Slavko Kalezić: Ein kreativer Freak
Jeder Eurovision Song Contest braucht seine Paradiesvögel. Egal ob Conchita, Bojana Stamenov oder Jedward - der ESC ist vor allem auch ein Wettbewerb der Vielfalt. 2017 in Kiew ist Slavko Kalezić einer dieser Teilnehmer, die ein bisschen mehr auffallen als andere. Der Sänger aus Montenegro präsentiert sich mal mit Engelsflügeln und langem Flechtzopf, mal zwängt er sich in ein enges Netzoberteil oder steckt seine Füße in High Heels. Doch er kann auch klassisch: Glattgekämmt im dunklen Anzug würde man ihm jede Versicherung abkaufen. Sich selbst bezeichnet Kalezić auf seinen Profilen in den sozialen Netzwerken als Drag-Queen, als Kunst-Bestie und kreativer Freak. Die Bühne sei sein Leben, Kunst seine Identität und Musik sein Motivator.
Theater, Film, Fernsehen: Ein Leben für die Bühne
Seinen Landsleuten dürfte der 1985 in Podgorica geborene Slavko Kalezić vor allem aus der Casting-Show "X Factor Adria" bekannt sein - zunächst als Kandidat, später moderiert er die Sendung. Und auch Theater- und Film-Fans könnten ihn kennen, denn Kalezić ist ausgebildeter Schauspieler. Er hat einen Abschluss an der Fakultät für darstellende Künste in Cetinje mit Schwerpunkt Sologesang und Tanz . Seit 2008 gehört er zum Ensemble des montenegrinischen Nationaltheaters, steht immer wieder auch auf anderen Theaterbühnen und spielt in verschiedenen Filmen mit.
Neben der Schauspielerei treibt Kalezić seine musikalische Karriere voran. Nach mehreren Singles erscheint 2014 sein erstes Album. Viele seiner Songs kommen aus der Dance-Ecke. Und das trifft auch auf seinen ESC-Beitrag "Space" zu - ein Song in dem er auf Englisch mit starkem Akzent von seiner Reise durchs All und feuchten Träumen singt. Da passt es dann auch, dass Kalezić mit freiem Oberkörper durch das Musikvideo tanzt. Ein bisschen erinnert das Lied an die etwas ernstere Version des Dance-Pops im Stil von Alcazar. Komponist des Titels ist Momčilo Zeković, Bassist der montenegrinischen Rockgruppe Perper. Ein schwedisches Team bestehend aus Stefan Örn, Jovan Radomir und Johan Kronlund produziert den Beitrag. Örn gehört auch zu den Songschreibern von "Running Scared" - dem Siegertitel von Ell/Nikki in Düsseldorf 2011.
Als Nachrücker nach Kiew
Montenegro benennt seinen Kandidaten für Kiew nach einem internen Auswahlverfahren. Vier Monate lang berät ein Expertengremium über die 27 zur Auswahl stehenden Beiträge. Und dann endlich verkündet die zuständige Rundfunkanstalt, dass Kalezić nach Kiew fahren wird. Der schreibt später jedoch auf Twitter, dass er nicht die erste Wahl gewesen sei. Ein anderer Künstler sei demzufolge ausgewählt worden, schlug aber das Angebot aus, Montenegro beim Eurovision Song Contest zu vertreten. Kalezić ist der Nachrücker.
Bereits im vergangenen Jahr schickt Montenegro eine Band zum Eurovision Song Contest, die vor allem durch die Casting-Sendung "X Factor Adria" bekannt geworden ist. Zum ersten Mal geht in dem Jahr außerdem ein englischer Beitrag für das Land ins Rennen - zuvor setzt Montenegro traditionell auf in Muttersprache vorgetragene Songs. Doch Highway kommen in Stockholm 2016 mit ihrem Rock-Titel "The Real Thing" über das Halbfinale nicht hinaus. Trotzdem setzen die Montenegriner auch 2017 ihre Hoffnung in einen Casting-Teilnehmer, der auf Englisch singt.
Was Kalezić allerdings von seinen Vorgängern unterscheidet: Er ist ein Gesamtkunstwerk. Er ist einer, der es zweifellos genießt, auf der Bühne zu stehen, der es liebt, sich vor Publikum darzustellen und zu polarisieren. Letzteres hat zwar schon so manchem ESC-Kandidaten in der Geschichte des Wettbewerbs zu Punkten verholfen. Allerdings hat es für ihn nicht gereicht - nach dem Halbfinale war wieder Schluss für Montenegro.