Conchita Wurst ist "eine Lobeshymne auf die Frau"
Du nennst Dich Drag Queen?
Conchita Wurst: Ja, dieser Begriff trifft es am besten. Ich bin ja nicht die einzige Drag Queen, die einen Bart trägt. Es gibt überall so viele. So ein Blödsinn, wenn einige sagen, ich hätte etwas Einzigartiges geschaffen. Nein, das habe ich nicht kreiert.
Das ist ja dann nicht Trans. Was ist der Unterschied von Trans und Drag?
Conchita Wurst: Viele denken, wenn man sich Frauenkleider anzieht, dass man automatisch gern eine Frau sein möchte. Das regt mich auf, denn so ist es nicht. Sie sagen: Wenn du eine Frau sein willst, warum rasierst du dich denn nicht. Ich antworte: Ich will keine Frau sein, ich bin ein Mann. Ich liebe es, eine Frau zu spielen - weil es eine Lobeshymne auf die Frau ist.
Und Dana International, die 1998 für Israel den ESC gewann?
Conchita Wurst: Die hat eine Lebensentscheidung getroffen. Die wurde im falschen Körper geboren und hat sich einer Geschlechtsanpassung unterzogen. Und ist eine Frau! Ich habe sie nie kennengelernt und weiß auch nicht, ob es ihr so recht war, auf das Transsexuelle reduziert zu werden. Es muss ihr sehr nahe gehen, denn vor allem ist sie einen Künstlerin. Und nicht nur eine Transgenderperson.
Man braucht sehr viel Kraft und Durchsetzungsvermögen, um einen Weg zu gehen, den Du gerade gehst. Wie war es vor zwei Jahren, nachdem Du in der österreichischen Vorentscheidung nicht gewonnen hattest?
Conchita Wurst: Es war nicht schlimm. Es wäre schlimm gewesen, wenn ich kein zweites Mal hätte auf die Bühne dürfen. Aber ich wusste, dass ich nicht aufgeben oder aufhören würde. Ich muss zum Eurovision Song Contest, dachte ich immer, ob in zwei Jahren oder sechzehn Jahren. Ich muss hier hin. Ich habe es René Berto, meinem Manager, zu verdanken, dass wir jetzt hier in Kopenhagen sind. Er hat das Konzept geschrieben. Und wir haben im Herbst den Job bekommen.
Du wurdest kritisiert, weil Du als Drag Queen nicht Österreich repräsentieren könntest ...
Conchita Wurst: Ja, und ich würde sagen, die das am lautesten schrien, haben den Song Contest noch nie gesehen. Großartig, ironisch gesprochen, fand ich auch meine Musikerkollegen, von denen einige sagten, sie hätten diese Chance nicht bekommen. Darauf kann ich nur sagen: Wir haben nicht gefragt, ob es einen Vorentscheid gibt oder nicht - wir haben einfach getan, was zu tun war. Wir hatten ein Konzept, darauf kommt es an. Meinen Kollegen, die sich jetzt benachteiligt fühlen, sage ich immer: Nächstes Jahr gibt es wieder einen Vorentscheid!
Das Lied "Rise Like A Phoenix" war Deine Wahl?
Conchita Wurst: Ja, und zwar eine diktatorische. Wir fanden das Lied ganz und gar zum Schluss - und es ist nicht einmal aus unserer Feder. Aber das hat tief im Herzen überzeugt. Als die Budapester Philharmonie das Lied einspielte, war es eines der größten Geschenke, die ich je erhalten habe. Es war überwältigend, ich habe geweint wie ein kleines Mädchen.
Eine Disco-Hymne wie vor zwei Jahren beim Vorentscheid wäre für Dich nicht in Frage gekommen?
Conchita Wurst: Nein, denn wo wäre da die Überraschung geblieben? Ich wollte etwas ausprobieren, nicht den "Safe Way" gehen.
Das Interview führte Jan Feddersen.
- Teil 1: "Meine Mutter sagt sogar, sie hat von mir gelernt, dass die Meinung von anderen nicht wichtig ist."
- Teil 2: "Ich will keine Frau sein, ich bin ein Mann. Ich liebe es, eine Frau zu spielen."