Montenegro schickt Erfahrung statt Exzentrik
Die Zeit von Montenegros schrillen Auftritten beim Eurovision Song Contest ist vorbei. Vorüber die Auftritte wie von den Astronauten-Rappern Who See in Malmö 2013, vom ironisch-ausgeflippten Rambo Amadeus in Baku 2012 oder gar vom zopfschwingenden Slavko Kalezić in Kiew 2017. Sie alle waren Hingucker - aber sie alle verfehlten das Finale. Montenegros zwei Finalteilnahmen kamen durch typische Balkan-Songs in Landessprache. Vanja Radovanović soll es mit genau so einem Song beim ESC in Lissabon wieder richten.
Vom Newcomer zum meist-verkauften Album
Vanja Radovanović wurde am 28. Oktober 1982 in Belgrad geboren, wo er auch heute noch lebt. Er studierte Volkswirtschaft, obwohl er immer schon Musik machen wollte. Er liebt das Gefühl, aus nichts etwas zu erschaffen. Seine Karriere als Musiker begann beim Budna Musik Festival 2004, einem Festival in Montenegro, bei dem schon viele ESC-Größen mitgemacht haben. 2004 gewann er mit dem Song "Dripac" zumindest den Preis für den besten Newcomer, geschlagen geben musste er sich damals der späteren ESC-Gewinnerin von Helsinki 2007, Marija Šerifović. 2006 nahm Vanja am serbischen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest in Athen teil, kam aber nicht weit.
Vanja Radovanović ist verheiratet, mit seiner Frau Ivana hat er eine Tochter und einen Sohn. Seit Jahren komponiert und textet Vanja für sich und andere Künstler Songs und hat zahlreiche Konzerte gespielt. Sein Album "Pričaj Dodirom" aus dem Jahr 2008 wurde zu einem der meist-verkauften Alben Montenegros. Für Vanja zählen keine Genres, sagt er, das einzige, worauf es ankäme, sei Qualität. Sonst singe er meistens Popmusik - wie etwa als Sänger der Band VIII2.
Ein halbes Jahr schrieb er an "Inje"
Für "Inje" ("Raureif") hat sich Vanja auf die traditionelle montenegrinische Musik besonnen, weil er beim ESC diese landestypische Tradition fortleben lassen möchte. "Inje" hat Vanja selbst geschrieben und getextet. Zuerst standen Pianomusik und Refrain, erst ein halbes Jahr später schrieb er die Strophen dazu. Der Song ist eine klassische Liebesballade: Es geht um Frost, der auf eine Beziehung fällt. "Inje" singt er in Landessprache. Er ist überzeugt davon, dass die Zuschauer seinen Text nicht verstehen müssen, um die Emotionen zu fühlen.
Für Lissabon gilt: Locker bleiben
Seinem Auftritt in Lissabon sieht Vanja gelassen entgegen. Der ESC sei keine Sportveranstaltung - man könne nicht sagen, wer besser und wer schlechter ist, es gehe nur um Geschmack. Auf der Bühne wird er begleitet von vier Backgroundsängerinnen, die eine kleine, einfache Choreografie einstudiert haben. Nach Montenegros besten Ergebnissen mit Sergej Ćetković in Kopenhagen 2014 und Knez in Wien 2015 setzt das Land wieder auf eine Balkan-Ballade. Für den Einzug ins Finale reicht es am Ende nicht.