Schreiber: "Auswahlprozess wird internationaler"
Die Suche nach dem deutschen Kandidaten für den Eurovision Song Contest 2018 in Portugal hat begonnen. Das Konzept für den deutschen Vorentscheid wurde gründlich überarbeitet. Entscheidende Änderungen: Neben den TV-Zuschauern werden erstmals auch eine international besetzte Jury aus Experten sowie 100 Menschen, die über die sozialen Netzwerke gesucht werden, mitentscheiden, wer für Deutschland am 12. Mai im Finale in Lissabon auf der Bühne stehen wird. Thomas Schreiber, ARD Koordinator Unterhaltung und im NDR verantwortlich für den deutschen ESC-Beitrag, erklärt im Interview den Neustart des Vorentscheids und die Suche nach einem Kandidaten und dem Song, der Deutschland aus der schlechten ESC-Bilanz der letzten Jahre heraushelfen soll.
Was ist neu am deutschen Vorentscheid 2018?
Thomas Schreiber: Wir haben alles infrage gestellt, sozusagen vom Kopf auf die Füße, haben intensiv analysiert, uns Rat bei verschiedenen externen Partnern geholt und über mehrere Monate hinweg ein neues Verfahren entwickelt, mit dem wir Kandidaten und Songs suchen.
Ist dieser komplette Neustart eine Reaktion auf das schlechte Abschneiden der deutschen Beiträge in den vergangenen Jahren?
Schreiber: Ja.
Wer unterstützt Sie bei diesem Projekt?
Schreiber: Zuerst waren die Voting- und App-Experten von digame mobile, die im Auftrag der EBU seit 2004 das Voting beim ESC durchführen, an Bord. Wir haben mit digame mobile ja schon bei der Eurovision-App und bei anderen Projekten gearbeitet. Gemeinsam mit Simon-Kucher & Partners, die große Erfahrung mit komplexen Datenmodellen haben, wurde die Grundidee vorgestellt, die wir dann über einen längeren Zeitraum hin entwickelt und verfeinert haben.
Warum sind gerade diese Partner mit im Boot?
Schreiber: Weil beide in ihren jeweiligen Feldern Marktführer sind.
Neu ist auch die Einbindung eines 100-köpfigen Europa-Panels. Kann man sich für das Europa-Panel bewerben?
Schreiber: Dazu muss man einen mehrstufigen Auswahlprozess durchlaufen, mit dem unsere Partner Simon-Kucher & Partners in sozialen Netzwerken junge, musikaffine Menschen suchen.
Das neue Konzept klingt ziemlich kompliziert. Warum muss das so sein?
Schreiber: Das klingt nur so. Wichtig ist: Wir arbeiten auf einer wissenschaftlichen Grundlage. Wir binden das europäische Zuschauer-Urteil schon bei der Kandidatensuche ein. Wir bekommen durch erfahrene internationale Musikfachleute, die beim ESC in ihrer nationalen Jury dabei waren, eine klare Einschätzung - wir machen den Auswahlprozess internationaler und transparenter.
Was macht Sie so sicher, dass Deutschland im nächsten Jahr besser abschneidet?
Schreiber: Ich bin zuversichtlich.
Wie kann man sich bewerben?
Schreiber: Das geht ab sofort (bis zum 6. November 12 Uhr | Anm. d. Red.) online.
Welche Kandidaten suchen Sie - was sollten sie mitbringen?
Schreiber: Wir suchen kantige und wiedererkennbare Persönlichkeiten, die im Gedächtnis bleiben. Am wichtigsten aber ist: Sie müssen wirklich gut singen können.
Was sollen sie zur Bewerbung einreichen?
Schreiber: Uns reicht ein einfaches Video.
Können sich nur Einzelpersonen bewerben oder auch Bands?
Schreiber: Bis auf die EBU-Regel, dass maximal sechs Menschen auf die Bühne dürfen, gibt es keinerlei Einschränkungen.
Können sich auch Bands/Künstler mit einem Song bewerben, wenn dieser noch nicht veröffentlicht ist?
Schreiber: Selbstverständlich.
Nach Meinung vieler Fans lag der Misserfolg der letzten Jahre nicht an den Künstlern, sondern eher an den Songs. Ändert sich auch das Verfahren für die Songauswahl?
Schreiber: Das ändert sich deutlich. Natürlich wird es Teilnehmer geben, die ihre eigenen Songs haben und präsentieren wollen. Aber wir wollen mit den 20 besten arbeiten, ihre stimmlichen Fähigkeiten ausreizen, und wir wollen diese mit Komponisten und Produzenten zusammenbringen, um herauszukriegen, ob es noch bessere Lieder gibt. Der ganze Prozess wird dokumentiert und zu einem späteren Zeitpunkt gezeigt werden. Worauf kommt es an: Vielleicht können wir auf diesem Weg Künstler mit Kompositionen oder Produzenten zusammenbringen, zu denen sie vorher keinen Zugang hatten. Aber natürlich ist auch nicht ausgeschlossen, dass jemand mit dem für sie oder ihn perfekten Song schon dabei ist.
Haben Sie schon eine Idee, wie wirklich gute Songs gefunden werden können? "Perfect Life" aus diesem Jahr war ja offensichtlich nicht perfekt.
Schreiber: Wir sind bereits mit Musikverlagen, Produzenten, Komponisten im Gespräch. Mit meinem Team werden wir an verschiedenen Orten in Deutschland für unser Konzept werben - zum Beispiel am 10. November in der RadioEins-Lounge des rbb in Berlin. Richtig ist: Jetzt, nachdem wir das Verfahren öffentlich gemacht haben, können wir richtig loslegen - da liegt noch einige Arbeit vor uns.
Wichtig für den internationalen Erfolg beim ESC ist doch auch ein Erfolg in Deutschland. Wie wollen sie den deutschen Beitrag im eigenen Land pushen?
Schreiber: Das kann man nicht anordnen, das geht nur mit Überzeugungsarbeit: Das Team wird das neue Konzept bundesweit präsentieren, zuerst bei den Fans, parallel bei den Labels, wir sind mit Musikverlagen, Komponisten, Produzenten, den Radios im Gespräch.
Wann findet der deutsche Vorentscheid denn statt?
Schreiber: Den Sendetermin geben wir zu gegebener Zeit bekannt, derzeit sind wir mit verschiedenen Produzenten im Pitchverfahren.
Warum veröffentlichen Sie die Informationen häppchenweise?
Schreiber: Naja, das war ja jetzt ein großer Happen. Alles weitere dann, wenn es final entschieden ist. Das ganze Projekt Deutscher Vorentscheid ist zeitintensiv, sehr komplex und man muss mit vielen Partnern und Interessenten sprechen.