Haltet durch! Die Botschaften der ESC-Songs
Ein Song zu den Themen Liebe und Frieden geht beim Eurovision Song Contest immer. So hatten es die Moderatoren Måns Zelmerlöw und Petra Mede beim ESC 2016 in Stockholm sehr unterhaltsam erklärt. "Love, Love, Peace, Peace" hieß ihr Interval-Act damals. (Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir versehentlich behauptet, "Love, Love, Peace, Peace" sei beim ESC 2016 der Eröffnungsact gewesen. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.) Und Liebe und Frieden sind auch beim ESC in Lissabon in diesem Jahr beliebte Themen. In 20 von 43 Songs geht es 2018 um die Liebe - dabei ist das Verhältnis zwischen erfüllender Liebe und leidendem Herzschmerz ausgeglichen. Schmalzkönig in der Kategorie "Liebe" ist Spanien mit Zeilen wie: "Es fühlt sich an, als würde ich das erste Mal an deiner Seite tanzen" oder "Du bist die Kunst, die meine Haut versüßt". Liebhaber von Wandtattoo-Sprüchen werden entzückt aufhorchen.
Phrasen funktionieren nicht mehr
"Im Inneren sind alle Menschen gleich" - na, wer hätte das gedacht?! Mit dieser und anderen Textzeilen aus dem Phrasenwörterbuch einer amerikanischen Miss-Wahl, kommt der isländische Sänger Ari Ólafsson daher. "Zu viele sterben vergebens. Gemeinsam können wir den Schmerz lindern" - mir persönlich wäre schon einiger Schmerz genommen, würde er einfach aufhören zu singen. Ein Durchhalteliedchen, das bei Nicole 1982 in Harrogate noch funktioniert hat, ungefähr seitdem aber auch schon echt abgeschmackt ist.
Russland und Rumänien: Alles wird gut
Durchhalten ist allgemein eine beliebte Message in diesem Jahr. "Ich falle nicht um, auch wenn es hart wird" singt uns Julia Samoylova aus Russland und beschreibt damit, wie es einem Englisch-Lehrer gehen muss, wenn er ihre Aussprache hört. "Gib nicht auf und halte an deinen Träumen fest", wollen uns The Humans aus Rumänien sagen und für SuRie aus Großbritannien ist klar: "Gemeinsam können wir jeden Sturm überstehen" - der neue Werbeslogan einer Versicherung?
Tod ist Thema bei Deutschland, Ungarn und Portugal
So unverfänglich und seicht sind aber längst nicht alle Songs beim ESC. Gleich drei Teilnehmer haben sich den Tod zum Thema genommen: Portugal, Ungarn und Deutschland. Dabei könnten die Songs nicht unterschiedlicher sein: Der portugiesische Beitrag "O jardim" (deutsch: "Der Garten") erzählt vom Tod der Großmutter, so ruhig wie kaum ein anderer Song in diesem Jahr. Ihr Garten, der nun von der Enkelin gepflegt wird, dient dabei als Metapher.
Laut und wütend geht die ungarische Metal-Band AWS mit dem Thema Tod um. Weil der Vater von Frontmann Örs im Sommer starb, beklagt sich der Sänger nun über diese Jahreszeit: "Es ist Zeit, dass du wiedergutmachst, was du genommen hast". Unser Star für Lissabon, Michael Schulte, hat für den Umgang mit dem Tod seines Vaters ebenfalls sanfte Töne gewählt. Er denkt an Gemeinsamkeiten mit ihm und daran, dass er ihn am meisten vermisst, wenn das Leben nicht so läuft, wie gedacht.
Die Ausreißer: Flüchtlinge und Terror-Trotz
Mit einer starken Themenwahl fallen dieses Jahr Frankreich, Italien und Malta auf. Im französischen Beitrag "Mercy" von Madame Monsieur geht es um ein Mädchen, das auf einem Flüchtlingsboot im Mittelmeer zur Welt kommt: "Wenn das Meer gewinnt, müssen wir den Preis zahlen. Mit unseren Leben". Auch die Italiener Ermal Meta und Fabrizio Moro haben etwas zu sagen: In "Non mi avete fatto niente" stellen die beiden nach den Terroranschlägen der letzten Zeit fest: "Ihr habt nichts gewonnen, denn es gibt mehr als eure sinnlosen Kriege". Christabelle aus Malta findet, es ist Zeit ein Tabu zu brechen und wünscht sich in "Taboo" mehr Verständnis für psychisch kranke Menschen.
Die Schweiz und Israel am Zeitgeist
Aktuelle Themen lassen sich auch beim schweizer Duo Zibbz und der Israelin Netta finden. Mit ihrem Song "Stones" gegen Cybermobbing haben die Schweizer den Zeitgeist gut getroffen. Noch perfekter schafft das Netta mit ihrem bereits ausführlich besprochenen Song "Toy", einer Kampfansage gegen chauvinistische Männer: "I'm not your toy - you stupid boy". Eine Textzeile, die so schlicht und plakativ ist, dass selbst Julia Samoylova keine Übersetzung braucht.