Wolfgang Dalheimer: "Werde für guten ESC-Song kämpfen"
Längst ist er mehr als nur der Bandleader der Heavytones. Wolfgang Dalheimer, geboren 1967, war schon bei vielen deutschen Vorentscheiden dabei. Und auf seinen Rat wird gehört. Er weiß, worauf es beim ESC ankommt und beim Berliner Song Writing Camp zum ESC 2019 in Tel Aviv ist er der Ansprechpartner für die sechs Künstler. Er will besonders hart an einem neuen ESC-Erfolg Deutschlands arbeiten.
Herr Dalheimer, wir sind mitten im Song Writing Camp. Am Sonntag davor gab es ein erstes Treffen zwischen den Kandidaten und den Songschreibern. Wie lief das ab?
Wolfgang Dalheimer: Das war ein sehr schönes, geselliges, ruhiges Treffen. Alle sind entspannt ngekommen, wir haben ein bisschen was über die Kandidaten erzählt. Ich habe den Songwritern Material geschickt, sodass sie sich einhören konnten, wissen, was die besonderen Stärken der Kandidaten sind. Das war gar nicht schlecht, so hatten sie schon einen kleinen ersten Eindruck zusätzlich zu den Videos aus dem Workshop in Köln.
Geben Sie sich doch mal einen Titel oder eine Position! Welche Rolle spielen Sie hier im Song Writing Camp genau?
Dalheimer: Jemand hat mich schon als "Herbergsvater" bezeichnet, so würde ich mich nicht sehen. Ich bin vielleicht ein Trainer, wenn Thomas Schreiber der Präsident des Fußball-, oder hier ESC-Clubs ist (lacht). Ich bin Musical Director, ich verbinde, wenn jemand Fragen hat oder Hilfe braucht. Wenn ein Künstler sich nicht traut, einem Songwriter seine Idee zu vermitteln, dann versuche ich es zu tun. Ich berate, wo die Reise hingehen kann - husche immer mal hinein in die kleinen Studios und wenn mir etwas auffällt, dann gebe ich meinen Senf dazu.
Was könnte das sein?
Dalheimer: "Wo ist die Bridge?", "Chorus zu lang!", "Denkt an die drei Minuten!": Ich versuche jeden Nachmittag mal herumzugehen, das klappt mal besser, mal schlechter. Es fällt immer noch etwas anderes an. Planungen an Songs etwa, die noch nebenher eingereicht werden. Die Stimmung war aber bis jetzt ziemlich gut, ich hatte noch nicht die Not, jemanden zusätzlich motivieren zu müssen. Alle sind gut drauf und hochtalentiert.
Was ist denn Ihr Eindruck von den Songs oder Songschnipseln, die Sie hören? Und wie viele von denen eignen sich für den ESC?
Dalheimer: Sehr gute Frage, weil ich wirklich öfters nur Schnipsel höre, da die Songs meistens erst spät in der Nacht fertig sind. Und gleichzeitig alle sechs zu hören, ist nicht möglich. Insofern höre ich dann einen Chorus, die Bridge oder die erste Hälfte von einem Song. Von meinem Gefühl her würde ich sagen, da ist durchaus was dabei. Ein bis zwei Songs von jedem Kandidaten, die etwas sein könnten für den ESC. Im Hinterkopf muss man dabei immer die Schwierigkeit behalten: Das ist vielleicht ein toller Song - aber eher fürs Radio als für die große Bühne.
Wie sehr denken Sie denn bei den Songs schon an eine Inszenierung für den ESC?
Dalheimer: Ich fast immer. Das geht im Kompositionsprozess bestimmt mal verloren, weil man dort ein bisschen kleiner denken und ins Detail gehen muss. Aber das ist Teil der Aufgabe, immer daran zu erinnern.
Werden denn alle Songs, die hier entstehen, den beiden Jurys vorgelegt?
Dalheimer: Ich denke, fast alle Songs. Wir wollen die Jurys nicht überlasten. Weil der letzte Tag eher zum Reparieren und Ergänzen gedacht ist, landen wir bei sechs mal vier Songs. Ich schätze, dass da die eine oder andere Nummer noch rausfällt und dass wir etwa 20 Songs haben, die wir präsentieren.
2018 war das Song Writing Camp sehr erfolgreich - der vierte Platz in Lissabon wurde hier geschrieben. Ist der Druck nun größer oder kann man sich entspannen, weil es funktioniert?
Dalheimer: Der Druck war sicherlich vergangenes Jahr hoch, weil wir öfters schlecht abgeschnitten haben. Aber - wie in der Bundesliga - der Druck ist unten genauso wie oben. Vielleicht ist es ein bisschen entspannter, weil wir wegen des Erfolges mehr Interessenten haben, und gute Leute am Start haben, die sich trauen, mitzumachen. Wir haben hier eine motivierte Mannschaft, die dank des Erfolgs vielleicht noch motivierter ist.
Es ist ja bei weitem nicht der erste Vorentscheid, bei dem Sie dabei sind. In welcher Rolle haben Sie sich am besten gefallen?
Dalheimer: Stimmt, es war sehr bunt. 2004 hatten wir ein tolles Casting mit TV Total, SSDSGPS damals mit Max Mutzke. Da war auch der Vorentscheid ganz neu, es war ein Spektakel! Aber auch ein toller Moment, das Opening in Düsseldorf zu machen. Es ist eine ganz andere Geschichte, das vorzubereiten, zu arrangieren und da mit von der Partie zu sein. Das war klasse. Die ganzen Castings waren auch super, das war eine lange, anstrengende Strecke mit Roman Lob und Lena. Am beeindruckendsten ist es aber, wenn man mit auf der Bühne steht. Aber mal hinter den Kulissen zu sein, so wie hier, ist auch etwas Schönes.
In einem anderen Interview mit eurovision.de haben Sie über Levinas Song "Perfect Life" aus Kiew 2017 gesprochen und gesagt, der Song wurde so produziert, "dass er irgendwo nett im Hintergrund laufen kann, aber nicht wie ein Lied, welches in drei Minuten ein Millionenpublikum begeistert." Wie wollen Sie das dieses Jahr verhindern?
Dalheimer: Ich werde dafür kämpfen, dass man nie aus den Augen verliert, dass es hier um Multimedia geht. Um Fernsehen, nicht um Radio. Das betrifft die Inszenierung, aber natürlich auch den Song. Nur ein netter Song interessiert keinen. Wir müssen die Menschen dazu bewegen, zum Hörer zu gehen und anzurufen. Es ist wie bei Michael Schulte: Die Nummer muss super funktionieren auf der Bühne, dann funktioniert sie auch im Radio. Und nicht umgekehrt. Dafür muss man kämpfen. Und dafür werde ich mit meinem Namen stehen (lacht)!