Sobral: Künstliches Herz hält ihn am Leben
Als Geschmackssache bezeichneten viele den Song "Amar pelos dois" von Salvador Sobral beim diesjährigen Eurovision Song Contest in Kiew. Als geschmacklos dürften mittlerweile viele ihren damaligen Kommentar empfinden, dass Salvador seine Herzerkrankungen wirksam inszeniert hätte, um Mitleidspunkte zu bekommen. Wie ernst sein gesundheitlicher Zustand bereits im Mai gewesen sein muss, wurde in den letzten Wochen immer klarer. Im September wurde er auf die Intensivstation einer Klinik nahe Lissabon verlegt. Er brauche dringend ein Spenderherz, hieß es. Nun berichten portugiesische Medien, dass er an ein künstliches Herz angeschlossen worden sei. Dieses Gerät entlaste das Herz und helfe ihm, sich zu regenerieren. Damit verlängere sich zwar die Lebenserwartung, es sei aber trotzdem nur eine temporäre Lösung. Seine Schwester gab außerdem kürzlich ein Interview, in dem sie sagte, dass sie zuversichtlich sei, dass er gesund werde. Sie habe schon einen neuen Song für ihn geschrieben.
Zustand in Kiew ernster als angenommen
Zuvor hatte Sobral sich bereits von den Bühnen zurückgezogen. Anfang September veröffentlichte er ein YouTube-Video mit der Botschaft, "dass die Zeit gekommen sei, seinen Körper der Wissenschaft zu übergeben." Gerüchte, dass er bis Ende des Jahres eine Herztransplantation benötige, um überleben zu können, hatte es schon lange gegeben. So klingt es fast wie Ironie des Schicksals, dass sein ESC-Siegertitel davon handelt, die Kraft zu haben für zwei zu lieben - und das bei einem scheinbar kranken Herzen.
In dem Video wirkt der Sänger gefasst, aber auch emotional. An seinem rechten Arm ist eine Kanüle zu sehen, ein Hinweis auf die medizinische Behandlung, der er sich unterziehen muss. Nach dem unerwarteten Sieg beim ESC hat der Sänger einen intensiven Sommer mit vielen ausverkauften Konzerten hinter sich. Etwas, das er körperlich nicht mehr schaffe, so seine Nachricht an die Fans. Auch ein aktuelles Interview in der portugiesischen Online-Ausgabe der Zeitschrift "Visao" mit seiner Schwester Luísa macht deutlich, dass der Zustand im Mai ernster war als angenommen.
Ergreifende Szene beim letzten Konzert
"Até já" ("Bis bald") hieß das vorerst letzte Konzert von Salvador. Ein ganz normales Salvador-Konzert bis zu dem Moment, in dem seine Schwester die Bühne betritt, um den ESC-Siegertitel, den sie getextet und komponiert hat, gemeinsam mit ihrem Bruder zu singen. Ein sichtlich emotionaler Salvador konnte seine Tränen nicht mehr zurückhalten, als das gesamte Publikum gemeinsam mit den Sobral-Geschwistern "Amar pelos dois" sang. Luísa umarmte und küsste ihren Bruder, der sich mehrfach die Tränen wegwischen und seinen Gesang unterbrechen musste.
Aber die größte Überraschung war nicht die Performance mit seiner Schwester. Vielmehr war es seine Ansprache an das Publikum, in der er um Verzeihung bat für seine teilweise deplatzierten Äußerungen nach dem ESC-Sieg. So wurde er stark von den Medien kritisiert, als er beim Benefizkonzert nach den schweren Waldbränden mit über 60 Todesopfern den Witz "ich könnte furzen und ihr würdet applaudieren" machte. Dazu kam, dass der portugiesische Ausnahmekünstler mehrfach in Interviews und Konzerten erwähnt hatte, dass er den Siegertitel nicht mehr singen wolle und das Kapitel ESC abgeschlossen habe.
Vom Castingteilnehmer zum Nationalhelden
Aber mit diesem Auftritt dürfte er viele überrascht und wieder für sich gewonnen haben. Er erklärte, dass er Frieden geschlossen habe mit dem, was passiert sei und er lernen musste mit dem Ruhm, der Bekanntheit und dem Alltag einer Person des öffentlichen Lebens zurechtzukommen. Nicht ganz unverständlich, bedenkt man, dass Salvador lange Zeit nach seiner Teilnahme 2009 an der portugiesischen Version von "Pop Idol" kritisiert und sein Talent von nationalen Musikexperten verkannt wurde. Durch den ESC-Sieg wurde er dann über Nacht zum Nationalhelden, einem geliebten und anerkannten Künstler. Eine krasse 180-Grad-Wende für jemanden, der doch einfach nur gute Musik mit Herz machen wollte.
Eine ganze Nation liebt für zwei
Klein, aber sehr symbolisch war bei seinem letzten Konzert der Moment, als die beiden Geschwister die letzten Zeilen von "Amar pelos dois" zum ersten Mal im Duett sangen. Etwas, das Salvador noch beim nationalen ESC-Vorentscheid als "zu kitschig" kommentiert hatte. Es scheint so, als habe Salvador erst jetzt realisiert, was er am Finalabend in Kiew tatsächlich gewonnen hat: Die Herzen einer ganzen Nation, die ihm an diesem Abend scheinbar zusang, dass sie für zwei lieben könne.