Jubiläen 2019: Von Conchita bis Piove
In der über 60-jährigen Geschichte des Eurovision Song Contests gab es viele denkwürdige Augenblicke. Einige davon feiern im neuen Jahr ihr Jubiläum.
Vor fünf Jahren: Conchita gewinnt in Kopenhagen
Vor dem Eurovision Song Contest 2014 in Kopenhagen hatte niemand ernsthaft mir ihr gerechnet: Conchita Wurst. Die Dragqueen, die vom österreichischen Künstler Tom Neuwirth verkörpert wird, hatte jedoch ein eurovisionäres Siegesrezept im Gepäck und mit "Rise Like A Phoenix" ein Lied wie aus einem James-Bond-Film. Die exzellent gesungene Hymne erzählt die Geschichte vom hässlichen Entlein, das sich zum stolzen Schwan wandelt. Eine makellose Darbietung machte sie zur würdigen Siegerin. Endlich hatte die queerste Familienshow der Welt eine Ikone, die außerdem ausgesprochen sympathisch sprach und nie zickig oder abgehoben wirkte. Später trat Conchita Wurst sogar vor dem EU-Parlament auf. Vor und nach dem ESC hetzten russische Politiker mit homophoben Aussagen gegen die österreichische Siegerin. Von der russischen Jury gab es keine Punkte, vom russischen Televotingpublikum dagegen sehr viele.
Vor zehn Jahren: Rybaks Märchen
Alexander Rybak warf mit dem Lied "Fairytale" 2009 in Moskau die gesamte Konkurrenz in den Staub: Der Norweger siegte mit 169 Punkten Vorsprung. Rybak begeisterte sowohl die Jury als auch die Zuschauer und war der Mann, auf den man sich über alle Ländergrenzen hinweg einigen konnte. 16 Mal bekam er die Höchstpunktzahl. Der Norweger blieb dem ESC treu, kam aber im vergangenen Jahr in Lissabon, als er sich endlich mal wieder für einen ESC qualifzieren konnte, nur auf den 15. Platz.
Vor 15 Jahren: Ruslana tanzt sich zum Sieg
Nach misslungenem Debüt in Riga trat die Ukraine 2004 in der Türkei zum zweiten Mal beim ESC an. Aber diesmal kam mit Ruslana eine Künstlerin nach Istanbul, die sich mit nichts als dem ersten Platz zufrieden geben wollte. Die glühende Demokratin und Europäerin siegte mit einer explosiven Bühnenshow in folkloristischem Textil mit dem Titel "Wild Dances".
Vor 20 Jahren: Turbulenzen in der Heiligen Stadt
Im Jahr 1999 fand der Eurovision Song Contest zum zweiten Mal in Israel statt. Und das beim dritten Sieg. 1980 wollte man die Bürde der Gastgeberschaft nicht auf sich nehmen - weder organisatorisch noch finanziell. Auch beim Wettbewerb in Jerusalem war große Nervosität im Land zu spüren. Nur wenige Monate nach der Veranstaltung begann die zweite Intifada. Dana International, die Vorjahressiegerin, hielt Hof in der Stadt und lästerte über ultra-orthodoxe Juden. Zudem wurde die Sprachregel nach 23 Jahren wieder aufgehoben. Wer wollte, durfte auf Englisch singen. Die Schwedin Charlotte Nilsson, die beim Vorentscheid noch "Tusen och en natt" sang, machte davon Gebrauch und holte mit "Take Me To Your Heaven" den Sieg.
Vor 25 Jahren: Zahlreiche osteuropäische Länder debütieren
Der eiserne Vorhang in Europa war gefallen und die Intervision, das osteuropäische Gegenstück zur Eurovision, zerfiel. Alle Länder dieses Senderzusammenschlusses wollten nun Teil der European Broadcasting Union (EBU) werden, um beim ESC antreten zu können. Am 30. April 1994 gaben Polen, Rumänien, Ungarn, Russland, Estland, Litauen und die Slowakei in Dublin ihr Debüt. Die Polin Edyta Górniak wurde auf Anhieb Zweite, die Ungarin Friderika Bayer immerhin Vierte. Die Neulinge hatten offenbar die Rezeptur für erfolgreiche ESC-Gastspiele drauf. Doch gegen die Übermacht der Iren kamen auch sie nicht an. Paul Harrington & Charlie McGettigan sicherten Irland mit "Rock’n’Roll Kids" den dritten Triumph in Folge. Der heimliche Sieger war allerdings der Pausenfüller. Die irische Tanzformation "Riverdance" wurde nach dem ESC-Finale weltberühmt.
