Erstes Halbfinale: In der Ruhe liegt die Kraft
Das erste Semifinale ist geprägt von Balladen und ruhigen Songs - aber offenbar ist es auch genau das, was an diesem Abend ankommt. Von den zehn Kandidaten, die es ins Finale geschafft haben, verbreiten nur zwei Acts ein wenig Partystimmung: Serbien und Belgien. Der Wallone Loïc Nottet singt dynamisch, selbst dann, wenn er auf der Bühne liegt. Und auch seine Tänzer mit den roboterhaften Bewegungen verbreiten mehr Schwung als die meisten anderen Teilnehmer.
Die Masse jubelt
In den Wettbüros und im Pressezelt hatte sich - zu Recht - abgezeichnet, dass der Belgier weiterkommt, genau wie bei Bojana Stamenov mit "Beauty Never Lies". In Halle und Pressebereich wird schon gejubelt, als die Serbin und ihre vier Tänzer die Bühne betreten. Der Auftritt ist gewaltig - stimmlich sowieso, aber auch optisch. Trotz ihres zarten Outfits ist die Sängerin mehr Eisberg als Schneekönigin. Bei ihrem Auftritt gibt es ein Wiedersehen mit dem Trickkleid: Als die Tänzer sich die vom Leib reißen, gibt's in der Halle und im Pressezelt kein Halten mehr.
Songs mit wichtiger Message
Drei Songs, die weiterkommen, haben eine wichtige Botschaft. Der Rumäne Voltaj steht neben gepackten Koffern auf der Bühne. Sie sollen das Thema des Songs unterstreichen: Eltern, die ihre Kinder zurücklassen und sich aus der Not heraus im Ausland einen Job suchen. Da Voltaj aber derjenige ist, der an diesem Abend mit Abstand am besten singt, bleiben seine eigenen Koffer erst einmal in Wien, "All Over Again" kommt völlig verdient ins Finale.
Ein weiterer thematisch schwergewichtiger Song bringt die Ungarin Boggie ins Finale: "Wars For Nothing". Wichtiges Thema, glatter Auftritt, irgendwie ganz schön - aber stellenweise auch ganz schön langweilig. Der dritte Final-Song mit wichtiger Message kommt vom Prinzesschen Polina Gagarina: Eine Russin, die mit großem Eifer über Frieden und Zusammenhalt singt. Warum nicht, auch das ist der ESC: großes Theater.
Mehr Licht als Leben auf der Bühne
Die Armenier von Genealogy bringen Märchenwaldstimmung auf die Bühne: Bäume auf der Projektionsfläche, Nebel und feenhafte Sängerinnen. Damit und mit ihrem Song "Face The Shadow" haben sie es geschafft, die Zuschauer zu verzaubern. Die Albanerin Elhaida Dani singt "I'm Alive" - davon merkt man bei der eher ruhigen Performance nicht allzu viel. Am spektakulärsten ist auch hier die Deko auf der Projektionsfläche. Die bringt Nina Sublatti mit Effekten mehr zum Glühen als die Bühne mit ihrer Stimme. Zum Song "Warrior" setzt sie einen kämpferischen Gesichtsausdruck auf, sticht ihre Konkurrenz aber vor allem mit bombastischen Lichteffekten aus. Atemberaubend war der Auftritt von Maria Elena Kiriakou - nicht nur wegen des kaum jugendfreien silbernen Kleides, das fast bis zum Schritt ausgeschnitten ist. Auch mit ihrer Stimme kann sie punkten. Aufatmen also für die Griechin, mit "One Last Breath" zieht sie ins Finale.
Sie gehören längst zu den Favoriten: Elina Born & Stig Rästa aus Estland. Auch bei ihnen startet der Jubel schon mit dem ersten Ton, der erklingt. Am Ende sind sie das erste Duo, das ins Finale einzieht. Also: "Goodbye To Yesterday", aber nicht zum Finale. Die beiden haben eine tolle Bühnenshow mit schönen Lichteffekten und viel Ausstrahlung. Elina muss sich schon am Ende des Auftrittes ein Tränchen verdrücken.
Harte Klänge sind heute nicht gefragt
Etwas dickere Tränen dürften bei den übrigen sechs Kandidaten fließen - sie schaffen den Sprung ins Finale nicht. Dabei sorgen die Dänen von Anti Social Media mit "The Way You Are" für gute Stimmung, nach vielen ruhigen Songs für eine Zeit des Erwachens. Noch mehr kommt diese Stimmung bei Pertti Kurikan Nimipäivät auf. Mit ihrem Song "Aina Mun Pitää" bringen sie für kurze Zeit den Punk in die Wiener Stadthalle. In den Wettbüros wurden sie hoch gehandelt - umso überraschender für viele ist der "Absturz" an diesem Abend.
Trintje Oosterhuis' Song "Walk Along" handelt von einer unerfüllten Liebe - auch der Traum vom ESC-Finale geht mit ihm nicht in Erfüllung. Uzari & Maimuna - Teufelsgeigerin und Sänger mit Schmachtblick - singen, Zeit sei wie ein Donner. Es gibt zwar donnernden Applaus, aber nicht genügend Stimmen für die beiden. Der mazedonische Teilnehmer Daniel Kajmakoski heult sein "Autumn Leaves" von Beginn an ein wenig zu sehr - nun gibt es wirklich Grund zur Trauer. Junger Sänger in Leder, Tänzer, die in ihren Uniformen aussehen, als machten sie sich für den Sporttest zur Polizeiprüfung warm: Eduard Romanyuta. "I Want Your Love" singt er - aber diese Liebe versagen ihm Publikum und Jury.
Gänsehautfeeling nur bei Conchita
Für den größten Gänsehautmoment sorgt an diesem Abend eigentlich der Auftakt-Act: Conchita. Dieser Körper, diese Anmut, diese Stimme! Sie musste nicht um Stimmen kämpfen, um im Finale aufzutreten - aber sie hätte sie ganz sicher wieder bekommen.