Trophäe endlich wieder an die Schweiz: Nemo gewinnt ESC 2024
Nemo aus der Schweiz siegt mit "The Code" im Finale des 68. Eurovision Song Contest in Malmö und macht vor Freude die Trophäe kaputt. Deutschlands Kandidat Isaak landet mit "Always On The Run" auf Platz 12.
Für den lange als Favorit gehandelten Kroaten Baby Lasagna und seinen Song "Rim Tim Tagi Dim" reicht es nur für den zweiten Platz. Die Ukrainerinnen Alyona Alyona & Jerry Heil schaffen es mit "Teresa & Maria" auf den dritten Rang.
Nach Nemos Sieg - Trophäe kaputt und ESC ein Scherbenhaufen
Seit dem Sieg von Céline Dion 1988 in Dublin musste die Schweiz 36 Jahre auf den ESC-Pokal warten. In seiner Freude über den Triumph stellt Nemo die Trophäe - ein gläsernes Mikrofon - so fest auf den Bühnenboden, dass sie kaputtgeht und er sich den Finger bricht. Übrig bleibt von dem Pokal nur der zerbrochene Stumpf. Die Trophäe wird schnell ersetzt, Nemos Finger verarztet. Und doch ist es eine Szene, die sinnbildlich für den diesjährigen ESC in Malmö steht. Selten ging so ein großer Riss durch die teilnehmenden Länder und die Fans. Auch die EBU hat sich in ihren Entscheidungen nicht unangreifbar gemacht. Da braucht es noch viel Aufarbeitung bis zum ESC 2025 in der Schweiz. Nemo bringt es mit seiner Äußerung auf den Punkt: "Die Trophäe kann repariert werden - vielleicht braucht der ESC auch ein kleines bisschen Instandsetzung."
Das Finale des Eurovision Song Contest 2024 fand unter dem Motto "United By Music" statt. Durch die Show führten Petra Mede und Malin Åkerman. Als Interval-Acts standen neben Vorjahressiegerin Loreen auch die ehemaligen Gewinnerinnen Charlotte Perrelli, Carola und Conchita mit einem Cover des Abba-Siegersongs "Waterloo" auf der Final-Bühne in Malmö - anmoderiert von einer computer-animierten Version der schwedischen ESC-Gewinner von 1974. Außerdem gab es ein Wiedersehen mit der schwedischen Popgruppe Alcazar.
Politik spaltet die ESC-Gemeinde
Auf dem Event liegt in diesem Jahr eine bleierne Schwere, Diskussionen über einen Ausschluss Israels und pro-palästinensische Demos überlagern den ESC In Malmö. Eine ähnlich bedrückende Situation gab es zwar auch 2022 - nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Aber trotzdem war der Sieg von Kalush Ochestra damals ein Zeichen der Hoffnung und das überwältigende Voting für die Band ein Ausdruck der Solidarität. Jetzt ist die ESC-Gemeinde gespalten. Spokespersons wie Käärijä, Alessandra und die Niederländerin Nikkie de Jaeger wollen keine Punkte mehr verlesen. "United by Music" ist in diesen Tagen ein Motto, das nicht mehr hält, was es verspricht.
Nach der Disqualifizierung des Niederländers Joost Klein fehlt dem ESC auch ein Stück Leichtigkeit, mit "Europapa" hat der Fanliebling viel Spaß und eine persönliche Note auf die Bühne gebracht. Viele wollen nach seinem Ausschluss wegen eines angeblichen Übergriffs auf eine Kamerafrau des schwedischen Fernsehens dem ESC fernbleiben.
Nemo holt mehr Punkte als Loreen in Liverpool
Da gerät der Sieg von Nemo mit "The Code" für die Schweiz fast zur Nebensache. Um 0.45 Uhr steht der Triumph des non-binären Acts fest, mit 591 Punkten toppt Nemo sogar das Ergebnis von Vorjahressiegerin Loreen, sie überreicht die begehrte Trophäe. Nemo knackt tatsächlich den Code und verdrückt dabei ein paar Tränen der Freude. Dann sendet Nemo eine an diesem Abend so wichtige Botschaft in die Welt: "Ich hoffe der Contest hält, was er verspricht, und setzt sich für Frieden ein."
Parforceritt auf der Drehscheibe überzeugt die Jurys
In der ersten Votingrunde steht schnell fest: Nemo ist Liebling der Jurys. Es hagelt reihenweise zwölf Punkte. Schließlich hat Nemo 365 Punkte aus den 37 Ländern auf dem Punktekonto, gefolgt von Slimane mit 218 Punkten. Was auffällt: Die beiden Acts sind so unterschiedlich, auf der einen Seite Quirliges von Nemo, auf der anderen der eher ruhige Franzose. Nemo startet von Platz 21 ins Rennen und der Parforceritt auf der Drehscheibe ist außerirdisch gut. Jeder Ton sitzt, ob im Rap- oder Opernpart.
Ein Song mit ganz viel Gefühl von Slimane
Mit Nummer 25 ist Slimane das musikalische Betthupferl, fast möchte man sich am Anfang zu ihm legen und sich sein "Mon Amour" ins Ohr säuseln lassen. Und ihm dabei tief in seine funkelnden Augen blicken. Das ist ein bisschen kitschig-klebrig, aber singen kann er, der Slimane. "For Love And Peace", appelliert der Sänger nach dem Auftritt an die ESC-Gemeinde. Just nach seinem kuscheligen Auftritt macht der Pariser Plätze bei den Wettanbietern gut.
