Osteuropa dominiert das ESC-Finale
Lauscher und Augen auf für das zweite ESC-Halbfinale 2015 - für einen Abend voller Wumms, Kurzweiligkeit, Abwechslung, Gänsehaut und Partystimmung. 21 Länder entscheiden - und es bleibt vor allem eine Erkenntnis: Mit den Teilnehmern aus Slowenien, Polen, Aserbaidschan, Lettland, Montenegro und Litauen sind im zweiten Halbfinale fast alle osteuropäischen Länder ins Finale eingezogen. Da bereits im ersten Halbfinale acht östliche Länder gewählt wurden, geht der ESC 2015 insgesamt mit 14 osteuropäischen Ländern ins Finale. So viel Ost war schon lange nicht mehr, so wenig Skandinavien war selten!
Schmissiger Start, Duo-Balladen regieren
Schnell wird klar: Die erste Hälfte des Abends gehört den dramatischen Balladen - auf ein fröhlich-schmissiges "This Time" aus Litauen folgen große Gefühle und fließend-dramatische Armbewegungen, zum Beispiel in Balladen von Molly Sterling oder von "Die Happy"-Sängerin Marta Jandová und ihrem Duett-Partner Václav Noid Bárta. Sie bekommen in der zweiten Hälfte Konkurrenz durch knallende Ohrwürmer und mitreißende Bühneninszenierungen.
Überragende Acts: Zweite Hälfte knallt
Spätestens seit diesem zweiten Halbfinale sollte auch der lettische Beitrag in aller Ohren und Augen hängen bleiben: Aminata bringt im knallroten Kleid sowie mit ihrem mal schüchternen und mal dramatischen Gesang eine Bühnenpräsenz mit, die den Song "Love Injected" wortwörtlich ins Gedächtnis spritzt. Ihre Stimme, eine Mischung aus afrikanischer, russischer und europäischer Gesangstradition, vereint sich perfekt mit wummernden Bässen und knallenden Dubstep-Elementen.
Für eine wahre Erfrischung sorgt in der Mitte des Teilnehmerfeldes auf der Startnummer neun auch der Israeli Nadav Guedj. Der erst 16-jährige "goldene Junge" glänzt auf der Bühne nicht nur mit seinen goldenen Glitzerschuhen, sondern auch mit einem peppigen Song, der traditionelle Klänge mit echter R'n'B-Partystimmung vermischt. Da bleibt kein Fuß still, keine Hand in der Hosentasche. Am Ende muss er zittern, er ist der letzte Teilnehmer, der ins Finale gerufen wird. Fans und Journalisten sind mit ihm: "Israel", schreien sie - und jubeln.
Favoriten wurden ihrer Rolle gerecht
"Turn on your cellphone lights" - dieser Text erscheint auf der Leinwand in der Stadthalle, als die Norweger die Bühne betreten. Das Duo wirkt ehrlich berührt vom eigenen Song und bringt ohne großen Bühnen-Schnickschnack den ersten intimen Gänsehautmoment ins zweite Halbfinale. Belohnt wird das mit Szenenapplaus und lautstarkem Jubel in der Halle und im Pressezentrum. Ganz großer ESC! Der Schwede Måns Zelmerlöw steht in den Tipps und Wetten - bei den Buchmachern, im Wiener Pressezentrum, bei den eurovision.de-Usern - ganz oben. Und seine Bühnenshow gibt diesen Einschätzungen recht: Ein High Five hier, ein Regeneffekt dort - mit Charme, strahlend guter Laune und seinen coolen Animationen und nicht zuletzt mit seiner schmissigen Uptempo-Nummer "Heroes"-Hook punktet der Sänger, Schauspieler und Moderator und wird seiner absoluten Favoritenrolle voll gerecht.
Kein großes Feuerwerk
Pyroeffekte sucht man - wie schon beim ersten Halbfinale und vor allem im himmelweiten Unterschied zu Kopenhagen 2014 - fast vergeblich. Vielmehr sorgen die Projektionsflächen hinter der Bühne und auf dem Bühnenboden für reichlich Bling-Bling. Ob knallrote Spielereien bei Aminata Savadogo, batikähnliche Explosionen bei Amber aus Malta oder ein knallbunter, leicht kitschiger Barbie-Märchenwald bei der Polin Monika Kuszynska - es geht bunt und knallig zu.
Apropos Märchenwald: Dem Thema Natur haben sich so einige Teilnehmer verpflichtet. Molly Sterling aus Irland und die Schweizerin Mélanie René stehen mitten in einem Wald, Top 10-Favorit Elnur Huseynov aus Azerbaidschan begegnet in der "Stunde des Wolfes" bedrohlichen Baum- und Astschatten und der laut umjubelte Knez aus Montenegro nimmt uns mit auf eine Reise durch die nächtlichen Berge. Trotzdem: Die richtig bombastisch-emotionalen Momente fehlen, eine Feuerfontäne hier und dort gehört doch irgendwie dazu. Immerhin: Leonor Andrade performt ihre portugiesische Ballade in Latexhose und schwarzem Flatterkleid und hat die Windmaschine mitgebracht.
Enttäuschte Gesichter
Euphorische Stimmung, ein letztes Fahnenschwenken und hoffnungsvolle Gesichter während des Countdowns bevor die Leitungen geschlossen wurde - und wenig später die Gewissheit und große Enttäuschung bei sieben der 17 Halbfinal-Teilnehmer: Das jüngste ESC-Duo aller Zeiten aus San Marino und damit eine Ralph-Siegel-Komposition schied genauso aus wie die Balladen aus Irland, Tschechien und Island. Auch Mélanie Renés "Time To Shine" war schnell vorbei. Auch, wenn diese für die Teilnehmer traurigen Augenblicke wohl die härtesten ESC-Momente waren: Das Finale 2015 ist eines, das sich sehen lassen kann. Die schmissigen Songs wie "Golden Boy" und "Heroes" werden den Laden am 23. Mai aufmischen.