Tel Aviv - eine gute Wahl
Also Tel Aviv, Mai 2019, mit dem Finale am dritten Samstag des Monats: Am Ende sprachen professionelle Gründe für die Entscheidung, dass der 64. Eurovision Song Contest Mitte Mai in der Metropole am Mittelmeer stattfinden wird. Denn die European Broadcasting Union (EBU) in Genf hat den israelischen Partnern des ESC, der TV-Gesellschaft Kan, sehr schnell klargemacht, dass das Eurovisionsfestival auf keinen Fall vom Spätnachmittag am Freitag bis Samstag mit Einbruch der Dunkelheit die Arbeit einstellt.
Am Sabbat muss in Tel Aviv nicht alles ruhen
Und das wäre in Jerusalem, wo am Sabbat die strikte Einhaltung der Ruhe gilt, der Fall gewesen. Der Sabbat ist in Israel klassisch der Tag, an dem gewöhnliche Arbeit nicht stattfinden soll, er ist sozusagen der jüdische Sonntag: An einem solchen Tag den in vielen Jahren eingeübten Fluss der Vorbereitungen stocken zu lassen, hätte den ESC verunmöglicht. In Jerusalem, zwei Mal ESC-Gastgeber, 1979 und 1999, würde es nicht gelingen, an einem Freitagabend am ESC zu arbeiten - zumal der öffentliche Nahverkehr an diesem Tag dort ruht. 1999 beim ESC nach Dana Internationals Sieg fuhr in der Tat kein Bus, nur einzelne Autos waren am Freitag vor dem Finale zu sehen.
In der recht kleinen Ussishkin Halle fanden die Generalproben vor dem Finale sehr diskret statt: Das ging damals auch deshalb, weil jener ESC noch nicht die Größe hatte (kaum Journalisten, wenige Fans) wie heutzutage. Für nächstes Jahr hieße das: Probentage und auch das Juryfinale am Freitagabend mit Publikumsandrang - keine Chance. In diesem Sinne schied Jerusalem aus - und Eilat, der Badeort am Roten Meer als dritte Kandidatenstadt, konnte nach Besichtigung von Jon Ola Sand, ESC-Generalsekretär, nicht überzeugen und war rasch aus dem Rennen. Wenngleich man auch dort in puncto Sabbat nicht an religiöser Strenge hängt.
Quirlige Stadt mit Traumstrand
Tel Aviv hat zwar nicht die publikumsstärkste Location zu bieten, aber es ist die Metropole schlechthin in Israel. Sie ist quirlig und verfügt über einen sensationellen Strand in Fußläufigkeit zur Innenstadt. Der öffentliche Nahverkehr an einem Freitagabend kommt dort nicht zum Erliegen - und arbeiten darf man dort auch, zumindest hinter geschlossenen Türen. Wo womöglich die israelischen ESC-Arbeiter und -Arbeiterinnen doch mit anpacken. Aber das sieht man dann nicht öffentlich, außerdem sind auch Polizei, Feuerwehren und medizinisches Personal sowie die Beschäftigten am Flughafen nicht an diesen heiligen Ruhetag gebunden: Es zählt einfach zur Frage der Sicherheit, dass sie sich nicht an die Ruhesitten halten müssen.
Coolste Stadt wird Gastgeberin 2019
Tel Aviv ist ohnehin die beste Wahl, die die EBU und der gastgebende Sender Kan treffen konnten, auch wenn die Stadt nach Nettas Siegeskommentar in Lissabon - "Next year in Jerusalem!" - nicht gerade favorisiert war: Das politisch-religiöse Establishment - allen voran Ministerpräsident Benjamin Netanjahu - wollte viel lieber Jerusalem, die Fanszene hingegen und auch der TV-Sender Kan bevorzugten von Anfang an Tel Aviv. Dort ist es cooler, dort gibt es die besseren Clubs, die besseren Vibes, die gut gelaunten Leute, die dort leben. Kurzum: In Tel Aviv wird das ESC-Raumschiff mit seinen rund 10.000 Menschen (Delegationen, Medien, Fans) hochwillkommen sein. Jerusalem ist einfach nicht eurovisionsfähig genug.