Baby Lasagna holt bestes Ergebnis für Kroatien
Doch es wird schließlich ein Start-Ziel-Sieg für Nemo, auch Wett-Favorit Baby Lasagna muss sich geschlagen geben. Dabei gibt der 28-Jährige auf der Bühne alles: Mit seinem tänzerischen Squat bringt er die Arena zum Toben, das Publikum grölt zu "Whoa, Whoa, Whoa" frenetisch mit. Der Kroate heimst 337 Punkte von den Televotern ein, doch in der Endabrechnung bleibt an diesem Abend nur Platz zwei. Was heißt "nur"? Es ist das beste ESC-Ergebnis für Kroatien überhaupt!
Isaak holt für Deutschland viele Punkte bei den Jurys
Ganz rechts unten in der Tabelle, da klebte Deutschland in den vergangenen Jahren fest. Doch dieses Jahr ist es anders: Als Isaak singt, leuchten in der Arena unzählige Handys. "Thank you Europe, thank you so much", diese Worte richtet er als Dank ans Publikum. Für seine Darbietung bekommt Isaak so viele Jurypunkte, dass er sich früh auf der linken Seite festsetzt. Schließlich sind es 99 an der Zahl, darunter zehn von Israel, jeweils acht aus den Niederlanden und Belgien. Da lassen sich die 18 Punkte von den Televotern verschmerzen. Am Schluss springt ein guter zwölfter Platz heraus. Isaak ist glücklich darüber, freut sich aber auch, dass der ESC-Marathon zu Ende ist: "Ich bin so müde."
Kronprinzessin Victoria erlebt Pfiffe gegen Israel
Was bleibt noch von diesem Abend? Zumindest gemischte Gefühle - und Störgeräusche. Schon beim Einzug der Länder gibt es Buhrufe und Pfiffe gegen Eden Golan. Einige verlassen aus Protest während des Auftritts Israels die Halle. Es herrscht eine kurze Unruhe in der Malmö Arena, alles unter den Augen der schwedischen Kronprinzessin Victoria, die den Contest im Publikum verfolgt.
Von liebestollen Boxern bis zur Dämonenaustreibung
Der royale Besuch sieht aber auch ein musikalisches Potpourri, das nicht jeden restlos begeistert. Da ist das Duo Nebulossa, die singenden Geißens aus Spanien, das mit ihren halbnackten Tänzern eine schlüpfrige Party feiert. Oder der Brite Olly Alexander, der sich in einem Käfig mit liebestollen Boxern - zwischen Kampf und Küssen - zu "Dizzy" schwindelig singt. Für die Televoter ist das punktemäßig eine Nullnummer. Auch an der Dämonenaustreibung von Bambie Thug scheiden sich die Geister. Trotzdem gibt es so viel Zustimmung, dass es zu Platz sechs reicht. Das kann Nemo alles nicht kümmern. Nemo hat an diesem Abend für sich das Paradies gefunden - und das nicht nur im Song.
Niederlande am Finaltag vom Wettbewerb ausgeschlossen
Nach einem Vorfall im Anschluss an das zweite Halbfinale am Donnerstagabend entschloss sich die EBU am Samstagmittag dazu, den niederländischen Teilnehmer Joost Klein vom Finale auszuschließen. Der niederländische Sender AVROTROS trat auf seinem Instagram-Account Spekulationen entgegen, wonach Klein eine Kamerafrau geschlagen habe. Demnach machte Klein zwar eine "bedrohliche Bewegung in Richtung der Kamera", es habe aber keine Berührung gegeben. Der Ausschluss des Künstlers sei unverhältnismäßig, so AVROTOS.
Die ehemalige Moderatorin beim ESC 2021 in Rotterdam und YouTuberin Nikkie de Jager zog sich von der Punktevergabe für die Niederlande zurück. In einem Statement erklärte die 30-Jährige: "Was auch immer ich heute Abend tue, ob ich da bin oder nicht, ich kann es nicht gut machen." Die Entscheidung habe sie zusammen mit AVROTROS getroffen. Die Punkte der niederländischen Jury verkündete stattdessen Martin Österdahl, der Executive Supervisor des ESC, unter Buhrufen und Pfiffen aus dem Publikum.
Absagen weiterer Spokespersons
Die norwegische Teilnehmerin am ESC 2023 Alessandra Mele sagte ihre Teilnahme als Spokesperson für Norwegen ab. Grund dafür waren laut der Sängerin das israelische Vorgehen im Gaza-Streifen. Sie sprach in ihrer Instagram-Ansprache von der "Liebe zur Wahrheit" und von einem "Genozid", welcher derzeit stattfinde und bezeichnete das Motto des Wettbewerbs "United by Music" als leere Worte. Vor dem Hintergrund der Ereignisse hatte auch Fast-Sieger des ESC 2023 Käärijä aus Finnland angekündigt, sich von der Punktevergabe zurückziehen. Stattdessen wurden die Ergebnisse aus Finnland von Radio-Suomen-Moderator Toni Laaksonen bekannt gegeben.