Stand: 25.03.2019 12:20 Uhr

"Dirty Dancing"? ESC-Songs mit unerwarteten Titeln

Der Schweizer Sänger Luca Hänni © SRF/Lukas Maeder
Luca Hänni arbeitet bereits an einer Tanzperformance für Tel Aviv. Sein Titel heißt aber nicht "Dirty Dancing", obwohl diese Wortkombination im Song oft vorkommt.

Luca Hänni kann tanzen. Das ist, wenn man beim ESC 2019 in Tel Aviv mit einem Dancesong an den Start geht, keine schlechte Voraussetzung. Ob er nun auch besonders dreckig tanzt, darüber können sich die Zuschauer im zweiten Halbfinale ein Bild machen. Viele werden sicherlich nach Luca Hännis Performance denken, der Song der Schweiz heiße in diesem Jahr "Dirty Dancing". Kein Wunder: Durch den gleichnamigen Film ist diese Wortkombination schon bekannt, im Song besteht der Refrain nur aus diesen zwei Worten und sie bilden auch das kraftvolle Ende des Songs. Offiziell heißt das Lied allerdings "She Got Me", und es ist damit in guter Gesellschaft von einigen Songs 2019, die anders heißen, als man es intuitiv erwarten könnte.

Songtitel nur einmal - oder gar nicht

Das Sänger-Duo Carousel © LTV
Sehr viel "Love", gar kein "That Night" im Song von Maris Vasilievsky und Sabine Žuga von Carousel aus Lettland.

Einer dieser Songs steht im Moment auf Platz eins der Wettquoten. "Loving you is a losing game" singt der Niederländer Duncan Laurence - und benutzt für sein Lied die Metapher eines Jungen aus der Kleinstadt in einer großen Spielhalle ("Arcade"). Ein Kunstgriff, das Lied dann auch so zu nennen - das Wort "Arcade" kommt einmal, nicht sonderlich prominent, im Pre-Chorus vor. Genauso versteckt ist auch "Limits" im österreichischen Beitrag von Paenda. Sie singt das Wort einmal in der ersten Strophe - und nie im Refrain. "On A Sunday" von Ester Peony aus Rumänien kommt zwei Mal in der ersten Strophe vor, "Wake Up" im belgischen Lied einmal. Drei Mal singt Belgiens Eliot allerdings von "Truth" - und damit häufiger als der Aserbaidschaner Chingiz, dessen Song immerhin so heißt. Die Gruppe D-Moll aus Montenegro singt zwar häufig von "Heaven" - und dann auch noch im Refrain. Noch präsenter ist allerdings das Wort "Falling", mit dem Verse teilweise anfangen und enden. Auch das Lied selbst endet mit dem Wort "Falling". Der ganz abstrakte Songtitel "That Night" kommt im lettischen Song von Carousel sogar gar nicht vor, aber sicherlich ist er kreativer als "Love", wovon die Band 22 Mal singt.

Tendenz bereits in Lissabon

DoReDoS auf der Bühne in Lissabon. © NDR Foto: Rolf Klatt
Die DoReDoS lieferten in Lissabon eine kreative Bühnenshow, die hängen blieb. Wie ihr Song überhaupt hieß, dürfte vielen egal gewesen sein.

Den Hang zu etwas kreativeren Songtiteln, die nicht aus Anfang oder Ende des Refrains bestehen, gab es schon im vergangenen Jahr in Lissabon. Streng genommen hat auch Deutschlands Michael Schulte nie "You Let Me Walk Alone" gesungen, ohne noch ein "This Road" einzufügen. Trotzdem war diese Phrase natürlich sehr präsent. Die DoReDoS aus Moldau landeten mit "My Lucky Day" auf Rang 10 - und haben im Song selbst die Titelzeile in der Mitte der zweiten Strophe versteckt. Auch Eugent Bushpepa auf Rang 11 sang nur ein einziges Mal im Text von "Mall" (Sehnsucht) - in der ersten Strophe. Nun ist es für nicht-englischsprachige Titel aber sicherlich eine gute Idee, einen Titel zu nehmen, der, wenn er schon nicht oft wiederholt wird, zumindest kurz und prägnant ist, damit möglichst viele Zuschauer ihn sich merken können. Genauso wie Eugent Bushpepa machte es auch Vanja Radovanović aus Montenegro. Sein "Inje" kam auch nicht im Refrain vor, aber in der ersten und letzten Zeile des Lieds.

Mit kreativen Titeln zum Sieg

Der ESC-Gewinner Salvador Sobral mit Jamala auf der ESC-Bühne. © eurovision.tv Foto: Andres Putting
Salvador Sobral gewann den ESC 2017 mit einem Song, in dem der Titel nur einmal vorkommt. Jamala hatte "1944" bei ihrem Sieg 2016 überhaupt nicht im Text.

Man muss in der ESC-Geschichte gar nicht lange zurückblicken, um Beispiele zu finden, dass so eine Taktik sogar zum Sieg führen kann. Salvador Sobrals Siegertitel endete 2017 mit den Worten "Amar pelos dois", die vorher im Liedtext aber nicht auftauchten. Auch der zweitplatzierte Kristian Kostov für Bulgarien und die viertplatzierte Blanche aus Belgien sangen ihre jeweiligen Songtitel nur jeweils zwei Mal, und nicht im Refrain. Jamala konnte den ESC 2016 in Stockholm gewinnen, ohne ihren Titel "1944" auch nur ein Mal zu singen, was zu der kuriosen Situation führt, dass niemand so wirklich weiß, wie man den Songtitel nun ausspricht. Haben die Autoren Jamala und Art Antonyan diese Jahreszahl, zu der damals Krimtataren nach Zentralasien deportiert wurden, nun auf Englisch, Ukrainisch oder Krimtatarisch gedacht? Diese ganzen Beispiele, auch von wirklich erfolgreichen ESC-Titeln, zeigen nun, dass ein guter Songtitel vielleicht gar nicht so entscheidend ist. Wichtig für einen Erfolg beim ESC ist, dass die Zuschauer von den Auftritten etwas mitnehmen, was diese von anderen unterscheidet. Wenn das der Refrain ist, ist das okay und gut. Und wenn Luca Hänni dafür Punkte bekommt, dass die Leute denken, sein Song heiße "Dirty Dancing", dann wird er sie gerne nehmen.

Dieses Thema im Programm:

NDR Blue | ESC Update | 30.03.2019 | 19:05 Uhr

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