC 1966 gewann - er hatte spannende Mitbewerberinnen. So wurde die norwegische Kandidatin Åse Kleveland später noch Kulturministerin in ihrem Land und die Niederlande schickten mit Milly Scott die erste dunkelhäutige Künstlerin zum ESC.
Vor 65 Jahren: Erster ESC findet 1956 in Lugano statt
Am Donnerstag, den 24. Mai 1956 begann in einem Theater in der italienischsprachigen Schweiz die nicht vorhersehbar lange und schillernde Geschichte des ESC. Auf Initiative des Vorsitzenden des EBU-Programmausschusses, Marcel Bezençon, wurde ein Komponistenwettbewerb ähnlich dem italienischen Sanremo Festival geschaffen, der den Rundfunkanstalten einen Anlass zur Kooperation bot und den Gedanken eines geeinten Europas verbreiten sollte. Sieben Länder nahmen teil. Jedes durfte zwei Songs präsentieren. Die Jurys durften auch Songs ihrer eigenen Länder bewerten - Luxemburg sparte sich die Anreise nach Lugano und bat die Schweiz, an ihrer Stelle abzustimmen. Das Voting war geheim, Stimmzettel vernichtete die EBU sofort. Nur der erste Platz wurde bekanntgegeben: Die Schweiz siegte mit Lys Assia und "Refrain". Von der kompletten Show existiert nur noch ein Radiomitschnitt. Übrigens gab es offenbar damals schon einen deutschen Vorentscheid, nur heute keinen Beweis mehr dafür. Er soll in Köln stattgefunden haben - moderiert von Heinz Piper, den man noch heute als Ansager des Sketches "Dinner for One" kennt.