Salvador Sobral: Wenn Musik gewinnt
Schritt für Schritt hat sich der Portugiese Salvador Sobral vom relativ unscheinbaren Jazz-Barden zum gefeierten Musikhelden des Eurovision Song Contest 2017 gemausert. Beim Finale in Kiew ist es ihm zum Schluss sogar gelungen, den lange favorisierten Italiener Francesco Gabbani zu überholen und als erster Portugiese überhaupt den ESC-Sieg einzufahren.
"Amor pelos dois" - ein Song, der berührt
Mit der Jazz-Ballade "Amar pelos dois" (Lieben für zwei) gewinnt Salvador Sobral Anfang März den portugiesischen ESC-Vorentscheid "Festival da Canção" in Lissabon. Der 27-jährige Musiker, der aus einer alten Adelsfamilie stammt, setzt bei seinem Auftritt auf Gefühl und Stimme statt auf eine spektakuläre Show mit Tänzern, Lasereffekten und Pyrotechnik. Als ob sein großes Vorbild, die im Jahr 1988 verstorbene Jazz-Legende Chet Baker, seinen Klassiker "My Funny Valentine" zum Besten gibt, intoniert auch Sobral seinen Song mit geschlossenen Augen - fast regungslos, aber konzentriert, immer wieder unterbrochen von befremdlich wirkenden Kopfbewegungen, die dem Stück noch mehr Ausdruck verleihen. Der langsame Song voller Melancholie bringt seine grandiose Stimme voll zur Geltung, selbstbewusst verharrt er in den ruhigen Passagen und zaubert dem Publikum eine Gänsehaut auf den Rücken.
Vom angehenden Psychologen zum Vollblut-Musiker
Durch die Teilnahme bei der TV-Castingshow "Idols" macht Salvador Sobral erstmals im Jahr 2009 in der Öffentlichkeit von sich reden, als er den siebten Platz belegt. Zugunsten eines Lebens als Musiker bricht er sein Psychologie-Studium in Lissabon ab, um sich Inspirationen in den USA zu holen. Zurück in Europa studiert er Jazz an der renommierten "Taller de Musics" in Barcelona. Erste eigene Musikprojekte sind stark beeinflusst von Chet Bakers Jazzstücken, dem brasilianischem Bossa nova sowie anderen lateinamerikanischen Klängen. 2016 erscheint schließlich Salvador Sobrals Debütalbum "Excuse Me". Bei der Produktion der Songs arbeitet er eng mit dem venezolanischen Komponisten Leonardo Aldrey und auch seiner älteren Schwester, Jazz-Musikerin Luísa Sobral, zusammen.
Komposition und Text von Schwester Luísa
Aus ihrer Feder stammt sowohl der portugiesische Liedtext als auch die Komposition des unaufgeregten Jazz-Songs "Amor pelos dois", mit dem Sobral beim ESC in Kiew antritt. Luísa ist während seiner Auftritte stets an seiner Seite, übernimmt sogar seine Proben in Kiew, als er daran krankheitsbedingt nicht teilnehmen kann. Für eine Fernsehshow mit einem europaweiten Millionen-Publikum erscheint seine minimalistische Performance zunächst kaum kompatibel. Doch sein Auftritt wird zu einem Sieg der "Musik, die etwas bedeutet", so Sobral in seiner Gewinnerrede. "Wir leben in einer Welt völlig austauschbarer Musik - Fast-Food-Musik ohne jeden Inhalt", erklärt er nach der Übergabe der ESC-Trophäe, "Musik ist kein Feuerwerk. Musik ist Gefühl. Lasst uns versuchen, etwas zu ändern und die Musik zurückzubringen!"
Langes Warten auf Herztransplantation
Wie schlecht es dem Sänger während der ESC-Zeit im Mai tatsächlich ging, darüber gab es nur Spekulationen. Gerüchte über eine bevorstehende Herztransplantation machten die Runde. Nach seinem Sieg in Kiew verbrachte Sobral aber zunächst den Sommer mit vielen Auftritten und Konzerten. Doch Anfang September gab er bekannt, sich aufgrund von gesundheitlichen Problemen von den Bühnen zurückzuziehen. Kurz darauf musste er wegen seines immer schlechter werdenden Gesundheitszustands auf die Intensivstation eines Krankenhauses in Lissabon. Dort wurde ihm Anfang Dezember ein neues Herz transplantiert. Seit eineinhalb Jahren hatte der Sänger schon auf ein Spenderherz gewartet. "Die Operation ist sehr gut verlaufen. Wenn alles gut geht, wird er ein völlig normales Leben haben, und er hofft, dass das sobald wie möglich geschehen wird", zitierte die Zeitung "Público" den Chirurgen Miguel Abecasis nach einer Pressekonferenz.