Vor 30 Jahren: Jugoslawien siegt in Lausanne
Jugoslawien war nie Teil des Warschauer Paktes und debütierte deshalb schon 1961 beim ESC. Aber das sozialistische Land, das immer gern Teil der Eurovisionsfamilie war, hatte keine wirksame Lobby. Mehr als ab und an mal ein Platz unter den ersten zehn sprang für den Balkanstaat nicht heraus. Wenige Jahre bevor der Vielvölkerstaat in seine Einzelteile zerfiel, gelang 1989 der ESC-Durchbruch. Die keineswegs mehr jugoslawisch klingende Gruppe Riva holt den ersten und einzigen Sieg in Lausanne. Der Titel "Rock Me" zählt allerdings eher zu den langweiligen ESC-Siegersongs.
Vor 40 Jahren: Dschinghis Khan überrascht mit Platz vier
Vor dem ESC 1979 in Israel fürchteten sich viele Deutsche, sie müssten sich wegen des deutschen Beitrags fremdschämen. Vor allem weil sich das Lied einen mongolischen Kriegsfürsten zum Helden nahm: "Dschinghis Khan". Doch in Israel, in dem nach Izhar Cohens & The Alpha Betas Sieg im Jahr zuvor erstmals ein ESC stattfand, mochte man das Stampflied, das irgendwie an die Buntheit der Village People erinnerte. Das Lied, das von Ralph Siegel komponiert wurde, zählt dort noch heute zu den beliebtesten deutschen ESC-Songs. Die Israelis triumphierten erneut. Gali Atari und Milk & Honey sicherten dem Gastgeberland mit "Hallelujah" den Sieg.
Vor 50 Jahren: Vier Siegerinnen in Madrid
1969 fand zum bisher einzigen Mal ein ESC in Madrid statt. Im Jahr zuvor hatte Massiel mit "La La La" gewonnen. Das Punktesystem war zur damaligen Zeit noch sehr einfach gestrickt: Jedes Land hatte zehn Juroren mit je einer Stimme. Bei nur 16 teilnehmenden Ländern war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es irgendwann einmal zwei punktgleiche Lieder geben würde. Schon im Jahr zuvor lag der Brite Cliff Richard nur einen Punkt hinter der spanischen Siegerin. In Madrid gab es am Ende des Abends jedoch nicht zwei, sondern gleich vier Siegerinnen: Lenny Kuhr aus den Niederlanden mit "De Troubabour", Salomé aus Spanien mit "Vivo cantando", die Britin Lulu mit "Boom Bang-A-Bang" und die Französin Frida Boccara mit "Un jour, en enfant". Weil es noch keine Regelung gab, wie man unter dem Quartett die einzig wahre Siegerin herausfindet, bekamen sie alle eine Medaille. Stark irritiert durften alle vier Sängerinnen auch ein zweites Mal auftreten.
Vor 60 Jahren: Ein Lied geht um die Welt
Schon immer wird nach dem ESC die Frage gestellt: Hat wirklich das Lied mit dem größten Hitpotential gewonnen? Für das Jahr 1959 lässt sich das eindeutig beantworten. Den Sieg holt sich im französischen Cannes die Niederländerin Teddy Scholten mit dem neckischen Titel "Een beetje". Der Italiener Domenico Modugno landete nur auf dem sechsten Platz, aber sein Lied "Piove" wird zum Welterfolg. In Deutschland ist es unter dem Titel "Ciao, ciao bambina" bekannt. Unter anderem covern Peter Alexander und Caterina Valente und sogar eine Band aus Hongkong das Lied. Modugno, auf den auch der Klassiker "Volare" zurückgeht, wurde mit "Piove" endgültig zur Berühmtheit.
Vor 65 Jahren: Die Geburt des ESC
1954 entsteht erstmals die Idee eines europaweiten Musikwettbewerbs. Über einen Wettbewerb will Marcel Bezençon, der damalige Programmdirektor der EBU, die Mitgliedsstaaten besser vernetzen. Offiziell beschlossen wird das Projekt 1955 auf einer EBU-Versammlung in Monaco. 1956 wird aus der Idee Wirklichkeit. In Lugano findet der erste Grand Prix Eurovision de la Chanson statt. Auch die unverkennbare Erkennungshymne für Eurovisionsübertragungen "Te Deum" von Marc Antoine Charpentiers hat es damals schon gegeben.