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Können Metadaten der Songs ESC-Sieger vorhersagen?

Stand: 14.05.2023 03:17 Uhr

Tanzbarkeit, Beats per Minute, Dur oder Moll: Was macht einen erfolgreichen ESC-Song aus? Das NDR Datenteam hat exemplarisch auf den ESC 2023 geschaut. So nah kamen die Analysen den realen Ergebnissen.

Fangen wir mit dem Tempo an, Beats per minute (BPM) genannt: Gemessen am Durchschnittswert aller ESC-Titel von 2016 bis 2022 lag der Wert bei 116 BPM. Wobei im Jahr 2016 das Tempo durchschnittlich mit 127 BPM am höchsten war, danach bis 2021 - vielleicht auch pandemiebedingt - auf magere 108 BPM abfiel. Im vergangenen Jahr in Turin wurde es durchschnittlich etwas schneller, der Wert lag bei 113 BPM.

Beats per minute der Gewinnersongs seit 2016

Schaut man sich die Gewinner der Jahre 2016 bis 2022 an, lag der durchschnittliche BPM gar nicht so weit vom Mittelwert aller Songs entfernt: 117 BPM. Allerdings wird dadurch verdeckt, dass es sowohl sehr schnelle Songs gab (2017: 173 BPM) als auch relativ langsame (2019: 71 BPM).

Der BPM von Loreens Gewinnersong "Tattoo" 2023 lag bei 150.

Liverpool-Songs erhöhen Durchschnitts-BPM

Grafik zeigt "Tempo" © NDR
Die gelben Kreise in der Grafik stellen die Gewinner-Songs dar, der schwarze Kreis steht für "Blood & Glitter" von Lord Of The Lost.

Beim ESC 2023 in Liverpool wurde das Tempo deutlich erhöht. Durchschnittlich lag das Tempo aller Songs im Wettbewerb bei 126 BPM. "Breaking My Heart" von Reiley ist mit 194 BPM weitaus schneller als alle anderen. "Burning Daylight" von Mia Nicolai & Dion Cooper ist im Vergleich dazu sehr langsam unterwegs: 71 BPM. Aber: Die Metadaten der Songs können auch falsch liegen: Die meisten Menschen würden niemals Amar Pelos Dois" von Salvador Sobral als schneller empfinden als beispielsweise "Toy" von Netta.

Klatschen im 4/4-Takt

Die Geschwindigkeit sagt nichts über den Takt aus. In diesem Bereich ist die Lage recht übersichtlich: Bei 157 von 170 Songs in den ESC-Wettbewerben von 2016 bis 2022 wippte das Publikum im 4/4 Takt. Allerdings: Obwohl sonst rar gesät, gab es gleich zwei Sieger-Titel im 3/4-Takt: "Amar Pelos Dois" von Salvador Sobral aus 2017 und "Arcade" von Duncan Laurence aus 2019.

Grafik zeigt "Takt" © NDR
Vier der letzten sechs Gewinner-Songs laufen im 4/4 -Takt, so auch "Blood & Glitter". Ob das die Chancen auf den Gewinn von Lord Of The Lost steigert?

Auch 2023 dominierte der 4/4-Takt, nur drei Songs wurden im 3/4-Takt komponiert. "Eaea" von der Spanierin Blanca Paloma, "Aijā" von Sudden Lights aus Lettland und "D.G.T (Off And On)" von Theodor Andrei aus Rumänien.

C-Dur oder doch mal Moll?

Melancholische Balladen und euphorische Hymnen wechseln sich beim ESC ja traditionell ab - mit einem leichten Plus für letzteres. Das zeigt sich auch in den Daten: In fast allen Jahren dominiert Dur, mal mit 54, mal mit 58 oder gar mit 62 Prozent über Songs, die in Moll komponiert wurden. Einzige Ausnahme: Der ESC 2022 in Turin, der aufgrund von Pandemie und Krieg in einem ganz besonderen weltpolitischen Umfeld stattfand. 21 der 40 Songs im Wettbewerb waren in Moll komponiert. 2023 lag der Anteil der Dur-Songs bei 62,1 Prozent - ein Rekord.

Doch fürs Orakeln eignete sich die Kategorie schlecht: Denn Dur und Moll hielten sich bei den Sieger-Songs der letzten Jahre die Waage: drei zu drei.

Tanzbarkeit - ein wichtiger Faktor

Wichtig für das Publikum in Liverpool sollte laut Prognose eine Kategorie werden: Die Tanzbarkeit, welche auf einer Skala von 0 bis 1 angegeben wird. Da hatten Kalush Orchestra 2022 mit einem Wert von 0,832 gut vorgelegt. Auch 2016 und 2018 lagen Songs vorn, die über eine sehr hohe Tanzbarkeit verfügten. Ausnahmen gibt es aber auch: ESC-Fans erinnern sich da erneut an Duncan Lawrence am Klavier oder an den sehr ruhigen Auftritt von Salvador Sobral.

