Kommentar: Jerusalem ist der Favorit
Netta Barzilai selbst verkündete das Naheliegende im Hinblick auf den Austragungsort des 64. Eurovision Song Contest 2019 in Israel als erste: "Next time in Jerusalem!" rief sie noch in den Momenten ihrer Siegesfreude. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Finanzminister Mosche Kachlon äußerten sich danach ähnlich: Jerusalem soll, wie schon 1979 und 1999, der Ort sein, an dem sich die Eurovisionskarawane für gut zwei Wochen niederlassen wird.
Die größte Location der Gegend
Objektiv verfügt die Stadt über die besten Voraussetzungen für einen ESC, der nicht nur die Liveübertragung von drei TV-Shows vorsieht, sondern auch Journalisten, Fans und ESC-Touristen ein gutes Umfeld zu bieten hat. Die European Broadcasting Union (EBU) in Genf schreibt den Gastgebern vor, dass ein ESC-Ort über eine Arena für mindestens 10.000 Zuschauern verfügen muss, ebenso ein Pressezentrum für 1.500 Medienleute, außerdem halbwegs nah bei einem internationalen Flughafen liegen sollte, vom öffentlichen Nahverkehr zu schweigen, der ebenfalls auf komfortablem Niveau liegen müsste. Dass ein ESC-Ort ausreichend Hotelkapazitäten parat halten sollte, versteht sich von selbst.
Jerusalem liegt eine gute halbe Stunde entfernt vom internationalen Ben-Gurion-Flughafen bei Tel Aviv, hat Hotels im Überfluss, der Nahverkehr gilt als exzellent - aber der entscheidende Vorteil ist, dass mit der Pais-Arena eine Halle vorhanden ist, die, als größte in der ganzen Nahostregion, offiziell knapp 16.000 Zuschauern Platz bieten kann. Sie ist auf aktuellem Technikstandard, TV-Techniker hätten in ihr keine Probleme, die drei Shows in jeder Hinsicht auszurüsten.
Konkurrierende Städte
Davon abgesehen, dass Jerusalem als ESC-Ort politisch in jeder Hinsicht seitens der Regierung erwünscht ist, ist die Konkurrenz für die Hauptstadt zwar vorhanden, aber nicht wirklich aussichtsreich. In der Hafenstadt Haifa könnte das Sammy-Ofer-Stadion angeboten werden, es bietet gut 30.000 Plätze - aber es müsste erst noch überdacht werden. Ein Open-Air-Konzert soll der ESC auf keinen Fall werden.
Nahe Tel Aviv liegt die Stadt Petach Tikwa. Auch sie möchte gern den ESC für die Maiwochen 2019 beheimaten, verfügt aber über keine Location. Der Bürgermeister meint gleichwohl, in Baku zum ESC 2012 sei es auch gelungen, binnen weniger Monate eine Halle aus dem Nichts zu schaffen. Tel Aviv selbst, Wunschort für viele ESC-Fans aufgrund seines "Regenbogencharakters", ist bereits jetzt keine Option mehr: Die Menora-Mivtachim-Arena fasst erstens nur knapp 6.000 Zuschauer, zweitens aber schloss der Bürgermeister eine Bewerbung aus.
Traditionshalle längst aus dem Rennen
Längst aus dem Rennen ist jene Arena, in der 1999, nach Dana Internationals Sieg in Birmingham 1998, der ESC gegeben wurde: die Ussishkin-Halle im Kongresszentrum von Jerusalem mit allerhöchstens 3.000 Zuschauern. Es war die letzte ESC-Location, die eigentlich eine Konzerthalle war, keine Indoorarena oder ein Stadion (wie in Kopenhagen 2001 oder Düsseldorf 2011). Konzerthallen sind für das Budget eines ESC nicht mehr tauglich - die Ticketerlöse sind ein sehr wichtiger Bestandteil jeder Kalkulation eines ESC-Gastgebers.
Insofern ist es jetzt womöglich nur eine Frage der Verhandlungen zwischen der EBU, dem israelischen TV-Sender IPBC, den kommunalen Politikern der Austragungsorte und den Halleninhabern, welcher Ort genau im Mai 2019 den ESC begrüßen kann. Die Entscheidung soll nicht vor dem späten Sommer erfolgen, aber es wäre sehr unwahrscheinlich, fiele sie nicht auf Jerusalem.
Terminfrage noch offen
An welchem Maiwochenende das Grand Final stattfinden wird, ist auch noch nicht geklärt. Möglich wären der 4., 11. und 18. Mai als Finaldaten - all diese Termine würden auch mit keinem religiösen Feiertag in Israel kollidieren. Der 1. Juni würde nicht in Frage kommen, an diesem Samstag findet das Champions-League-Finale statt; am Wochenende zuvor wird das DFB-Pokalfinale ausgetragen. Es ist Teil des internationalen TV-Kalenders und scheidet somit als ESC-Wochenende gleichfalls aus.