Erstes Halbfinale: Von netten und bösen Jungs
"Dare to Dream" - getreu diesem Motto dürfen am Dienstagabend zu Beginn des ersten Halbfinales alle 17 Teilnehmer von einem Einzug ins Finale des 64. Eurovision Song Contest träumen. Doch für sieben bleibt es ein Sehnsuchtsort, denn nur zehn Kandidaten gewinnen einen der begehrten Plätze, die einen zweiten Auftritt im Tel Aviv Convention Center möglich machen. Bei den Bühnenbildern sind in diesem Jahr keine Grenzen gesetzt - von Videoleinwänden über Laser- oder Lichteffekte, die Künstler können aus den Vollen schöpfen. Und so tauchen sie entweder ein in die vier Elemente - Erde, Wasser, Feuer, Luft - oder aber heben ab ins Weltall. Dort begegnen ihnen Himmelskörper, Sternenstaub, kosmische Galaxien, Supernovas und Andromeda-Nebel. Für die einen reißt schließlich der Himmel auf, für die anderen zerplatzen Träume jäh und sie landen auf dem harten Boden der Realität.
San Marino und Belarus sind im Finale
Entgegen der Wettprognosen gibt es zwei Profiteure: Belarus und San Marino. Die erst 16-jährige Zena aus Minsk singt sich mit "Like It" ins Finale am 18. Mai. Und auch der älteste Teilnehmer im Feld, der 54-jährige Serhat, darf mit seiner ins Mikro gehauchten 70er-Jahre-Disconummer "Say Na Na Na" noch einmal starten. Die junge Belarussin, die ein wenig an Britney Spears in ihren Anfangsjahren erinnert, legt in ihren hochhackigen weißen Overknees vor einem surreal anmutenden Bühnenbild eine sehr sportliche Tanzperformance aufs Parkett. Der Gesang klingt dabei nicht immer überzeugend. Ebenso wenig wie Serhats Stimme, die einem Sprechgesang gleichkommt. Punkten kann der gebürtige Türke hingegen mit seiner sympathischen Ausstrahlung. Ein großer Erfolg, denn 2016 nahm Serhat in Stockholm schon einmal teil und scheiterte an der Halbfinalhürde.
"Königin" Kate Miller-Heidke überstrahlt alles
Sicher ins Finale ziehen drei im Vorfeld hochgehandelte Sängerinnen ein: Tamta schafft das mit der rhythmischen Tanznummer "Replay" ohne viel Tamtam. Die 38-Jährige, die für Zypern antritt, fällt vor allem durch ihr Outfit - schwarze Lack-Overknees mit passender Jacke und transparenter Corsage - auf. Sowohl tänzerisch als auch gesanglich ist noch Luft nach oben. Auch für Katerine Duska geht der Traum weiter. Die für Griechenland startende Sängerin inszeniert sich in "Better Love" als Märchenprinzessin in einem Blütenmeer. Ihre Tänzerinnen formen Engelsfiguren, wie es für gewöhnlich Kinder im Schnee tun. Auch bei der gebürtigen Kanadierin ist stimmlich noch nicht alles perfekt. Eine, die sowohl mit Gesang, einer glockenklaren Opernstimme und Performance überzeugen kann, ist Kate Miller-Heidke. Die Australierin sieht in ihrem weißen Kleid und einem Sternendiadem aus wie die Königin der Nacht. So schwebt sie zu "Zero Gravity" auf einem Stab stehend durch den Weltraum, im Hintergrund dreht sich ganz klein die Erde. Einfach anmutig und schwerelos schön.
Lauter nette Jungs kommen weiter
Den Traum vom Finale verwirklichen außerdem Hatari aus Island. Die antikapitalistische Performancegruppe spielt ihren ganz eigenen Film zu Feuer und Eis ab. Ungewöhnliche Tanzbewegungen und die Befreiung aus einem Käfig führen direkt ins Finale. Eine Runde weiter singen sich auch Lake Malawi mit ihrem smarten Frontmann Albert Černý. Mit "Friend Of A Friend" hat sich die Band aus Tschechien jede Menge Freunde gemacht. Auch Zala Kralj & Gašper Šantl aus Slowenien mit ihrem Song "Sebi" sehen wir am Samstagabend wieder. Zala blickt ihren Partner mit ihren großen braunen Augen so eindringlich an, er streichelt ihr zärtlich über die Wange. In dem reduzierten Bühnenbild mit kosmischen Galaxien auf der Videoleinwand träumt sich das Paar scheinbar weit weg aus der Realität. Mit viel kosmischem Sternenstaub kommt auch die Serbin Nevena Božović mit dem Song "Kruna" weiter. Victor Crone aus Estland, der wie der nette Junge von nebenan aussieht, braucht weder Glanz noch Glitter. Er stürmt mit "Storm" und einem Lächeln ins Finale.
Kunst hat es schwer
Herbe Enttäuschungen erleben an diesem Abend Ungarn und Portugal, die beide in Landessprache singen. Für Joci Pápai, der 2017 in Kiew Achter wurde, zerplatzt der Traum von einem zweiten Finale. Dabei singt er "Az én apám" - die Ode an seinen Vater - berührend und gesanglich überzeugend. Auch das Bühnenbild in Schwarz und Gold ist wunderschön. Mit einem kunstvollen Tanz-Theater-Auftritt scheitert auch der Portugiese Conan Osíris. Der 30-Jährige entführt in eine Welt aus Verrat und Tod, untermalt mit orientalischen, japanischen und elektronischen Klängen. Es scheint fast so, als ob es an diesem Abend Anspruchsvolles und Ungewöhnliches schwer haben, denn auch Tulia aus Polen müssen mit ihrem Schreigesang zu "Fire Of Love" den Finaltraum begraben.
Mit Landessprache kann auch Oto Nemsadze aus Georgien nicht punkten. Trotz eines spektakulären Bühnenbildes aus Eisbergen, die zu brennen beginnen, ist das Halbfinale Endstation. Dass Weltstars nicht automatisch ins Finale kommen, erlebt DJ Darude, der mit Sänger Sebastjan Rejman die Heimreise nach Finnland antreten kann. Bei der Band D mol aus Montenegro und Eliot aus Belgien können weder Inszenierung noch Stimme überzeugen - und so heißt es für die jungen Sänger beider Länder: "Jalla, bye" Tel Aviv.