Sendedatum: 09.02.2017 20:15 Uhr

Wallende Mähnen und weite Hosen - die Siebziger

von Manuela Rüther

Schlaghosen und wallende Mähnen prägten modisch die siebziger Jahre. Was den ESC betrifft war es aber vor allem das Jahrzehnt von Abba. Die vier Schweden schafften mit "Waterloo" 1974 ihren Durchbruch und machten salonfähig, was sich ein paar Jahre zuvor noch niemand getraut hätte: Schrill, bunt und laut gaben sie ihrem Ohrwurm ein Outfit. Plötzlich war so gut wie alles erlaubt: Silberne Plateaustiefel für Männer, viel Glitzer und kreischende Farben.

Dabei hatte auch dieses Jahrzehnt noch ganz harmlos angefangen. Die irische Siegerin Dana entzückte das Publikum 1970 noch mit bunten Stickereien auf weißem Kleid und einer schönen Spange im braunen Haar, während sie - unschuldig auf der Bühne sitzend - von "Butterflies And Bees" sang. Auch die Zweitplazierte in diesem Jahr, Mary Hopkin aus Großbritannien, war ordentlich frisiert und trug ein braves schwarzes Kleid - keine Spur von Show oder gar Sex-Appeal. Schließlich trugen auch die Herren 1970 noch "ordentliche" Anzüge. Das sollte sich im wahrsten Sinne des Wortes schlagartig im Laufe des Jahrzehntes ändern.

Katja Ebstein: Trendsetterin in Türkis

Katja Ebstein beim Grand Prix d'Eurovision 1970
Ist ihren Mitstreiterinnen 1970 modisch um einiges voraus: Katja Ebstein.

Vorgemacht hat es schon in jenem Jahr Katja Ebstein. Musikalisch erreichte sie mit dem dritten Platz die bis dahin beste Platzierung für Deutschland. Modisch allerdings war Ebstein all ihren Mitstreiterinnen um Meilen voraus. Mit silbernen Stiefeln gab sie den Takt an und trug dazu ein ultrakurzes türkisfarbenes Minikleidchen, einen wallenden Mantel - und eine riesige Portion Selbstbewusstsein zur Schau.

In Sachen Beinkleidern setzte vor allem die Schlaghose zum Siegeszug durch die Dekade an. Der ein oder andere Sänger kam zwar immer noch im klassischen Anzug daher und auch Vicky Leandros sang ihren Siegertitel "Après toi" 1972 im schwarzen Abendkleid. Ansonsten blieb die konventionelle Abendgarderobe aber immer häufiger dem Dirigenten und seinem Orchester vorbehalten. Die Glam-Rock-Ära hatte modisch gesehen Einzug ins Grand-Prix-Spektakel gehalten. Die Anzüge der Herren wurden bunter und bestachen durch ungewöhnliche Accessoires wie Glitzer-Streifen, Pailletten oder übergroße Samtfliegen. Auch die Frisuren veränderten sich - vor allem bei den Männern. Stufig geschnittene Haare, zur Mähne gefönt, ließen nicht nur die Herzen der Frisöre höher schlagen. Und vor allem: Man(n) stand nicht nur zu seiner Brustbehaarung, er zeigte sie auch.

Abba machen den Grand-Prix schrill

Was Gary Glitter, Marc Bolan von T. Rex oder David Bowie in Sachen Outfits für die Rockmusik waren, transportierten Abba in die Gefilde des ESC. Ihr Auftritt von 1974 markiert einen Wendepunkt in der Modegeschichte des Wettbewerbs. Glitzer und Glamour waren von da an aus dem Dress-Code nicht mehr wegzudenken. Plötzlich standen Männer in hautengen Anzügen und babyblauen Schlaghosen auf der Bühne. Die dazu passenden Oberteile hatten bisweilen glitzernde Puffärmel oder wirkten wie Astronauten-Jacken. Selbst die Herren, die bei eher klassischen Anzügen blieben, betonten diese mit übergroßen Kragen, wild gemusterten Fliegen oder keck mit einem quietschroten Einstecktuch. Die Outfits der Damen waren in diesen Jahren nicht weniger ausgefallen und bunt. Es grüßte die Flower-Power-Bewegung und so musste sich der ESC-Fan - ob er nun wollte oder nicht - an den Anblick von Blumenkleidchen gewöhnen.

Brotherhood Of Man beim Grand Prix d'Eurovision 1976
Perfekte Choreographie in Tanz und Outfit: Brotherhood of Man beim Grand Prix 1976.

Brotherhood of Man zeigten 1976 das erste Mal, wie durchchoreographiert ein Auftritt sein kann. Und das nicht nur mit vorher perfekt einstudierten Tanzschritten, sondern auch und gerade mit Hilfe der Outfits. Die Damen kombinierten ihre in Rot, Weiß und Schwarz gehaltenen Overalls mit Franzosen-Mützen - farblich harmonierend mit den Anzügen der Männer. Der Trend, als Duo, Trio oder Quartett in einer Reihe zu singen, setzte sich auch im nächsten Jahr fort. Einstudierte Tanzschritte waren plötzlich genauso "in" wie abgestimmte Outfits.

Hauptsache Verkleidung

Baccara vertreten Luxemburg 1978 beim Grand Prix und belegen den 7. Platz
Baccara bezauberten in schwarz-weiß - und belegten 1978 Platz 7.

Ende der Siebziger kam dann der Wandel: Der ESC wurde ironisch. Coco aus Großbritannien trugen im Jahr 1978 regenbogenfarbene Badeanzüge zu goldenen Overknee-Stiefeln. Und das nicht nur, um schrill zu sein, sondern um mit den bunten Outfits bewusst ein Stück Clownerie in ihren Auftritt zu bringen. Immer mehr Gruppen kamen nicht nur als Sänger, sondern auch als Schauspieler auf die Bühne. So wie Dschingis Khan 1979. Von Kritikern damals als "Mongolische Mördertruppe" beschimpft, markiert ihr Auftritt bis heute einen der Höhepunkte in der deutschen ESC-Geschichte.

Schrill ist aber Ende der Siebziger kein Muss mehr. Bewusst klassisch waren die Outfits vonBaccara aus Spanien- mit ihren weißen und schwarzen langen Kleidern. Auch die Männer betraten die Bühne einfach mal wieder im schicken Anzug. Mit den Siebzigern beginnt eben die Zeit des modernen ESC: Von glitzernd bis klassisch, von ironisch bis anspruchsvoll - alles geht.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 09.02.2017 | 20:15 Uhr

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