Finnlands Monster gewinnen in Athen
Alle traditionellen ESC-Fans, die sich 2005 schon bei der Glamrock-Premiere der norwegischen Gruppe Wig Wam ebenso abrupt wie entsetzt abgewendet hatten, riskierten bei der Endrunde 2006 ein massives Schleudertrauma. Die Finnen schickten die Hardrocker von Lordi nach Athen. Spätestens nach dem Sieg im Halbfinale, wusste jeder Zuschauer, dass von der Band eine erhebliche gesundheitliche Bedrohung ausgeht.
Wer ein Monster sein will braucht Geduld
Nicht nur die Nackenmuskulatur geriet durch unkontrolliertes Kopfschütteln in Gefahr: Die Lordi-Hymne "Hard Rock Hallelujah" dürfte in den Ohren der Fans von Ralph Siegel und Co. wie schmerzhafter Baustellenlärm geklungen haben. Der Song hat schließlich seine Wurzeln im Heavy Metal - eine Musikrichtung, die wegen brachialer Gitarren und treibendem Schlagzeug bislang in der über 50-jährigen Grand Prix Geschichte gänzlich unterrepräsentiert war.
Eine Gefahr für empfindliche Augen war das Bühnenoutfit der Band: Lordi verbringen vor jedem Auftritt mehrere Stunden in der Maske und treten in sehr realistischen Horror-Kostümen auf. Jedes Bandmitglied hat ein monströses Alter Ego: Bandleader und Sänger Lordi gibt sich als gehörnter Herrscher der Unterwelt, Bassist Ox ist eine skelettierte Mischung aus Mensch und Stier, die Mumie Amen spielt Gitarre, am Schlagzeug sitzt das außerirdische Monster Kita und am Keyboard verbreitet die einzige Frau der Band, Awa, mit grünem Teint und Vampirzähnen Angst und Schrecken.
Horrorshow aus Finnland
Trotz dieser scheinbar schlechten Voraussetzungen hatte sich die Gruppe mit großer Mehrheit beim finnischen Vorentscheid am 10. März 2006 gegen sechs Konkurrenten durchgesetzt. Erfrischenderweise hatten sich die Zuschauer dabei offensichtlich nicht von alten Hörgewohnheiten oder übertriebenen Schönheitsidealen leiten lassen. Dieser Trend hielt mit dem ersten Platz im Athener Halbfinale am 18. Mai unvermindert an.
Was folgte ist Grand-Prix-Geschichte: Am Abend des 20. Mai schien sich die Heavy-Metal-Gemeinde Europas endgültig verschworen zu haben und wählte den Lordi-Kracher "Hard Rock Hallelujah" mit einem satten Vorsprung von 44 Punkten auf Platz eins. "Die Orks haben den Grand-Prix gewonnen, böse Stimmen behaupten ja, unter der Maske stecke Ralph Siegel", kommentierte Thomas Hermanns, der für Deutschland die Länderpunkte verkündet hatte, den ersten Sieg eines finnischen Kandidaten. Nach dem ersten Schock hatte auch der Moderator seinen Humor wiedergefunden.
Neues Studioalbum im Herbst 2010
Vier Jahre später besteht die Band aus dem Gründer und Leadsänger Mr. Lordi, dem Gitarristen Mr. Amen und dem Bassisten Mr. Ox, dem Drummer Mr. Kita und der Keyboarderin Ms. Awa. Die Band hat den Kontakt zum Eurovision Song Contest gehalten und hat seit dem Triumph von 2006 ein weiteres Album (The Arockalypse") aufgenommen, einen Horrorfilm mitproduziert und war mehrfach weltweit auf Tournee.
Nach mehrjähriger Pause legt die Hardrock-Band im September 2010 ein neues Studioalbum vor: "Babez For Breakfast", das vom renommierten Produzenten Michael Wagener ("Metallica", "Ozzy Osbourne", "Alice Cooper") produziert wurde. Mit dem neuen Album geht Lordi auf Europatournee und absolviert acht Konzerte in Deutschland.