Bilal Hassani: Das autobiografische Bekenntnis
Bilal Hassani hat die französische Vorentscheidung am Wochenende nicht als krasser Außenseiter gewonnen. Schließlich machte er sich schon mit 15 Jahren bei der französischen Ausgabe von "The Voice Kids" einen Namen und sammelte vor allem für seine Performance von Conchitas "Rise Like A Phoenix" viele Sympathien. Dass das Kind marrokanischstämmiger Eltern jetzt mit seinem Titel "Roi" gewinnen konnte, lag freilich weniger an dem Umstand, dass er homosexuell ist und dies in seinem Lied auch deutlich bekundet. Vielmehr hat er sein Lied als persönliche Geschichte angelegt und so das Publikum auf seine Seite gezogen.
Schwule Künstler gab es immer, meist als solche versteckt
Hassani ist einer der vielen Künstler, die mittlerweile offen zu ihrer Homosexualität stehen. Die Zeiten, in denen Künstler wie Jean-Claude Pascal oder Jürgen Marcus ihre sexuelle Orientierung verstecken mussten, sind zum Glück vorbei. Mittlerweile muss keiner mehr Heterosexualität vorspielen, weil er sonst Gefahr läuft, seine Karriere zu beenden. Schon 1997 machte der Isländer Paul Oscar bei seinem Auftritt in Dublin aus seiner Homosexualität keinen Hehl.
Dennoch gab es als Reaktion auf Hassanis Sieg natürlich zahlreiche Hasskommentare und schwulenfeindliche Tweets. Ungewollt sorgten die Homophoben mit ihrem Hass dafür, dass der 19-Jährige auch über Frankreich hinaus bekannt wird. Was den Sänger besonders auszeichnet, ist die ästhetische Konstruktion seiner Performance: Und in dieser Hinsicht hat Hassani mehr mit Michael Schulte gemeinsam als mit Queer-Auftritten aus den vergangenen Jahren. Schulte untermalte seinen Titel "You Let Me Walk Alone" bei seinem Auftritt in Lissabon mit Bildern zu einem Thema, das er selbst schmerzlich erlebt hat: den Verlust des Vaters. Auch bei Hassani läuft im Bühnenhintergrund ein autobiografisch gefärbter Bilderreigen ab. Bilder von einem kleinen Bilal, der in die Welt hinaus geht und darauf besteht, dass er ist, wie er ist und der sich nicht von den Erwartungen anderer einschüchtern lässt.
Sei echt, sei du selbst, zeig dich!
Sein Auftritt ist authentisch. Die künstlerische Inszenierung zeigt das Wesen des Performers, wie es wirklich ist, und nicht nur die positiven Momente, wenn man auf der Bühne steht. Während Conchita 2014 in Kopenhagen allein mit einem Lied andeutete, was ihre Botschaft ist, untermalt Hassani diese Botschaft mit Bildern eines seinen Platz in der Welt suchenden Kindes.
Dieser autobiografische Stil scheint in gewisser Weise, ein neues Erfolgsrezept beim ESC zu sein. Früher kam es nicht darauf an, dass der Interpret glaubt, was er auf der Bühne singt. Bekannterweise hasste Sandie Shaw den Siegestitel "Puppet On A String" von 1967 sogar und auch France Gall konnte ihr "Poupée de cire, poupée de son" nicht ausstehen. Heutzutage hingegen ist es wichtig hinter dem zu stehen, was auf der Bühne vorgetragen wird und so stand auch Schultes Auftritt mitten im Zeitgeist.
Es muss mehr gewagt werden auf der persönlichen Ebene und dabei reicht es nicht, wie Paradise Oskar 2011 mit "Da da dam", etwas Persönliches zu behaupten, um dabei im Hintergrund nur die blau eingefärbte Erdkugel zu zeigen.
Unverhülltes Künstlertum
Ähnlich wie Schulte könnte man auch Bilal Hassani seine Lebensgeschichte sympathisch auslegen und er somit viele Punkte für seine "Entblößung" erhalten. Denn das ist ja das, was das televotende Publikum, bei dem Hassani beim Vorentscheid haushoch gewann, belohnt: Künstlertum, das sich unverhüllt zeigt, das nicht lügt und dem das Autobiografische nicht einerlei ist. Bilal Hassani quietschte nach Verkündung seines Sieges stolz und vergnüglich: "Mein Traum wird wahr. Ich repräsentiere Frankreich beim Concours Eurovision." Mit seinem "Roi", der er in eigener Sache ist, wird er weit kommen.