"Der Junior ESC hat sich gemausert"
Mich interessieren keine Sendungen mit Kindern. Dachte ich bislang. Im Hinterkopf hatte ich dabei wohl die Mini-Playback-Show aus den 90er-Jahren, in der unschuldige Mädchen zu Sexbomben aufgedonnert wurden, kleine Jungs in Elvis-Kostümen sich öffentlich, meist ungelenk darin übten, den Hüftschwung des Kings zu imitieren. Ein widerliches Spektakel, eine geschmacklose Zirkusnummer, in der Minderjährige mit einer Feder auf dem Kopf zur Belustigung der erwachsenen Masse durch die Arena getrieben wurden. Aber das ist Vergangenheit.
Zwei Erlebnisse brachten mich dazu, meine Meinung zu revidieren. An einem Samstagabend landete ich beim Zappen zufällig in der TV-Show "Klein gegen Groß" im Ersten mit Kai Pflaume. Kleine Steppkes erkannten Legosteine am Geräusch, das sie beim Fallen machten, schlugen mit dem BMX-Rad erwachsene Weltmeister im Crossbiking oder addierten Zahlen schneller als ein Taschenrechner. Das ist tolle Familienunterhaltung, bei der Kinder nicht Opfer von Erwachsenenprojektionen sind, sondern einfach ihr Ding machen. Auf Augenhöhe können die Minderjährigen beweisen, was sie können, und verdienen sich dadurch den Respekt aller Generationen.
Entscheidend: "Die Liebe zur Musik"
Ähnlich begeistert war ich, als ich mit meinem Neffen einmal eine Sendung im Kinderkanal mitgucken "musste". Dort lief gerade die siebte Staffel der Show "Dein Song". In der Casting-Show treten musikbegabte Jugendliche gegeneinander an, erhalten hilfreiche Tipps von Profis - wie beispielsweise Lena oder Mark Forster - und gewinnen im Idealfall ein Musikstipendium. Dabei geht es - klar! - um den Wettbewerb, das macht es ja spannend. Im Zentrum der Sendung steht aber vor allem eines: die Liebe zur Musik.
Genauso positiv bewerte ich die Relevanz des Junior Eurovision Song Contest (JESC). Es ist eine schöne Idee, die große Eurovisionsbühne auch für die Kleinen zu öffnen. Und was für eine Bühne! Die Arena in Sofia bietet Platz für 15.000 Menschen. Deutschland war bei den ersten 13 Shows nicht dabei. Aber immerhin machen wir mit der Übertragung des diesjährigen Event bei eurovision.de den ersten Schritt.
"Dilettantismus scheint überwunden"
Wer weiß, vielleicht nimmt Deutschland im nächsten Jahr schon teil. Ich würde das begrüßen, zumal sich auch diese Show in den vergangenen Jahren auf erfreuliche Weise entwickelt hat. Der Dilettantismus der ersten Jahre scheint überwunden. Die Show hat sich dank sensibler Regeländerungen professionalisiert und sich zu guter Familienunterhaltung gemausert. Und was mir am wichtigsten ist: Die Junioren werden nicht vorgeführt. Vielmehr lässt man die jungen Künstler in der Show allein durch ihre eigenen Songs und ihre Stimmen glänzen, was sie zu ganz Großen macht.