ESC 2017: Wenige Songs in den Charts
Dieser 62. Eurovision Song Contest war nicht gerade eine Hitlieferantenfabrik. Nur der portugiesische Sieger Salvador Sobral konnte mit "Amar pelos dois" in die Charts aufsteigen, in seinem Heimatland gar auf den ersten Platz. Aber das ist kein Wunder, denn der Ruhm, der allererste ESC-Siegesact dieses Landes zu sein, drückt sich eben auch in Tonträgern oder Zustimmungsraten in den Radiostationen aus.
Am Ende hat es gar für den Goldstatus gereicht - verdienter Glückwunsch. In Deutschland wurde Sobral eine Woche auf Platz 43 gelistet, in Österreich auf Rang 22, in der Schweiz auf dem sechsten und in Großbritannien auf dem 97. Platz - ebenfalls jeweils eine Woche. Das muss für den jungen Musiker nichts Schlechtes bedeuten. Immerhin: Im südlichen Europa, auch in Spanien, funktioniert Sobrals Lied prima.
Glorie verblasst nicht
Doch wie dem auch sei: Die Tonträgerverkäufe und die Radiopräsenzen sind das eine - deren Tantiemen kommen ja überwiegend seiner Schwester Luisa zugute, der Komponistin von "Amar pelos dois". Das andere ist eben die Bekanntheit, ESC-Sieger zu sein: So eine Glorie verblasst ja nie. Hitparaden sind in dieser Hinsicht eher von nachrangiger Bedeutung.
Keine Superplattform für Charteinsteiger
Die Belgierin Blanche schaffte es mit "City Lights" in ihrem Heimatland sehr weit nach vorne - im flandrischen (niederländischen) Teil auf den ersten Rang, im wallonischen (französischsprachigen) auf den zweiten. Bei uns in Deutschland wurde ihr schönes, ja in der Tat mainstreamfähiges Lied eine Woche auf Rang 38 gelistet, in Österreich und der Schweiz auf den Plätzen 14 und 24. Kurzum: Auch dieser Act lässt die Musikindustrie nicht gerade für die Zukunft kalkulieren, dass der ESC eine Superplattform für potentielle Charteinsteiger ist.
Der Rest des diesjährigen Eurovisionsfeldes war mäßig bis okay erfolgreich im Hinblick auf die heimischen Hitparaden, so beispielsweise Robin Bengtsson in Schweden, die norwegischen Teilnehmer Jowst, das moldauische Sun Stroke Project - aber der diesjährige Ertrag für die akute Hitparadenbelieferung war und ist eher gering. Nicht so wie Frans aus Schweden im vorigen Jahr mit "If I Were Sorry", der immer noch im Mainstreamradio gespielt wird; oder die holländischen Common Linnets, deren "Calm After The Storm" auch noch nicht völlig in der Versenkung verschwunden ist. Das gilt auch für Loreens "Euphoria", Lenas "Satellite" oder Måns Zelmerlöws "Heroes" von 2016.
Mary Roos hat vom ESC profitiert
Schließlich muss auch noch dies angefügt werden: Wer beim ESC auftrat, nicht gewann und das eigene Lied auch nicht in den Hitparaden hatte, kann dennoch vom ESC über sehr viele Jahre profitieren. Das beste Beispiel ist, aus deutscher Perspektive, Mary Roos. Ihr "Nur die Liebe lässt uns leben" von 1972 in Edinbugh belegte den dritten Rang, war aber in den höheren Regionen der Charts nicht gelistet. Die Sängerin war für die Musikindustrie dennoch über alle Jahre seither eine gestandene Figur, mit der sich arbeiten ließ. Der ESC hat ihr das ermöglicht!