Sandie Shaw: Swinging Sixties und barfuß beim ESC
Barfuß im Minikleidchen - beim Grand Prix De La Chanson 1967 zaubert Sandie Shaw einen Hauch Swinging Sixties auf die Bühne der altehrwürdigen Wiener Hofburg.
In England ist die Sängerin mit der kraftvollen Stimme und dem zarten Körperbau bereits eine Pop-Ikone mit starkem Einfluss auf den Musik- und Modestil der Sechzigerjahre. Auch die Wettbewerbs-Jury erliegt ihrem Charme. Mit 47 Punkten erhält ihr Song "Puppet On A String" eine mehr als doppelt so hohe Wertung als "If I Could Choose" von Sean Dunphy. Der Ire muss sich mit 22 Punkten und Platz 2 zufrieden geben.
Zweifelhafter Songtext
Mit diesem haushohen Sieg hat Sandie Shaw sicher nicht gerechnet, denn sie selbst ist nicht begeistert von dem Lied, das nicht ihrem Stil entspreche. Ob sie sich auch am Inhalt gestört hat? Der Text beschreibt eine Frau, die sich wie eine "Marionette an Fäden" von ihrem Angebeteten führen lassen möchte, wenn er ihr nur endlich sagte: "Ich liebe dich".
Trotz aller Zweifel - der Erfolg wird der Sängerin sicherlich gefallen haben. "Puppet On A String" beschert Sandie Shaw ihren dritten Nummer-eins-Hit in Großbritannien und hohe Chartplatzierungen in vielen anderen europäischen Ländern. Auch in Deutschland erreicht das leichtfüßige Gute-Laune-Lied der Engländerin den ersten Platz.
Karrierestart als Teenager
1964 erobert die junge Frau aus Essex mit "Always Something There To Remind Me" zum ersten Mal die britischen Charts - im zarten Alter von 17 Jahren. Der von Burt Bacharach geschriebene Song erklimmt in Großbritannien die Spitzenposition und wird auch in Europa ein Hit. Nur ein Jahr später kann sie den maximalen Chart-Erfolg mit "Long Live Love" wiederholen. Mit dem ESC-Gewinner-Lied von 1967 landet Sandie Shaw den dritten Top-Titel und gehört damit zu den erfolgreichsten britischen Künstlerinnen der Sechzigerjahre. Sie ist Dauergast bei "Top of the Pops" und anderen Musikshows, bringt eine eigene Modelinie heraus und präsentiert die TV-Show "The Sandie Shaw Supplement".
Vielseitiges Talent mit Ambitionen
In den Siebzigerjahren erweitert die Künstlerin ihr Repertoire erneut. Sandie Shaw schreibt Songs, tritt als Schauspielerin auf und geht unter die Kinderbuchautorinnen. In unregelmäßigen Abständen veröffentlicht sie eigene Titel, doch an den immensen Erfolg der Sechzigerjahre kann sie nicht anknüpfen. Das Geld wird knapp und Sandie Shaw bessert ihr Einkommen zwischenzeitlich als Servicekraft im Londoner Szeneviertel Soho auf. Erst 1984 landet sie wieder einen Hit in Großbritannien. Eine Coverversion des The-Smith-Songs "Hand In Glove", die sie auf Drängen der Originalinterpreten 1984 einspielt, klettert bis auf Platz 27 der britischen Charts.
Zweite Karriere
1991 bringt die Engländerin die Autobiographie "The World At My Feet" heraus und gibt Einblick in die schwere Zeit nach ihrem Superstar-Höhenflug. Sie berichtet von Depressionen und der Kraft, die sie im buddhistischen Glauben findet. Der Rückblick auf das bisherige Leben ist gleichzeitig ein Neuanfang. Sandie Shaw startet ein Psychologiestudium in Oxford und London, schließt als Psychotherapeutin ab und eröffnet 1997 die "Arts Clinic". Hier bietet sie psychologischen und kreativen Support für Künstler, Medienmacher und Sportler mit einem spezielles "Barefoot-Therapie"-Programm, getreu ihrem Markenzeichen, ohne Schuhe aufzutreten.
Trotz einiger Tiefschläge ist Sandie Shaw seit den Sechzigerjahren vor allem in Großbritannien, aber auch in Italien, Deutschland, Frankreich und Spanien als Sängern immer wieder präsent. Bis in die Nullerjahre erscheinen neue Songs, Remixes und Compilations. Und in der ewigen ESC-Bestenliste nehmen die Barfußsängerin und der Siegertitel "Puppet On A String" sowieso einen Spitzenplatz ein.