Wien: Der ESC ist überall
Die Stadthalle liegt wirklich dort, wie es der Name besagt: mitten in der Stadt. Baku, Malmö, auch Düsseldorf oder Kopenhagen warteten ja auch mit ESC-Arenen im Stadtgebiet auf, aber sie lagen mehr am Rande, in den Vorstädten. Hier in der österreichischen Hauptstadt ist die Location mitten im metropolen Gewimmel. Kommt man über den Flughafen hier an, ergibt sich folgendes Bild: Aus Lautsprechern scheppert es ESC-Musik, auf Screens sieht man ESC-Auftritte. Am Westbahnhof empfangen Wiener ESC-Freunde ihre ausländischen Gäste.
Besuch aus aller Welt
Und im Zug gibt sich ein junger Mann aus Hongkong zu erkennen, der einer Brieffreundschaft mit einem Briten wegen nun ESC-entflammt ist. Er guckt seit Jahren den ESC via Internet - aber "jetzt in Wien, da wollte ich dabei sein. Ich liebte als Kind schon Sissi", sagt John Chang, der immerhin Karten für das Juryfinale am übernächsten Freitag ergattern konnte.
Nichts scheint die Stadt aus dem Blick verloren zu haben, um auch wirklich alles ESC-gemäß auszurichten. Alles öko, alles auf Nachhaltigkeit getrimmt. Selbst das Wiener Trinkwasser wirbt öffentlich mit seiner Güte - "auch für ESC-Gäste". Auf den Plakaten einer österreichischen Bank ist Conchita Wurst als Werbe-Ikone präsent. Straßenbahnen fahren mit "Building Bridges"-Wimpeln. Sogar einige der Verkehrsampeln sind queer umgewidmet: Nicht mehr ein grünes Männchen erlaubt den Gang über die Zebrastreifen, sondern Paare in drei verschiedenen Varianten symbolisieren die Gefahrenfreiheit: eines hetero und zwei homo (männlich und weiblich).
Äpfel, Tomaten und Kaffee
Für Journalisten und Fans ist nie zuvor soviel Freundliches zubereitet worden. Die ESC-Tasche, die Journalisten zu Beginn erhalten, ist prall bestückt. Sie wiegt gut vier Kilo und enthält, was die Werbepartner des ESC in Österreich als Give-aways hineinsteckten: auch Schuhcreme, Gesichtsmaskenpasten, Salamistückchen für den eiligen Hunger, Nusswaffeln, viele Infobroschüren und Stadtpläne. Nichts bleibt im Ungewissen: gut so. Im Pressezentrum sind Kaffee und Tees gratis, es gibt außerdem steirische Äpfel und burgenländische Tomaten als Sweets - außerdem, das ist das Wichtigste, ein starkes WLAN für die arbeitenden Journalisten und Fans.
Vor einem Jahr trauten manche TV-Leute ihren österreichischen Kollegen und Kolleginnen nicht so recht zu, eine High-Tech-Show wie den ESC so vorzubereiten, dass er nicht nur den Wünschen der TV-Profis entspricht, sondern auch denen der Journalisten und Fans. Jetzt guckt Roman Horacek vom ORF, der mindestens seit 2002 in Tallinn für Österreich beim ESC-Projekt mitarbeitet, zufrieden aus: "Bei der Eröffnungspressekonferenz hätte ich fast geweint, weil man jetzt sieht, wie die Arbeit eines Jahres sich zusammenfügt." Man darf sagen: Er hat völlig recht - der Wiener ESC beeindruckt atmosphärisch sehr.
Expertentalk im Pressezentrum
Einige Journalisten, die schon seit Montag in Wien arbeiten, sagen: "Kein gutes ESC-Jahr. Am Proben-Nachmittag war alles voller Balladen - und alle in schwarzen Klamotten. Das hat etwas Düsteres." Könnte sein, dass es so ist. Möglich aber auch, dass es nur das typisch nervöse Sprechen über das ist, was möglicherweise kommen wird. Experten spekulieren eben gern - was sollen sie auch sonst tun?
Am Himmelfahrts-Tag ist auch in Österreich Feiertag, aber die Proben gehen weiter: Die Geschäfte haben geschlossen, aber in der Stadthalle wird gearbeitet wie an jedem Tag seit Wochen. Alle machen hier den Eindruck, als freuten sie sich darauf.