Grafik zeigt "Danceability" © NDR
Die "Danceability" wird auf einer Skala von 0 bis 1 angegeben.

Im Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2022 lag die Danceability bei 0,569 Punkten. Der Mittelwert der Sieger-Songs lag aber höher: 0,6195. Wäre Danceability der ausschlaggebende Faktor, dann wäre Blanka aus Polen mit "Solo" weit nach vorne gekommen. Mehr Tanz geht fast nicht bei einem Wert von 0,904. In der Realität schaffte es Blanka jedoch nur auf Platz 19 von 26.

Negative Stimmung beim Eurovision Song Contest?

Positive Valence steht für die von einem Track vermittelte musikalische Positivität. Tracks mit niedriger Valenz klingen für den Algorithmus negativer, auch wenn der Songtext vielleicht positiv ist. Mit 0,447 liegt der Durchschnittswert aller ESC-Titel von 2016 bis 2022 im mittleren unteren Bereich.

"D.G.T (Off And On)" des Rumänen Theodor Andrei (0,84), "Dance (Our Own Party)" von The Busker aus Malta (0,824) und "I Wrote A Song" der Britin Mae Muller (0,802) waren 2023 die Songs mit den höchsten Valence-Werten, "We Are One" von Wild Youth aus Irland hatte mit 0,119 den niedrigsten Wert.

Energy: "Blood & Glitter" im guten Mittelfeld

Bei der Energie eines Songs belegen Vesna aus Tschechien mit "My Sister's Crown" mit einem Wert von 0,919 den ersten Platz, der deutsche Beitrag "Blood & Glitter" hat mit 0,801 den achthöchsten Energy-Wert. Der Durchschnittswert aller Titel zwischen 2016 und 2022 liegt bei 0,660. Und das ist ziemlich genau der Wert, den die Sieger-Songs erreicht haben. Also: Zu viel Energy kann sich also auch negativ auf die Punkte auswerten. In dieser Hinsicht könnte die Annahme "Viel Energy wirkt sich negativ aus" stimmen: Denn Lord Of The Lost erreichte am Ende den letzten Platz.

Gibt es das perfekte Rezept für einen ESC-Siegersong?

Danceability, Energy, Valence, Tonart, Tempo und Takt: Wir haben für die Auswertung jeweils den Mittelwert (Median) der Siegersongs von 2016 bis 2022 berechnet. Anschließend wurde ermittelt, wie der Abstand der Titel 2023 zu diesen Mittelwerten ist. Für jede Kategorie wurden die Songs dann in eine Rangfolge gebracht. Der Song, der am nächsten an dem Erfolgs-Mittelwert der letzten Jahre war, hat einen Punkt bekommen, der nächste Song zwei Punkte - und so weiter. Am Ende haben wir die Punkte der einzelnen Kategorien zusammengerechnet.

Und das ist das Ergebnis: Am nächsten an der ESC-Mittelwert-Erfolgsformel sind Albina & Familja Kelmendi mit "Duje", vor TuralTuranX aus Aserbaidschan mit "Tell Me More" und Voyager aus Australien mit "Promise". Alle drei Songs sind bei der Auswertung nah beieinander.

In der Realität sahen die Ergebnisse des ESC 2023 allerdings anders aus: Den besten Platz dieser drei errechneten "Mittelwert-Favoriten" erzielte Voyager für Australien mit "Promise" auf Platz 9. "Duje" von Albina & Familija Kelmendi landete auf Platz 22 von 26, TuralTuranX aus Aserbaidschan schied hingegen bereits im Halbfinale aus.

Allerdings zeigen die Grafiken, dass die Sieger-Songs in der Regel nicht dem Mittelwert entsprechen, sondern oft - je nach Kategorie - teilweise extrem am Rand liegen. Auch das könnte eine Erfolgsformel sein: sich möglichst abzuheben von anderen. In diesem Fall hätten die Niederländer Mia Nicolai & Dijon Cooper und die tschechischen Vesna gute Chancen gehabt - theoretisch.

Doch auch diese Annahme ist scheinbar falsch. Denn Mia Nicolai & Dijon Cooper schafften es nicht ins Finale, Vesna aus Tschechien belegte Platz 10, landete damit im soliden Mittelfeld.

Damit zeigt sich: Der Faktor Mensch, beziehungsweise sein Verhalten, liegt außerhalb des messbaren Bereichs - zumindest was das Votingverhalten des ESC-Publikums betrifft. So ist es keine Überraschung, dass Acts und ihre Songs, die eigentlich laut Datenanalyse gute Chancen haben, im Finale weit nach vorne zu kommen, dort gar nicht erst auftreten werden.

von Claus Hesseling (NDR Data), Mitarbeit Sabine Leipertz (Redaktion eurovision.de)

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Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 13.05.2023 | 21:00 Uhr

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