Bilal Hassani träumt von einem Königreich
"Wenn ich träume, bin ich ein König", singt Bilal Hassani in "Roi". Das reale Leben des jungen Künstlers aus Paris sieht alles andere als traumhaft aus: Nach seinem Sieg beim Vorentscheid "Destination Eurovision", der ihm das Ticket zum Eurovision Song Contest nach Israel sichert, sieht sich der 19-Jährige massiven homophoben Anfeindungen und sogar Morddrohungen ausgesetzt. Da fallen Worte wie "Araber mit Perücke" oder "Schande für Frankreich". Hassani steht offen zu seiner Homosexualität - und wünscht sich ein selbstbestimmtes Leben. Er singt davon, sich nicht verbiegen zu lassen, dass nur Gott über die Menschen urteilen darf. Hassani habe inzwischen Anzeige erstattet, wegen "Beleidigung, Aufruf zum Hass und zur Gewalt sowie homophoben Drohungen", so sein Anwalt. Er sei sehr stolz darauf, sein Land zu vertreten, erklärt Hassani. "Ich bin hundert Prozent ich selbst - trotz all der Leute, die mir im Internet sagen, dass ich nicht für Frankreich stehe." Auch wenn der 19-Jährige davon singt "hell zu leuchten und sein Königreich sehen zu können", schafft er es nicht, sich in Tel Aviv die Krone aufzusetzen. Am Ende bleibt ein 16. Platz.
Hassanis Vorbild ist ESC-Siegerin Conchita
Der Sänger mit marokkanischen Wurzeln ist in Paris geboren. Hassani wächst in Osny, einer Gemeinde im Nordwesten der der französischen Hauptstadt, auf. Schon als 5-Jähriger beginnt er zu singen, später nimmt er Gesangsunterricht. Mit neun Jahren begeistert sich Bilal Hassani für Mode, als er Lady Gaga entdeckt. Allerdings hat Bilals Mutter Amina kein Geld für teure Markenkleidung. Er sei wirklich mit billigen Klamotten unterwegs gewesen, erzählt der 19-Jährige dem Kultur- und Modemagazin "Technikart". Deshalb habe er Gefallen an Secondhand-Läden gefunden.
Musikalisch macht Hassani erstmals 2015 auf sich aufmerksam: Als Jugendlicher nimmt er an der französischen Version von "The Voice Kids" mit einer Cover-Version von Conchitas Song "Rise Like A Phoenix" teil. Österreichs ESC-Siegerin von 2014 ist Hassanis großes Vorbild. Doch der junge Franzose präsentiert sich femininer, trägt keinen Bart. Sein Markenzeichen sind platinblonde Haare und eine goldene Nickelbrille. Der Abiturient ist auf YouTube aktiv, auf seinem Videokanal gibt Hassani Schminktipps und erzählt aus seinem Leben. 2017 nutzt er die Plattform für sein Coming-out. In dieser Zeit steht seine Mutter Amina immer hinter ihm. Inzwischen verzeichnet Hassanis YouTube-Kanal knapp eine Million Abonnenten, auf Instagram folgen dem 19-Jährigen fast 500.000 Fans. Der Song "Roi" verzeichnete bis Ende April mehr als acht Millionen Abrufe bei Spotify. Ende April ist Hassanis Debütalbum "Kingdom" erschienen.
Stil-Ikone und Frankreichs kommender Superstar?
Neben der Leidenschaft für Musik ist auch seine Liebe zur Mode geblieben. Hassani gilt aktuell als Stil-Ikone und kommender Superstar in Frankreich. Ideen für seine Outfits holt er sich unter anderem bei Fashion-Shows im Fernsehen und von der Straße. Eine weitere Inspirationsquelle ist Asien, das er öfters bereist, weil sein Vater zunächst in Hanoi lebte und heute in Singapur beheimatet ist. Der 19-Jährige hat ein Faible für Brillen von Vivienne Westwood. Die Designerin habe es geschafft, den Punk in die Haute Couture zurückzubringen, so Hassani gegenüber "Technikart".
Madame Monsieur zeichnen für Song "Roi" verantwortlich
Mit deutlichem Vorsprung gewinnt Hassani Ende Januar die französische Vorentscheidung "Destination Eurovision". Am Ende eines wahren Wertungskrimis setzt sich der 19-Jährige mit den Stimmen der Zuschauer gegen sieben Mitbewerber durch. Die Jury sieht Bilal Hassani lediglich auf Platz fünf. Der englisch-französische Titel "Roi" handelt von Selbstachtung und stammt aus der Feder von Émilie Satt und Jean-Karl Lucas alias Madame Monsieur, Frankreichs Teilnehmer 2018 in Lissabon.
Weniger Zuschauerinteresse für "Destination Eurovision"
Nachdem das neue Vorentscheidungsformat "Destination Eurovision" das Interesse für den in Frankreich als altmodisch und kitschig geltenden Wettbewerb 2018 wiederbelebt hatte, erhofften sich die Fernsehverantwortlichen in diesem Jahr einen weiteren Popularitätsschub. Die Einschaltquoten blieben jedoch deutlich hinter denen des Vorjahres zurück - sei es wegen des enttäuschenden Abschneidens in Lissabon, sei es wegen des auffällig penetrant erhobenen pädagogischen Zeigefingers, der gefühlt in jedem zweiten Song zu mehr Respekt, Toleranz und Frieden mahnte und so den Eindruck erweckte, man sei auf der Suche nach der Klischeevorstellung von einem ESC-Beitrag.
Kann sich Bilal Hassani mit Conchita messen?
Die Show war dagegen wie im Vorjahr professionell und unterhaltsam gestaltet, Moderator Garou führte routiniert durch das Programm und die drei Juroren André Manoukian, Christophe Willem und Vitaa kritisierten die Leistungen der Kandidaten sympathisch und kompetent. Allerdings beschlich einen hin und wieder das Gefühl, dass viele der durchaus talentierten Künstler musikalisch unter ihren Möglichkeiten blieben. So auch Hassani, der sicherlich eine faszinierende Persönlichkeit ist, mit "Roi" allerdings dem Vergleich mit Conchita und ihrem Siegertitel "Rise Like A Phoenix" standhalten muss.