Erstes Halbfinale: Leise und laute Töne gewinnen
19 Kandidaten sind im ersten Halbfinale des Eurovision Song Contest 2018 in Lissabon mit an Bord, gemäß des diesjährigen Mottos "All Aboard!". Für die maritime Einstimmung sorgt eine Schiffssirene - sie läutet den Beginn der Show ein. Die findet in diesem Jahr ohne Videowände statt, deshalb müssen sich die Kandidaten etwas Kreatives einfallen lassen. Und das tun die Künstler wahrlich: Sie lassen rote Rosen regnen, goldene Katzen winken, hängen kopfüber an einer Rotationsscheibe oder treffen den Ehemann. Doch allen Tricks und Tanzeinlagen zum Trotz, nur zehn von ihnen können eines der begehrten Finaltickets ergattern. Neun Teilnehmer müssen nach diesem starken Halbfinale, das sportlich gesehen einer Hammergruppe entspricht, die Heimreise antreten.
Überraschungsfinalisten mit magischen Momenten
Entgegen vieler Prognosen gibt es zwei Gewinner: Sowohl Ieva Zasimauskaitė aus Litauen als auch der Ire Ryan O'Shaughnessy ziehen mit Balladen ins große Finale am 12. Mai ein. Die junge Sängerin aus Kaunas präsentiert sich so ganz anders als die meisten Künstler an diesem Abend. Die 24-Jährige sitzt auf der Bühne und stimmt ganz zerbrechlich "When We're Old" an, einen Song über die ewige Liebe bis ins hohe Alter. In der Halle hören alle gebannt zu, während die junge Frau in ihrem zartrosafarbenen Chiffonkleid singt. Höhepunkt ist der Gang auf eine Brücke - dort kommt ihr Mann Marius dazu, der sie in die Arme nimmt. Ein berührender Moment, der beim Publikum gut ankommt. Auch Ryan O'Shaughnessy schafft es, die drei Minuten perfekt zu nutzen. Er steht ganz in Schwarz gekleidet mit seiner Gitarre auf der Bühne. Als er anfängt, "Together" zu singen und zu spielen, gehen Lichter im Publikum an. Enthusiastisch begrüßt es zwei Tänzer, die auf die Bühne kommen und sich beschwingt um eine Laterne bewegen. Schneeflocken rieseln leise herab, umso lauter ist der Applaus in der Halle.
Foureira furios und "Magic" Mikolas
Sicher ins Finale ziehen die im Vorfeld hoch gehandelten Favoriten. Von Rückenproblemen ist bei Mikolas Josef nichts mehr zu spüren. Der Tscheche hatte sich in der Probe verletzt. Er bringt sein modernes, rhythmisches "Lie To Me" perfekt auf die Bühne. Der Musterschüler mit Krawatte und Nerdbrille und seine zwei Tänzer wackeln gekonnt mit Hüfte und Hintern. Im Green Room lässt sich der 22-Jährige von Moderatorin Filomena Cautela überreden, den Song gleich noch mal zu singen, während sie die Beatbox dazu macht. Es ist ein Höhepunkt dieses Abends. Auch Netta, die Wonder Woman aus Israel, liefert ihren "Toy"-Dance bravourös ab. Die selbstbewusste Sängerin bietet an einer Loopstation eine bunte Show aus K-Pop-Elementen und begeisternden Moves. Im Takt dazu winken goldene Glücksbringer-Katzen. Spätestens jetzt ist die Altice Arena aufgewacht, die Zuschauer jubeln. Furios ist der Auftritt von Eleni Foureira in ihrem Glitzer-Catsuit. Die Griechin, die für Zypern startet und ihre vier Tänzerinnen zünden zu "Fuego" ein optisches Feuerwerk - und setzen als letzte Starter mit einer kraftvollen Tanzperfomance einen sehr würdigen Abschluss.
Ins Finale ziehen außerdem Equinox aus Bulgarien mit ihrem düsteren Song "Bones" ein. Für die Finnin Saara Aalto lohnt sich voller Körpereinsatz. Sie lässt sich zu "Monsters" auf der Rotationsscheibe herumwirbeln - ein geglückter Dreh. Dass auch Oper zum ESC passt, beweist Elina Nechayeva aus Estland. Sonst ist die Oper in Tallinn ihre bevorzugte Bühne, in Lissabon punktet sie nicht nur mit ihrem Koloratursopran, sondern auch mit einem acht Kilogramm schweren Trickkleid, das als Projektionsfläche dient. Alle Achtung.
Freude und Trauer bei Deutschlands Nachbarn
Er liebt das Singen und Auftreten: Cesár Sampson aus Österreich. Das ist in jeder Minute seiner Performance spürbar. Zu "Nobody But You" klingt seine Stimme warm und soulig. Nebenbei legt er noch ganz entspannt einen athletischen Walk hin und sucht die Nähe zu den begeisterten Zuschauern. Für das Schweizer Geschwisterduo Zibbz ist das Abenteuer ESC dafür zu Ende. Corinne und Stefan Gfeller können mit ihrer Rockshow zum Song "Stones" den Funken nicht überspringen lassen.
Landessprache nicht immer belohnt
Ein Trend in diesem Jahr ist es, Beiträge in der Landessprache zu singen. Gleich drei Künstler gehen im ersten Semi dieses Wagnis ein, dazu gehören neben Eugent Bushpepa aus Albanien auch die Griechin Yianna Terzi und der für Armenien startende Sevak Khanagyan. Aber nur einer von ihnen schafft den Sprung ins Finale am 12. Mai: Zur Überraschung vieler Experten überzeugt Eugent Bushpepa vor allem stimmlich mit seiner Rocknummer "Mall".
Viel Kitsch und traurige Bond-Momente
Eine einzige Leidensgeschichte präsentiert der Weißrusse Alekseev an diesem Abend. Wie ein trauriger Bachelor singt er sein "Forever" mit einer Rose in der Hand, die Augen sind dabei weit aufgerissen. Schließlich endet das Ganze in einer Explosion aus Rosenblättern. Seit Conchitas mitreißendem Sieg 2014 mit einem Bond-würdigen "Rise Like A Phoenix"scheinen immer wieder Sängerinnen in ihre Fußstapfen treten zu wollen - mit wenig Erfolg. Sennek aus Belgien und Franka aus Kroatien kommen trotz solider Auftritte nicht weiter. Auch für Aserbaidschan heißt es Abschied nehmen: Aisel kann mit ihrer etwas ungelenken Choreografie zu "X My Heart" nicht überzeugen. Freudentränchen laufen Ari Ólafsson nach seinem Auftritt übers Gesicht. Doch auch der sympathische Isländer muss die Heimreise antreten. Das gilt auch für Eye Cue aus Mazedonien: Bojan Trajkovski und Marija Ivanovska scheinen sowohl musikalisch als auch optisch in den 80ern hängen geblieben zu sein. Es hat sich bewahrheitet, dass das erste Halbfinale eine Hammergruppe sein soll. Manche von ihnen realisieren vermutlich erst am nächsten Tag, wie ihnen geschehen ist.