Thomas Schreiber: "ESC-Roadshow hat sich gelohnt"
Zusammen mit seinem Team ist ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber durch Deutschland gefahren und hat Fans über das Vorentscheid-Konzept für den ESC 2018 informiert. Im Interview erzählt er, was er aus der Roadshow gelernt hat, warum ihm der Austausch mit den Fans wichtig ist und was in der Vergangenheit aus deutscher Sicht in Sachen ESC schiefgelaufen ist.
Die Roadshow ist vorbei. Was ist Ihr erstes Resümee?
Thomas Schreiber: Es war spannend. Es gab intensive Fragestunden, teilweise durchaus kontroverse Diskussionen. Aber ich fand, das hat sich wirklich gelohnt, ich würde wieder eine Roadshow machen. Das Publikum war sehr unterschiedlich. Manche waren total begeistert und haben geklatscht, andere waren eher norddeutsch verhalten. Es gab kleine Gruppen, es gab große Gruppen. Man weiß vorher nicht, wer dann tatsächlich vor einem steht. Es ist ja ein Angebot. Inwiefern ein Angebot angenommen wird, das weiß man immer erst hinterher. Ich habe aber den Eindruck, dass die Gespräche einen großen Wert hatten, weil ich die eine oder andere Frage besser verstanden habe und die Fans, die dort waren, vielleicht die Ernsthaftigkeit des Anliegens nachvollziehen konnten. Sie konnten Fragen stellen - die hoffentlich auch beantwortet wurden.
Haben Sie denn auch etwas gelernt in diesen vier Veranstaltungen?
Schreiber: Ich habe viel gelernt über die Ernsthaftigkeit der Fans. Ich sage immer, wenn ich beim ECG-Fantreffen in Köln bin: Das sind die Fans, von denen der ESC lebt. Das sind die Hardcore-Voter. Das sind diejenigen, die Stimmung machen in der Halle, die sich dann über die Fernsehbildschirme europaweit verbreitet. Der ESC ohne Fans ist nichts, die Fans sind nichts ohne den ESC. Möglicherweise habe ich noch mitgenommen, dass wir unser Europa-Panel Eurovisions-Panel nennen sollten - das war ein Vorschlag in Berlin. Ansonsten habe ich mitgenommen, was ich durch die Kommentare früher schon wusste: Wie sehr die Fans unter manchen Ergebnissen leiden.
Dass Sie eine Roadshow machen, um das Vorentscheid-Konzept vorzustellen, ist neu. Was war die Zielsetzung dabei?
Schreiber: Da gibt es mehrere. Die eine Zielsetzung war, die Roadshows nicht nur für die Fans zu machen. Ich habe aber bei den Fans angefangen. Ich war schon bei Plattenfirmen, ich mache die Veranstaltung bei Musikverlegern und bei ganz vielen anderen Stellen. Ich möchte schlicht und einfach erklären, was wir machen - auch um zu verdeutlichen: Das ist ein Neuanfang! Wir haben alles infrage gestellt und sozusagen alles auf den Kopf gestellt. Das habe ich zwar schon in der Pressemeldung gesagt, ob es jeder geglaubt hat, sei aber mal dahingestellt. Ich glaube, dass man in einem persönlichen Gespräch anders miteinander spricht. Ich habe eine Tonalität in Foren und Blogs gelesen, die mir nicht gefallen hat. Die mir nicht gefallen hat, weil sie gelegentlich eine "Selffulfilling Prophecy" enthielt: "Das ist alles scheiße!" Das habe ich auch gelesen, nachdem wir mit Lena in Oslo gewonnen haben. Da war auch so eine Erwartung: "Na ja, die Deutschen werden keinen ordentlichen ESC hinkriegen." Ich möchte aus dieser "Selffulfilling Prophecy" herauskommen.
Sie haben es bereits beschrieben: Viele waren nach den drei schlechten deutschen ESC-Ergebnissen frustriert. Wie zuversichtlich sind Sie, dass die Änderungen im Konzept wirken?
Schreiber: Sehr, weil wir relativ lange daran gearbeitet, viel Hirnschmalz investiert und ein paar kluge Köpfe an unserer Seite haben. Das ist das eine. Die Frustration vieler Fans verstehe ich. Mir ging es da nicht anders, ich durfte die Ergebnisse schließlich verkünden. Man muss dabei aber auch mal sehen, dass es ein paar Situationen gab, in denen wir Pech hatten. Wir hatten im deutschen Vorentscheid durchaus Kandidaten dabei, die international sehr gut hätten abschneiden können. Ich denke da an LaBrassBanda, ich denke an Laing oder an Andreas Kümmert. Teilweise hat das Publikum anders entschieden, teilweise hat ein Teilnehmer anders entschieden - obwohl er noch eine Woche zuvor der Überzeugung war, wenn er gewinnt nach Wien zu fahren. Also: Pech gehört auch dazu - und das will keiner. Aber die Situation für Ann Sophie in Wien war extrem schwierig, weil jeder Kommentator dieser Welt gesagt hat, was passiert ist - und dass sie sozusagen nicht die erste Wahl des Publikums war. Das ist keine leichte Startposition. Es gab ein paar Stellschrauben, an denen es in die eine Richtung gegangen ist. Es hätte aber sehr gut auch in die andere Richtung gehen können. Ich bin nach wie vor der Überzeugung: LaBrassBanda, Kümmert oder Laing hätten deutlich bessere Platzierungen geschafft.
Jetzt geht der Blick nach vorne. Wie sehen die nächsten Schritte aus?
Schreiber: Ende November werden die 100 Mitglieder des Europa-Panels in fünf deutschen Städten in Niederlassungen von Simon Kucher unter sehr identischen Bedingungen aus den Filmen der 200 Bewerber die 20 Teilnehmer auswählen, mit denen wir dann Mitte Dezember in ein Trainingslager gehen.
Werden die 20, die übrig bleiben, veröffentlicht?
Schreiber: Ja, zu einem späteren Zeitpunkt - also nicht während das Trainingslager läuft. Mit einem deutlichen Vorlauf zum deutschen Vorentscheid werden wir sie bekannt geben. Die Fans werden diese Menschen auch in Filmen kennenlernen.
Das Interview führte Thomas Mohr.