Stand: 19.03.2019 14:08 Uhr

Tel Aviv: Chaos mit Herz

von Simone Horst

Quietschende Reifen, lautes Hupen und viele Menschen: Das sind die ersten Eindrücke von Tel Aviv. Die Stadt ist voll, etwas chaotisch und immer irgendwie laut. Wenn der 64. Eurovision Song Contest im Mai 2019 in die Stadt einzieht, wird sie noch lauter. Die Israelis sind große ESC-Fans und wissen, wie man feiert, besonders in Tel Aviv - der Party-Hauptstadt Israels.

Tel Aviv: Vom Sandhügel zum Frühlingshügel

Gründung der israelischen Stadt Tel Aviv im Jahre 1909.  Foto: unbekannt
Sand und noch mehr Sand. So sah Tel Aviv bei seiner Gründung im Jahre 1909 aus.

Wenn man heute durch die vollen Straßen der Stadt am Mittelmeer schlendert, vorbei an unzähligen Cafés, Bars und Restaurants, ist es kaum vorstellbar, dass hier vor rund 100 Jahren nur Sand zu sehen war. Mit dem ESC können die Tel Aviver auch den 110. Geburtstag ihrer Stadt feiern. Am 11. April 1909 wurde durch ein Losverfahren das Land unter 60 jüdischen Siedlern aufgeteilt und die Stadt mit dem Namen "Frühlingshügel" gegründet. 1950 wurden die nahegelegene arabische Stadt Jaffa und Tel Aviv offiziell zusammengelegt. Heute ist Tel Aviv nach Jerusalem mit mehr als 438.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Israels.

Urlaubs-Gefühl: Ein Spaziergang durch Tel Aviv

Tel Aviv hat keine bedeutenden Wahrzeichen oder beeindruckende Denkmäler zu bieten. Das Besondere an Tel Aviv ist die Atmosphäre. Am besten läuft man einfach drauflos, setzt sich in eines der kleinen Cafés, bestellt einen "Hafuch" (Cappuccino) und lässt das Treiben der Stadt auf sich wirken. An jeder Straßenecke wartet eine neue Überraschung: ein spontanes Konzert, eine Demonstration, ein Straßenkünstler, singende Hare-Krishna-Mönche oder ein kleiner Gemeinschaftsgarten.

Wer es etwas ruhiger mag, kann vom Hafen aus, im Norden der Stadt, direkt am Strand entlang bis nach Jaffa spazieren. Aber Vorsicht: Richtig ruhig ist in Tel Aviv nichts. Am Strand frönen die Tel Aviver ihrer Leidenschaft: dem Matkot-Spiel. Hierbei wird mit einem Holzschläger ein kleiner, fester Ball hin- und hergespielt. Das andauernde "Klock-Klock" Hunderter Matkot-Bälle hat schon so einige Strandbesucher in den Wahnsinn getrieben. 

Nicht alt, aber geschichtsträchtig

Eine richtige Altstadt gibt es im 110 Jahre alten Tel Aviv nicht, dafür aber die sogenannte Weiße Stadt. Die 4.000 Gebäude im Bauhaus-Stil gehören seit 2003 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Hauptsächlich deutsche Architekten, die in den 1930er-Jahren vor den Nationalsozialisten nach Tel Aviv geflohen waren, erbauten diesen Teil der Stadt.

Denkmal für Jitzchak Rabin in Tel Aviv.  Foto: Simone Horst
An dieser Stelle wird an den Mord am israelischen Ministerpräsident Jitzchak Rabin erinnert.

Ein Denkmal, das an die jüngere Geschichte Israels erinnert, befindet sich im Norden Tel Avivs. Am Rabin Platz wurde 1995 der damalige Ministerpräsident Jitzchak Rabin nach einem Friedenskonzert erschossen. Rabin setzte sich für den Frieden mit den Palästinensern ein und erhielt dafür den Nobelpreis. Nach seinem Tod wurde der frühere "Platz der Könige Israels", Rabin zu Ehren, umbenannt.

Unterirdisches Labyrinth ins Nirgendwo

Abenteuerlustige Besucher sollten sich die Central Bus Station nicht entgehen lassen. Der chaotische Aufbau der zentralen Busstation spiegelt das Chaos Tel Avivs sehr gut wider. Nach dem Betreten des ebenerdigen Eingangs befindet man sich bereits in der zweiten Etage der Station. Es gibt Schilder, die in die falsche Richtung weisen. Gänge, die einfach im Nichts enden und verlassene Etagen, die sich für einen Endzeitfilm eignen würden. Wer nach der Fertigstellung dieses Gebäudes auf den Gedanken kam, diesem Architekten noch ein weiteres Projekt anzuvertrauen, bleibt ein Rätsel. Aber derselbe Architekt plante das Dizengoff Center - ein Einkaufszentrum mitten in Tel Aviv. Anderer Ort - gleiche Problematik. Gänge, die überall hinführen, nur nicht da, wo man hin will. Einen wahren Kenner Tel Avivs erkennt man daran, dass er die Toiletten im Dizengoff Center auf Anhieb und ohne Umwege findet.

Fast Food auf israelische Art

Israelis lieben Essen und davon gibt es in Tel Aviv genug. Bei Abu Hassan in Jaffa wird schon seit den 1970er-Jahren der angeblich beste Hummus des Landes zubereitet. Der kleine Laden öffnet morgens seine Türen und bleibt so lange offen, bis nichts mehr da ist. Eine der besten Falafel Tel Avivs gibt es bei "HaKosem". Die Warteschlange ist meistens lang, aber dafür werden schon in der Schlange frische Falafelbällchen zum Probieren gereicht.

Tel Aviv liebt den ESC

ESC-Gewinnerin Conchita Wurst bei der Gay-Pride-Parade in Tel Aviv.  Foto: Abir Sultan
Auch ESC-Gewinnerin Conchita war schon auf der Pride Parade in Tel Aviv zu Gast.

Tel Aviv zeigt sich gern weltoffen und ist die Hauptstadt der israelischen LGBTQ (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und queere Bevölkerungsgruppen)-Gemeinde. Jedes Jahr im Juni findet die Pride Parade statt. Mit 100.000 Teilnehmern ist sie der größte Umzug für die Rechte von  Schwulen und Lesben im Nahen Osten. Und die Tel Aviver LGBTQ-Szene liebt den ESC. Die israelischen ESC-Gewinnerinnen Dana International und Netta sowie Conchita aus Österreich traten schon bei der Pride Parade in Tel Aviv auf. Auch wenn die Stadt laut und chaotisch ist, so sind die Menschen immer freundlich und hilfsbereit. Ein einsamer Mensch in einem Café bleibt nicht lange alleine. Die wahre Attraktion Tel Avivs sind seine Bewohner. Das werden sie bestimmt auch im Mai 2019 unter Beweis stellen, wenn ESC-Fans aus der ganzen Welt nach Israel reisen.

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Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 18.05.2019 | 21:00 Uhr

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