Stand: 13.02.2015 10:54 Uhr

Fragwürdiger Beitrag aus Armenien

Man kann es sehr günstig interpretieren: Armenien meint es doch nur gut. Das Land im Kaukasus will doch nur mit seinem diesjährigen Beitrag "Don't Deny" die - und sei es die eurovisionäre - Welt über eine historische Tragödie aufklären: dass Armenier zu Beginn des vorigen Jahrhunderts Opfer mörderischer Verfolgung durch die Türkei wurden. Wie es im Netz über das Lied für Wien heißt: Es stehe für Frieden, Toleranz und Einheit, die Einheit der Armenier in aller Welt nämlich.

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Der armenisch-französische Sänger Essaï Altounian, Mitglied der armenischen ESC-Teilnehmer Genealogy 2015 © Public Television of Armenia

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In dieser Explizitheit ESC-Lieder politisch zu färben ist aber verboten. Es klingt hässlich und kleinlich, wenn ich schreibe, dass das Politische beim ESC aus für mich verständlichen Gründen mindestens diskret gehalten werden sollte. Klar, der ESC war in seiner ganzen Geschichte immer auch ein politisches Barometer, ein europäisches Zeitgeistthermometer. In den siebziger Jahren wollten Türken und Griechen miteinander nicht bei einem ESC auftreten - und wichen einander aus, ehe es doch gehen konnte: 1975 zog Athen die ESC-Anmeldung zurück, als der Nachbar Türkei debütieren wollte. 1978 waren schließlich beide Länder dabei - und hielten sich aus.

Türkei bleibt aus ideologischen Gründen fern

Aber wenn man schon bei einem Land wie der Türkei ist: 1976 kam es zum ESC deshalb nicht, weil Griechenland mit Mariza Koch ein Lied darbieten wollte, das den Krieg auf Zypern - zwischen griechisch-zypriotischen und türkisch-zypriotischen Truppen - im Sinne der griechischen Mehrheit auf der Insel thematisierte. Die Türkei verzichtet aus ideologischen Gründen seit drei Jahren auf den ESC. Nicht weil man erfolglos ist, sondern weil der Sender TRT den extrem konservativen Kurs der Regierung Erdogan mitträgt und etwa sich an Freizügigkeiten (schwule, lesbische etwa) stört.

Mariza Koch1976 beim Grand Prix
Der Auftritt der Griechin Mariza Koch 1976 war für die Türkei Grund genug, nicht teilzunehmen.

Immerhin: Diplomatische Mühen der European Broadcasting Union bei Reisen in die Türkei führten nun dazu, dass es offenbar bei TRT ein Umdenken gibt (man weiß es nicht ganz genau), aber soweit man hörte, will der türkische Sender das Finale von Wien live ausstrahlen. Das wird natürlich sofort unmöglich, wenn der armenische Beitrag dort zu sehen und zu hören sein wird, denn die armenische Tragödie hat ja zentral mit den, aus der Perspektive Eriwans, Auffassungen in der Türkei zu tun.

Nebenbei: Die Türkei hat 1979 nicht teilgenommen, weil der ESC in Israel ausgetragen wurde. Politisch war der ESC also immer.

Allein der Contest 2012 in Baku hat zu heftiger Kritik an der dortigen Menschenrechtslage geführt. Und 1969 in Madrid wollte Österreich nicht mitmachen, weil es das rechtsdiktatorische Franco-Regime Spaniens ablehnte.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 23.05.2015 | 21:00 Uhr

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