Juryfinale: Die 27 Finalisten geben alles
Nachdem zehn Teilnehmer erst 22 Stunden zuvor erfahren hatten, dass sie zu den 27 Finalisten gehören, wird es am Freitagabend direkt ernst: Das Juryfinale steht an, die Hälfte der Punkte für das große Finale wird schon einen Tag vor der großen Live-Show vergeben. Um zu punkten, müssen sich die Künstler zusammenreißen und trotz Ermüdungserscheinungen einen perfekten Auftritt hinlegen. Für Fans und Journalisten sind die Kostümproben am Nachmittag und das Juryfinale am Abend die ersten Möglichkeiten, alle 27 Finalisten zusammen in ihrer frisch festgelegten Reihenfolge auf der Bühne zu erleben. Und das ist eine wahre Freude: Die Mischung ist nahezu perfekt. Nachdem in einem eher eintönigen ersten Halbfinale einige Balladen aus dem Contest ausgeschieden sind, wechseln sich nun schnelle Nummern à la "Golden Boy" mit bedächtigen Balladen wie "A Monster Like Me" ab, schlichte Kostüme und Inszenierungen durchmischen sich mit dramatischen und aufwendigen Shows.
Favoriten glänzen
Tatsächlich sind es vor allem die von internationalen Fans und Journalisten hoch gehandelten Favoriten wie Schweden, Norwegen, Australien oder Israel, die im Juryfinale glänzen. Der israelische "Golden Boy" Nadav Guedj wirkt zwar etwas abgehetzt, feiert auf der Bühne aber eine echte Party und hat das Publikum in der Halle voll auf seiner Seite. Die wunderschöne Ballade "Goodbye To Yesterday" von Elina Born & Stig Rästa aus Estland kommt mit einer leicht brüchigen Kopfstimme Elinas daher, allerdings können die eingängige Hook und die intime Stimmung des Songs das locker rausreißen. Intim wird es auch bei Mørland & Debrah Scarlett aus Norwegen: Durch Charisma, Debrahs geheimnisvolle Ausstrahlung und einen bedrückend-schönen Song überzeugen die Skandinavier und können sicherlich auf viele Jurypunkte hoffen.
Måns Zelmerlöw aus Schweden startet in der Running Order direkt nach seinen skandinavischen Kollegen. Zugegeben: Sein Auftritt lebt von der Animation, die in der Halle nur halb so gut wirkt - doch die punktgenauen und lockeren Bewegungen des Sängers machen seine Show zu etwas Besonderem, Måns Zelmerlöw sticht eindeutig aus der Masse der 27 Teilnehmer heraus. Das schaffen Loïc Nottet aus Belgien und Elnur Hüseynov aus Aserbaidschan trotz einer anständigen Performance im Vergleich zu anderen Favoriten nicht wirklich. Strahlefrau Polina Gagarina aus Russland ist hingegen zwar ein echter Hingucker - allerdings kauft man ihr den optimistischen "A Million Voices"-Mitklatsch-Ohrwurm nicht wirklich ab, alles wirkt etwas zu perfekt und künstlich.
Big 5 nicht durchgängig stark, Ann Sophie wieder fit
Erstmals erleben wir auch die Big 5 sowie Gastgeber Österreich und Special Guest Australien gemeinsam mit den Halbfinalteilnehmern auf einer Bühne. Guy Sebastian lockert die Show auf und zeigt sich auch an diesem Abend bühnenerfahren, gut gelaunt und treffsicher. Auch das Heimspiel der Makemakes ist erfrischend und authentisch. Während Lisa Angell aus Frankreich mit ihrem gut gemeinten Song gegen das Vergessen im Teilnehmerfeld total untergeht, wirken die Briten von Electro Velvet etwas zu schrill - dieses Finale hat gekünstelt-bunte Shows mit gewollt guter Laune im Gegensatz zum ersten Halbfinale nicht nötig. Zum Schluss noch die gute Nachricht: Ann Sophie zeigt sich nach ihrer Erkältung auf der Bühne sehr souverän und kameragewandt wie eh und je, ohne Anzeichen von Stimmverlust oder verschnupfter Nase. Versprochen: Das wird ein Finale voller Emotionen - von einer fliegenden Conchita, singenden Kindern bis hin zu 27 völlig unterschiedlichen Beiträgen, die nun - so viel sei verraten - auch durch mächtige Pyroeffekte unterstützt werden.