Jane Comerford: "Hatte immer Angst, Lordi zu begegnen"
Im Jahr 2006 trat Jane Comerford mit der Band Texas Lightning beim Eurovision Song Contest in Athen an und holte mit dem Song "No, No, Never" einen 15. Rang für Deutschland. Und die gebürtige Australierin ist ein musikalisches Multitalent. Sie ist Sängerin, Komponistin, Texterin, Musicaldarstellerin, Vocal Coach und Hochschuldozentin an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Sie coachte etwa Jan Delay, Yvonne Catterfeld und Johannes Strate von Revolverheld. In diesem Jahr ist die Vollblutmusikerin außerdem Expertin bei den Songchecks.
Jane, ist die ESC-Teilnahme überhaupt etwas Besonderes in deinem bewegten Musikerleben gewesen?
Jane Comerford: Auf jeden Fall! Das war ein Meilenstein in meinem Leben - als Musikerin und auch als Person. Das hat mein Leben sehr verändert, weil ich auf einmal in die Öffentlichkeit katapultiert worden bin. Es war aber sehr positiv. Bis dahin hatte ich mehrere Karrieren, die aber nicht auf den Titelseiten stattfanden.
Texas Lightning ist mit "No, No, Never" beim ESC auf Rang 15 gelandet. Was hat dieses Ergebnis für dich bedeutet?
Comerford: Ich merkte, dass alle um mich herum enttäuscht waren, weil wir einen Nummer-Eins-Hit in Deutschland hatten. In Deutschland gab es so einen Hype um uns und um den Song, dass wir wirklich schon am Fliegen waren. Auch vor Ort in Athen wurden wir sehr gut aufgenommen und die ganze internationale Presse wollte Interviews mit uns. Wir hatten wirklich das Gefühl, wir würden gut abschneiden - und in Deutschland rechnete man mit einer Top-Drei-Platzierung. Wir merkten, wie enttäuscht man dann in Deutschland war - das lastet natürlich auf deiner Schulter, wenn du die 15 hörst. Das war nicht einfach. Aber im Nachhinein betrachtet, war Platz 15 doch gar nicht so schlecht.
Du hast es angesprochen, "No, No, Never" war Platz eins der Charts. Das haben nicht viele ESC-Songs geschafft. Du hast den Song geschrieben - wie ist er entstanden?
Comerford: Ich habe ihn nicht extra für den ESC geschrieben. Ich habe etwas geschrieben für die Band - und wir sind nun einmal eine Countryband, die einen nostalgischen 50er-Jahre-Stil verkörpert. Während ich komponiert habe, bekam ich einen Anruf von meiner Schwester, dass mein Schwager verstorben war und meine Nichte ihren Vater verloren hatte. Es war also ein trauriger Anlass und das floss dann direkt in den Song. "No, No, Never" ist eigentlich für meine Nichte, um ihr Hoffnung und Zuversicht zu geben - und ihr meine bedingungslose Liebe zu versprechen: Dass ich sie niemals im Stich lassen werde. Insofern ist der Song etwas ganz Besonderes für mich - und natürlich irre, dass er mit dem Beat so eine gute Laune auslöst.
Du trittst ja auch noch mit Texas Lightning auf, du singst solo - sogar auch auf Deutsch. Wie hast du dich musikalisch seit 2006 weiterentwickelt?
Comerford: Das war natürlich toll, dass ich durch diesen plötzlichen Ruhm und den Verdienst, den man an den Tantiemen gespürt hat, meinen Rücken frei hatte, um bei meinen Projekten etwas wählerisch sein zu können. Ich habe Verschiedenes ausprobiert. Ich war auf Tour, ich hab mit einer Band meine eigene Show gespielt. Die deutschen Chansons waren auch ein Herzensprojekt von mir. Ich konnte mir Wünsche erfüllen, die jenseits von Mainstream und Kommerz waren. Das war sehr erfüllend und hat auch eine Menge Zeit gekostet. Und nebenbei bin ich ja auch noch Dozentin an der Hochschule.
Was bringst du deinen Studenten bei?
Comerford: Im "Popkurs" bin ich seit rund 35 Jahren Dozentin. Das ist ein Kurs für kreative Menschen, die auch selber schreiben. Wir als Team bauen diesen Leuten ein Netzwerk auf, geben Hilfestellung, sind Mentoren und sorgen dafür, dass sie das Beste aus sich herausholen. Und ganz viele Künstler sind aus diesem Popkurs hervorgegangen.
In diesem Jahr hätte Natalia Gordienko beim ESC für Moldau antreten sollen. Die war ja auch in deinem Jahrgang 2006 mit "Loca" schon einmal dabei. Kennst du sie noch?
Comerford: Ich kann mich nicht an sie erinnern, weil wir so abgeschottet waren. Und wir hatten immer nur ein bestimmtes Zeitfenster in der Halle und in den Garderoben, das heißt, wir haben die Leute erlebt, die unmittelbar vor und nach uns gesungen haben. Sonst war immer unheimlich viel los um uns herum, so unglaublich viel Hype und Lärm und Gesänge - alles over the top. Alles so abgedreht, dass man froh war, wenn man wieder alleine die Füße im Hotelzimmer hochlegen konnte.
Aber hast du denn wenigstens Mr. Lordi ohne Maske gesehen?
Comerford: Nein, hab ich nicht! (lacht) Man hat Angst vor den Typen bekommen. Die sahen so gruselig aus - und sie hatten diese Plateauschuhe, das waren ja Stelzen! Riesengroß waren sie und sie guckten immer so grimmig, weil die Maske so grimmig war. Und ich hatte immer Angst, denen im Hotel im Fahrstuhl auf dem Weg zum Frühstück zu begegnen. Am Ende hat sich aber herausgestellt - ich hätte mir überhaupt keine Gedanken machen müssen, denn sie waren in einem ganz anderen Hotel untergebracht.
Eine schöne Geschichte! Danke für das Gespräch.