Jetzt geht es um die Wurst-Nachfolge
In der Hauptstadt der Sachertorte, des Schnitzels und der Kaffeehaus-Gemütlichkeit wird es heute Abend zwar nicht ungemütlich, aber ungewöhnlich zugehen. Dann wird in Wien der 60. Gewinner des Eurovision Song Contest gekürt. Im Finale des weltgrößten Musikwettbewerbs stellen sich 27 Länder zur Wahl. Das Teilnehmerfeld lässt sich durchaus als bunt gemischt bezeichnen: 18 Solokünstler, fünf Duos und vier Gruppen singen ab 21 Uhr in der Wiener Stadthalle um die begehrte Höchstwertung von zwölf Punkten. Mit vielen romantisch-dramatischen Balladen, aber auch mit klassischem Gesang und orientalischen Klängen treten sie gegeneinander an.
Ann Sophie - die glückliche Zweite
Auf viele Punkte hofft Deutschlands Kandidatin Ann Sophie, die mit dem Popsong "Black Smoke" startet. Eigentlich wurde die 24-Jährige beim deutschen Vorentscheid im März nur Zweite. Doch der Sieger Andreas Kümmert verzichtete auf das Ticket nach Wien, Ann Sophie rückte nach. Sie schrieb damit bereits vor dem Finale deutsche ESC-Geschichte. Kein einfacher Start für die Hamburgerin. Doch davon lässt sie sich nicht nachhaltig verunsichern. Für eine Nachwuchs-Sängerin tritt sie erstaunlich souverän auf und beweist immer wieder, dass sie unbedingt auf die große ESC-Bühne will.
Lucky Number 17 für Deutschland
Kurze Zeit sah es allerdings so aus, als könnte eine Erkältung der Finalteilnahme im Weg stehen. Ann Sophie musste in Wien wenige Tage vor der Show mehrere Termine absagen und sich ins Hotelbett legen. Doch der Schreckmoment ist überwunden, die deutsche Kandidatin wieder fit und bereit für das Finale. Der Statistik zufolge stimmen die Voraussetzungen für ihren großen Auftritt jedenfalls schon mal: In der Startreihenfolge steht sie an 17. Stelle - ein Platz, der in der Vergangenheit besonders viele ESC-Sieger hervorbrachte.
Länder mit Finalgarantie
Dass Ann Sophie direkt am Finale teilnehmen darf, ohne sich vorher in einem der beiden Halbfinals beweisen zu müssen, liegt daran, dass sie für einen der fünf größten Geldgeber des Wettbewerbs antritt. Die sogenannten Big Five Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien sind jedes Jahr für das Finale gesetzt. Ebenfalls Garantie auf einen Startplatz hat der Vorjahressieger - in diesem Fall das Gastgeberland Österreich, das 2014 mit der bärtigen Diva Conchita Wurst die ESC-Krone holte.
Ehrengast aus Down Under
Neben den Big Five und dem Gastgeber zieht diesmal ein Ehrengast direkt ins Finale ein. Anlässlich des 60. Jubiläums des Song Contest darf Australien erst- und einmalig an der ESC-Party teilnehmen. Auch wenn das Land bisher nie mitmachen durfte, wird die Show dort seit vielen Jahren übertragen. Die zahlreichen Song-Contest-Fans auf dem fünften Kontinent müssen in diesem Jahr also nicht wieder nur anderen Ländern die Daumen drücken, sondern können mit ihrem eigenen Kandidaten mitfiebern und dürfen selbst abstimmen.
Sollte der australische Sänger Guy Sebastian tatsächlich die Sensation schaffen und den Wettbewerb gewinnen, wird es im kommenden Jahr allerdings keinen kollektiven Ausflug nach Down Under geben. Der heimische Sender SBS wird den Song Contest in diesem speziellen Fall in einem europäischen Mitgliedsland der für den ESC verantwortlichen Europäischen Rundfunkunion mitausrichten. Australien dürfte dann ein zweites Mal teilnehmen. "Sollte Australien den Eurovision Song Contest 2015 gewinnen, wird der nächste Contest aus praktischen Gründen in Europa stattfinden, wie bereits angekündigt. In diesem Falle gäbe es zahlreiche europäische Sender, mit denen der australische Sender SBS kooperieren könnte. Einer unter etlichen anderen wäre der deutsche Sender NDR. Verhandlungen über die Zusammenarbeit mit einem Sender werden jedoch erst aufgenommen, wenn Australien den kommenden Contest gewinnt", sagte Dr. Frank-Dieter Freiling, Vorsitzender der EBU Reference Group, im Vorfeld.
Schweden bei den Buchmachern vorn
Bei den Buchmachern steht aber ein anderer ganz oben auf der Favoritenliste: Der Schwede Måns Zelmerlöw hätte demnach beste Chancen, den Satz "Sweden - twelve points" ganz oft zu hören. Ihm ist die Russin Polina Gagarina auf den Fersen, gefolgt von den drei italienischen Tenören Il Volo. Wer tatsächlich gewinnt, entscheidet sich selbstverständlich nicht in den Wettbüros, sondern auf der Bühne. 50 Prozent der Punkte vergeben die Jurys aus den teilnehmenden Ländern, die restlichen 50 Prozent verteilen die Zuschauer, die per Telefon, SMS oder Eurovision-App abstimmen können. Für das eigene Land anzurufen, ist nicht möglich.
Obwohl als Komponisten-Wettbewerb gegründet, geht es beim Eurovision Song Contest längst nicht mehr nur um Musik. Der ESC ist auch eine Fundgrube der verrücktesten Kostüme und Frisuren sowie der schrägsten Persönlichkeiten. Es gibt keinen Beitrag, der zu abgefahren sein könnte, um es nicht ganz nach vorne zu schaffen.
Brennende Klaviere und Bühnen-Küsse
Auch die diesjährigen Kandidaten bemühen sich um Alleinstellungsmerkmale. Einige von ihnen sind allerdings bereits an der Halbfinal-Hürde gescheitert. Insgesamt schafften 13 Länder den Einzug ins Finale nicht - darunter der moldauische Kandidat, den knapp bekleidete Tänzer in Polizisten-Kostümen flankierten, sowie eine finnische Punkband, die den kürzesten ESC-Song aller Zeiten grölte. Und auch im Finale sind besondere Bühnenmomente zu erwarten. Dazu zählt ein knutschendes litauisches Duo ebenso wie eine slowenische Sängerin, die während ihres kompletten Auftritts Kopfhörer trägt, und eine österreichische Männerband, bei deren Auftritt ein Klavier in Flammen aufgeht. Langweilig wird es im Finale des 60. Eurovision Song Contest also auf keinen Fall.