Nina Sublatti: "Ich will mich als Mensch fühlen"
Feminismus ist beim Eurovision Song Contest eher ein Ausnahmethema. Nina Sublatti will das ändern. Im Interview mit eurovision.de verrät sie, wie wichtig ihr die bildende Kunst ist und was es mit dem mysteriösen "Mutter-Mann" auf sich hat.
Frau Sublatti, Ihr Debütalbum heißt übersetzt "Trau dich, Nina Sublatti zu sein". Das klingt ein wenig bedrohlich. Was erwartet einen denn als Nina Sublatti?
Nina Sublatti: (lacht) Das Album heißt so, weil ich so unheimlich viel Arbeit damit hatte. Debütalben sind immer eine Herausforderung, weil man sich für eine bestimmte Richtung entscheiden muss und jeder einem irgendwelche Ratschläge gibt. Ich habe mich dann entschieden, ein Popalbum mit selbst geschriebenen Songs zu machen. Aber es war alles andere als einfach.
Sie haben Malerei und Bildhauerei studiert, als Model gearbeitet und arbeiten nun an einer Musikkarriere. Viele Eltern würden verzweifeln, wenn ihre Tochter bei der Wahl ihrer beruflichen Zukunft so sprunghaft wäre. Wie hat ihre Familie darauf reagiert?
Sublatti: Die haben zunächst natürlich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Dann haben sie sich irgendwann beruhigt und mich einfach machen lassen. Sie haben Vertrauen in mich, denn sie wissen, dass ich in alles, was ich anfange, meine ganze Energie stecke. Kunst ist mein Beruf und meine Berufung - es spielt keine Rolle, als was man das Ganze hinterher bezeichnet.
Heißt das, dass die Musik nur eine von vielen Karriereoptionen bleibt und wir vielleicht schon bald eine Vernissage Ihrer Skulpturen erleben werden?
Sublatti: Das nicht. Ich liebe es zu singen und zu komponieren, daran wird sich auch nichts ändern. Aber ich nutze meine künstlerische Begabung, um diesen Aspekt weiter auszubauen. Ich entwerfe meine eigenen Bühnenkostüme, meine Albumcover … Auch das Auftrittskostüm für Wien stammt von mir. Und ich hatte schon eine sehr konkrete Vorstellung von der Performance des Songs, als ich ihn schrieb.
2013 konnten Sie das georgische Pendant zu "DSDS" gewinnen. In Deutschland sind Castingshows in den zweifelhaften Ruf geraten, junge Talente für fertige Musikprodukte zurechtzubiegen. Wie haben Sie es geschafft, Sie selbst zu bleiben?
Sublatti: In Georgien hat die Show alles andere als einen schlechten Ruf, ich glaube es ist sogar die erfolgreichste Sendung im georgischen Fernsehen. Es war aber tatsächlich nicht ganz einfach für mich, denn ich musste ja Coverversionen bekannter Songs singen. Ich habe ihnen aber meine Prägung verliehen und meine eigene Persönlichkeit in die Interpretation eingebracht.
In Ihrem Song "Warrior" singen Sie ein Loblied auf die georgischen Frauen. Tatsächlich gehört Georgien zu den Ländern beim ESC, in denen besonders viele Komponistinnen am Werke sind. Wie emanzipiert ist die georgische Gesellschaft denn?
Sublatti: Es gibt eine Menge erfolgreicher Frauen in der Musikbranche, aber auch in der Politik. Die Mutter besitzt in der georgischen Gesellschaft eine besondere Stellung. Es gibt sogar ein eigenes Wort für Mütter, die im Alltag ihren Mann stehen müssen: "dedakats'i", was so viel heißt wie "Mutter-Mann". Diesen Begriff hatte ich im Sinn, als ich "Warrior" schrieb. Es war gar nicht so einfach, dafür eine englische Entsprechung zu finden, denn das Konzept gibt es in der westlichen Kultur so nicht. Trotzdem ist es in der georgischen Gesellschaft nicht einfach, Frau zu sein.
Sie haben Musik und Text zu "Warrior" geschrieben, nach der nationalen Vorentscheidung tauchte plötzlich Thomas G:son als zweiter Komponist auf. Was hat er zu dem Song beigetragen?
Sublatti: Ich mochte die ursprüngliche Version, aber Thomas kennt sich mit Eurovisionsbeiträgen sehr gut aus und ich wollte einfach ausprobieren, was er aus dem Titel noch herausholen kann. "Warrior" ist jetzt noch poppiger, noch ESC-tauglicher als vorher, von daher war es eine gute Entscheidung.
Der ESC ist ein Kampf um die Aufmerksamkeit des internationalen Publikums, Sie sind der "Warrior", welche Strategie verfolgen Sie?
Sublatti: (lacht) Vielleicht Feminismus … Ich war zwar immer eine starke Frau, und manchmal sagen die Leute: "Ich weiß nicht, ob sie eine Frau oder ein Mann ist", aber ich kenne viele Frauen, die unter Diskriminierung zu leiden haben. Ich bin von meiner Mutter und meiner Großmutter großgezogen worden, und ich habe miterlebt, wie schwer sie es hatten. Für mich als Frau ist es extrem wichtig, dass keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern mehr gemacht werden. Ich will mich nicht immer als "Frau" fühlen müssen, sondern als Mensch.