Zwei Monate vor dem ESC - Was geht Malmö?
Mit großen Schritten nähert sich der ESC in Malmö. Höchste Zeit also einen Blick auf die Stadt zu werfen und Ausschau nach allem zu halten, was nach Eurovision Song Contest 2024 aussieht oder gar klingt.
Wer an Malmö denkt, wird wohl nicht zuerst an Falafel, einen sich um die eigene Achse drehenden Wolkenkratzer und über 500 Kilometer Radwege denken. Auch ich denke vor meiner Reise nach Malmö nicht unbedingt über diese Dinge nach. Um ehrlich zu sein habe ich eigentlich nur den bevorstehenden ESC im Kopf. Zwei Monate vor dem eigentlichen Event will ich wissen, wie viel Song Contest schon jetzt in Malmö steckt. In meinen Gedanken male ich mir ESC-Banner in der gesamten Stadt, Züge mit dem Konterfei von Loreen und in jedem Touri-Shop mindestens einen Keksausstecher in der Form vom ESC-Herz aus. Doch es kommt anders.
Der Brücke sei Dank
Anfang März mache ich mich von Erfurt aus auf den Weg nach Malmö. Die beste und einfachste Möglichkeit von Deutschland nach Südschweden zu kommen, ist mit dem Zug. Von Hamburg über Kopenhagen braucht man für die Strecke nur etwa fünfeinhalb Stunden. Der Zug "Øresundståg" verbindet die dänische Hauptstadt über die bekannte Öresundbrücke in nur 30 Minuten mit Malmö - dreimal die Stunde. Viele Schweden nutzen diese Verbindung um in Malmö zu leben und in Kopenhagen zu arbeiten. Der Brücke sei Dank.
Hinweise auf den ESC sind Mangelware
An meinem ersten Tag beginne ich meine Suche nach Hinweisen auf das größte Musikevent des Jahres. So schwer sollte das doch eigentlich nicht sein. Doch ich irre mich. Keine Banner in der Stadt, kein Konterfei von Loreen und erst recht keine ESC-Keksausstecher. Nach einigem Umherirren bin ich schon fast aus dem Häuschen, als ich ein schmuckloses Schaufenster mit dem Schriftzug: "Host City Eurovision Song Contest" entdecke. Später sehe ich noch so eine "Schaufensterwerbung" und ein weiteres Fenster, in dem die Teilnahme Israels kritisiert wird. An dieser Stelle ist die Geschichte meiner Suche nach Hinweisen auf den ESC in der Stadt eigentlich schon fast auserzählt.
Deko für die Stadt jetzt erstmal auf Frühling drehen
Denn auch die Orte, an denen ESC-Events stattfinden werden, sehen noch wie ein unbeschriebenes Blatt Papier aus. Der Folkets Park wird im Mai zum Eurovision Village, einem Treffpunkt für Künstler, Fans, Touristen und natürlich Einheimische. Hier soll es ein buntes Programm geben: Musik, Konzerte, Party. Gerade gibt es - Bauarbeiten. Ich frage die Arbeiter, welche Dekoration als nächstes aufgebaut wird: Frühlingsdeko. Etwas verzweifelt hake ich nochmal nach: "Und was ist mit dem ESC?" - "Oh ja kann auch sein, dass wir danach die Sachen für den ESC aufbauen".
Die autofreie Straße Friisgatan wird in zwei Monaten zur offiziellen "Eurovision Street" - und auch hier ist zur Zeit noch nichts wirklich Eurovisionäres zu sehen. Aber ich kann mir gut vorstellen, wie sehr das Leben hier, nicht nur zu ESC-Zeiten, abends pulsieren mag. Friisgatan ist voll mit Cafés, Bars und Restaurants. Mitten auf der Straße sind Sitzmöglichkeiten auf Holzklötzen, zwei Lichterketten schlängeln sich über die gesamte Länge. Ich merke, dass ich langsam ein immer besseres Gefühl von der Stadt und dem Lebensgefühl bekomme. ESC hin oder her.
Die Kunst des Essens
Malmö besticht durch seine kulturelle Vielfalt und am schnellsten kann man das am Essen festmachen. Friisgatan ist keine Ausnahme, sondern eher die Regel. Es ist fast unmöglich eine Straße ohne Restaurant zu finden. Zum Frühstück lasse ich es im Café Lilla Kafferosteriet typisch schwedisch zugehen, trinke Kaffee und esse Kanelbulle (Zimtschnecke). Mittags besuche ich die trendige Foodhalle "Saluhall", die von Käse und Gebäck bis Pizza alles hat, was das (kulinarische) Herz begehrt. Abends wähle ich einen der unzähligen Falafel-Läden in Malmö aus - Freunde der frittierten Kichererbsenbällchen haben hier die Qual der Wahl.
