EBU ändert Präsentation des Televotings
Es ist kein Aprilscherz, der hier verkündet wird: Die EBU hat die Dramaturgie der Abstimmungsprozedur beim ESC geändert, gültig schon in Tel Aviv. Damit soll ein höheres Maß an Spannung erreicht werden, sodass der Sieger tatsächlich erst mit Verkündung der Punkte des letzten Acts feststehen wird.
Jury-Punkte lassen nicht auf den Sieger schließen
Im vorigen Jahr war es so: Die Jurys der teilnehmenden TV-Sender gaben die Resultate ihrer Experten durch. Wie immer saßen in den Jurys Fachleute aus dem Musik- und Entertainment-Business, keine Laien. Jedes Land teilte über eine "Spokesperson" (seitens der ARD: Barbara Schöneberger) seine "zwölf Punkte" mit, die Punkte für die hinter dem Spitzenreiter rangierenden Acts wurden zuvor eingeblendet. Am Ende dieses Teil der Prozedur lag in Lissabon - völlig überraschend - der Österreicher César Sampson vorne, Michael Schulte war bis dahin Vierter, die spätere Siegerin Netta war da noch Dritte, die Zypriotin Eleni Foureira Fünfte.
Enttäuschte Gesichter in Lissabon
Im zweiten Teil der Wertungen ging und geht es um das Televoting, dessen Ergebnisse freilich nicht Land für Land aufgerufen wurden, sondern im Block.
Das Prozedere war besonders für Australien schockierend. Jessica Mauboy lag nach dem Juryvoting noch auf dem zwölften Platz, bekam aber als erste Teilnehmerin ihre Punkte im Televoting mitgeteilt. Mit nur neun Punkten wurde sie Letzte bei den Jurys und landete am Ende nur auf Rang 20.
Der Schwede Benjamin Ingrosso stürzte ebenfalls früh zum Finale des Abends aus Höhen in die mittlere Tiefe: Er hat die Jurys als Zweitbester hinter sich bringen können, das Publikum indes winkte ihn gelangweilt auf den 23. Platz. Beim schwedischen Publikum war an jenem Abend die Enttäuschung deshalb sehr groß. Auch César Sampson wurde enttäuscht: Er bekam beim Televoting früh mitgeteilt, dass er doch nicht Erster werden würde - weil sein Lied die Zuschauer eher durchschnittlich beeindruckte.
Anders war es beim Ukrainer Mélovin, der als Erster mit seinem Televoting-Ergebnis versehen. Der Letzte der Jurywertung lag bei den Zuschauern auf dem siebten Rang und wurde am Ende, mit Punkten aus den gleichgewichtigen Säulen des Ergebnisses, immerhin noch 17.
Als es dann zu den beiden allerletzten Kandidatinnen kam, war die Spannung mit der Verkündung von Eleni Foureira als zweithöchster Publikumswertung vorbei: Beifall für sie, vergleichsweise wenig Applaus für die noch nicht genannte Israelin Netta. Denn nach der Zypriotin konnte nur noch ein höheres Punkteergebnis präsentiert werden - und das machte die Israelin zur Siegerin.
Nur Kopfrechner haben noch einen Vorteil
Das wird nun mit einer sachten Änderung anders umgesetzt. Die Präsentation der Jurywertung ändert sich nicht. Aber: Würde man das vorige Jahr nehmen, bekäme der letzte Platz bei Jurys, die Ukraine, zuerst ihre Televoting-Punkte, der Jury-Erstplatzierte aus Österreich hätte sie zuletzt bekommen - womöglich noch auf einen Sieg hoffend. Nur Menschen, die sehr gut im Kopfrechnen sind, könnten das Gesamtresultat wenige Sekunden vor den Millionen vor den Bildschirmen wissen, aber der siegende Act bekommt durch diesen kleinen Kniff den Applaus für sich allein. Das kann den Moment der Siegerkür ein wenig hinauszögern, die Zeit der Spannung wird ausgedehnt - zugunsten des Kicks, den das Publikum damit hätte. Und zugunsten der Künstler, die dann den allerletzten Siegesapplaus auf ihrer Seite hätte, nicht, wie voriges Jahr, die Zypriotin Eleni Foureira. Insofern: Die Änderung im Detail macht die Wertung dramatischer. Gut so.
In einer vorherigen Version des Textes wurde behauptet, dass der ukrainische Sänger Mélovin als Erster die Punkte der Zuschauer erhalten habe. Wir haben den Fehler korrigiert.