Stand: 24.05.2015 03:00 Uhr

Kommentar: Mutige Ann Sophie, stolzer Måns

Vielleicht hatte Ann Sophie schon am Ende der Vorentscheidung von Hannover im März international verloren. Der Umstand, dass sie das Ticket nach Wien nur als zweite Siegerin hinter Andreas Kümmert erhielt, war ein Umstand, der in Wien nicht außen vor blieb. Kein Kommentator ließ unerwähnt, dass sie mit "Black Smoke" nicht das deutsche Publikum in einem Sinne wie Lena oder Roman Lob hinter sich hat. Die bittere Ernte musste sie nun einfahren: null Punkte nach 39 Wertungen.

Letzter Platz, das gab es zuletzt 2005 durch Gracia. Null Punkte, das war das letzte Mal für das deutsche Publikum - allerdings auf Basis eines anderen Wertungsmodus - 1965 zu verkraften: Das war Ulla Wiesner mit dem Titel "Paradies, wo bist Du?". Aber das sind Zahlenspielereien. Meiner Ansicht nach hat die Hamburgerin so gut wie keine deutsche Chanteuse seit 1976 gesungen, Joy Fleming allerdings erlitt in Stockholm damals auch Schiffbruch.

Kein Mitleid, nur Bedauern

Sie ist nicht zu bemitleiden, aber zu bedauern. Ernsthaft: Joy Fleming erntete nach ihrem damaligen Debakel eine Solidaritätswelle in Deutschland - eine Art Mitgefühl, von dem sie als Sängerin bis heute profitiert. Ann Sophie ist enttäuscht, das ist verständlich. Sie ist in einem seltsamen deutschen ESC-Jahr gern nach Wien gefahren. Sie wusste um das Risiko, nicht gut abzuschneiden. Umso mutiger, dass sie diese Chance nutzen wollte.

Der Rest war ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Eine der Hauptfiguren: Polina Gagarina. Sie gab wirklich alles. Sie war nervös. Sie wusste wohl, dass sie zu den Favoritinnen dieses ESC zählt. Ihre Performance von "A Million Voices" trug Polina Gagarin zu vielen Zwölf-Punkte-Wertungen. Aber sie fand ihren Meister in der Konkurrenz: Es der Schwede Måns Zelmerlöw, der schlicht und ergreifend größere Sympathiewerte erzielte. Und, im Gegensatz zu seiner Rivalin, von allen Punkte erhielt, von denen er es erwarten durfte. Polina Gagarina hingegen bekam nichts aus Litauen und San Marino. In Moskau wird als unangenehme Überraschung registriert werden, dass es aus Vilnius nichts gab.

Der Schwede erhält überall viele Punkte

Dabei war Måns Zelmerlöw nicht einmal bei seinem Vortrag von "Heroes" im Finale besonders gut. Im zweiten Semifinale saß die Choreografie besser: Hinter ihm nämlich stand eine Plexiglaswand, die die Animationen mit dem kleinen Männchen spiegelte. Hin und wieder wirkte er gehetzt, sein Gesang war manchmal etwas hinterher. Aber was zählt das schon, wenn nur der flüchtige Eindruck wirklich zählt? Der Schwede erhielt überall viele Punkte.

Weitere Informationen
Måns Zelmerlöw freut sich über den Sieg. © NDR Foto: Rolf Klatt

Måns Zelmerlöw: Er kam, sah und siegte

Måns Zelmerlöw galt von Anfang an als Favorit und erfüllte die Hoffnung der Fans. Mit dem Gute-Laune-Song "Heroes" geht er als schwedischer Held in die ESC-Geschichte ein. mehr

Deutschland wollte Polina

Die meisten erhielt er jedoch nicht aus Deutschland, wo Polina Gagarina die zwölf Punkte einfuhr. Deutschland, das Land, das als alte Bundesrepublik sich über das Lied "Ein bisschen Frieden" als eines der Pflugscharen, nicht Schwerter bekannte, mochte offenbar den verzweifelten Friedensappell der Russin mehr als jedes andere Lied.

Schweden hat mit diesem Sieg der ESC-Community den Dienst erwiesen, im kommenden Jahr nicht nach Sankt Petersburg oder Sotschi zu müssen. Måns Zelmerlöv hat aus jedem Land mindestens vier Punkte erhalten, zwölf Mal zwölf Punkte, elf Mal zehn und acht Punkte sieben Mal. Schweden ist inzwischen das Land, das in der ewigen ESC-Tabelle auf Platz zwei hinter Irland rückte. Måns Zelmerlöw muss sich als ein Sieger der Herzen erst noch erweisen. Die Erbschaft der Conchita wird schwer auf ihm lasten.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 23.05.2015 | 21:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Schweden

Russland

2015

Deutschland