Mit dem Fahrrad durch die Stadt
Am zweiten Tag bin ich mit Anna für eine Fahrradtour verabredet. Anna kommt ursprünglich aus Polen und ist der Liebe wegen vor sechs Jahren nach Malmö gezogen. Sie bewegt sich ausschließlich mit dem Rad durch die Stadt - für sie steht es außer Frage, mir die Stadt vom Drahtesel aus zu zeigen. Kein Wunder: Malmö gilt nicht nur als Fahrradhauptstadt Schwedens, sondern ist laut ihr auch eine der fahrradfreundlichsten Städte weltweit. Besser noch als Kopenhagen, wie sie mir mit spürbarem Stolz auf ihre Wahlheimat während des Fahrens erzählt. Sie sagt, dass Malmö als Fahrradstadt gebaut wurde. Kopenhagen sei hingegen nur fürs Radfahren angepasst worden.
Wir starten unsere Tour am Folkets Park, wo ich mir an einer der unzähligen Fahrradstationen problemlos ein Rad leihe. Etwa sieben Euro kostet das Tagesticket, mit dem ich unbegrenzt oft - aber jeweils nur für eine Stunde am Stück - die Räder nutzen kann. Wir fahren an den vielen kleinen und großen Wahrzeichen der Stadt vorbei: an der Burganlage Malmöhus, am Konferenz- und Konzertzentrum Malmö Live, wir werfen einen Blick in die wunderschöne Stadtbibliothek und fahren natürlich auch an dem größten Gebäude Malmös vorbei: dem Turning Torso.
Malmö - das Miami Schwedens
Malmö begeistert nicht nur Anna, sondern auch mich. Während wir am Strand entlang fahren, schwärmt sie vom schwedischen Sommer in der Stadt. Malmö wird laut ihr dann "schwedisches Miami" genannt. Ich glaube es ihr sofort. Während einer kurzen Pause wage ich einen weiteren ESC-Anlauf und frage Anna möglichst beiläufig, warum man denn noch nichts vom ESC in der Stadt mitbekommt. Sie antwortet, dass es vielleicht einfach zu offensichtlich sei. Jedem wäre klar, dass gerade die Zeit für den schwedischen Vorentscheid und danach den ESC ist. Dafür bräuchte es noch keine Werbung und es sei vielleicht auch einfach noch zu früh.
Unverhoffter Abschluss
Abends gehe ich alleine entlang dem Komplex Malmö Live spazieren. Im Mai wird es hier bunt zugehen: Euroclub, Unterkunft der Delegationen, Schaulaufen auf dem türkisfarbenen Teppich - das ganze Programm. Noch ist es ruhig - denke ich zumindest. Denn während ich alleine draußen vor dem Komplex stehe und die Stille genieße, findet drinnen gerade das Symphoniekonzert "Alla älskar Eurovision" statt - Alle lieben Eurovision. Doch das erfahre ich erst später durch Zufall in meiner Unterkunft. Also geht hier doch noch was in Sachen Eurovision! Sogar zwei ESC-Sieger sind zeitgleich mit mir vor Ort. Ärgerlich klicke ich auf die verpasste Veranstaltung und stelle überrascht fest, dass es am nächsten Tag noch ein Konzert geben wird. Drei Tickets sind übrig. Ich überlege nicht lange.
ESC-Momente in Hülle und Fülle
Und so kommt meine Reise in Malmö doch noch zu ihrem würdigen ESC-Moment. Wie sehr habe ich den Song Contest in Malmö gesucht, nur um dann am Ende die volle eurovisionäre Breitseite abzubekommen. Schon beim "Te Deum", der Eurovisions-Hymne, bekomme ich durch das Live-Orchester eine Gänsehaut. Weiter geht’s mit dem Song "Refrain", der ersten ESC-Gewinnerin Lys Assia. Måns Zelmerlöw singt daraufhin nicht nur seinen Siegersong aus dem Jahr 2015 "Heroes", sondern auch Céline Dions "Ne partez pas sans moi" aus dem Jahr 1988 und "Arcade", den Siegertitel der Niederlande aus dem Jahr 2019.
Dieses Konzert übertrifft alle meine kühnsten Malmö-Wünsche. Neben Zelmerlöw geben auch die ESC-Gewinnerin von 2013, Emmelie de Forest, und die schwedische Teilnehmerin von 2022, Cornelia Jakobs, ihre Lieder zum Besten - und singen etliche weitere Titel der ESC-Geschichte. Zum Abschluss gibt es Abbas "Waterloo" und Standing Ovation. Mit dem Konzert endet auch meine Reise. Was bleibt ist die Erkenntnis: Es geht hier doch schon was in Richtung ESC! Nur deutlich subtiler als ich es angenommen habe. Denn auch wenn ich es zunächst nicht so wahrgenommen habe: Der ESC ist schon längst in Malmö eingetroffen. Vermutlich war er nie so richtig weg.