Stand: 09.05.2011 15:22 Uhr

Marty Brem: "Es war ein Déjà vu"

von Patricia Batlle

Er kannte den Designer Helmut Lang, lange, bevor dieser berühmt wurde und trug ein Lang-Sakko auf der ESC-Bühne. Im Interview mit eurovision.de wundert sich der Österreicher Marty Brem, wie gut den Grand-Prix-Fans seine ESC-Auftritte noch kennen.

eurovision.de: Sie haben zweimal am Eurovision Song Contest teilgenommen, 1980 und 1981. Wie kam der Act von 1980 zustande?

Brem: Das war Blue Danube, eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von drei Jungs und zwei Mädels. Die Idee war, lange vor den Casting-Formaten den idealen ESC-Act auf dem Reissbrett zu kreiern. Sowohl visuell, als auch mit Komposition und Text. Ein Spezialist für Werbemusiken wurde beauftragt, populäre Begriffe aus der Musikwelt aneinanderzureihen, Komponistennamen und Fachbegriffe aus der Kompositionslehre, die trotz der damals als eindeutiges Manko erlebten Pflicht, in Deutsch zu singen, international auf Resonanz stoßen würden. Der achte Platz mit "Du bist Musik" hat das Konzept für das damals immer eher schlecht abschneidende Österreich dann ja auch ein wenig bestätigt.

eurovision.de: Dann kam Ihre zweite Erfahrung als Solokünstler ...

Brem: Das war in Dublin. Damals hatte man sich immer sehr am Gewinner des Vorjahres orientiert und so war der schüchtern-verträumt dreinschauende Balladensänger das Konzept der Stunde. Die Juroren der nationalen Vorausscheidung sahen in mir wahrscheinlich eine Art zweiten Johnny Logan. Dann wurde in einer nationalen Ausschreibung der Song für mich gesucht, bis nach einem komplizierten Auswahlverfahren "Wenn du da bist" feststand.

eurovision.de: Haben Sie sich selbst als Jonny Logan Wiedergänger gesehen?

Brem: Na ja, ich konnte gut herzerfrischend treu in die Kamera gucken, hatte auch so schöne Locken und war damals eher ein sympathisches unschuldiges Kerlchen von 21 Lenzen. Was mich allerdings dramatisch von Johnny unterschied, war die Größe. Der ist ungefähr dreimal so groß wie ich..

eurovision.de: Dann ist alles nicht so toll verlaufen …

Brem: Es ist insofern nicht so gut gelaufen, weil der ganze Prozess mir aus der Hand genommen war ich aber auch nicht in der Lage gewesen wäre, als 21-Jähriger mit dieser Lebensweisheit ausgestattet zu sein, das auch richtig zu entscheiden. Und in der Nachbetrachtung ist es schon, das Beste, was mir hätte passieren können. Sonst hätte ich den Wake-Up-Call nie gehört. Das war die Lektion in Demut, um mit Thomas D zu sprechen. Drittvorletzter, alle Träume zerplatzt, Häme überall.

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Marty Brem, zweifacher Vertreter Österreichs, beim Clubtreffen der OGAE Deutschland in München © NDR Foto: Patricia Batlle

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eurovision.de: War es eine gewisse Wut aufs Establishment, dass Sie den Sänger Thomas Anders in Ihrer Zeit als Musikredakteur mit unschönen Attributen versehen haben?

Brem: Ich hatte ihn eine "höhensonnengegerbte Sangesschwuchtel" genannt. Ich hatte ja als Redakteur die ersten drei Seiten des Musikexpress/Sounds, dem Zentralorgan der deutschen Popmusikkritik zu füllen, die Sektion "News" war für ihre ironischen, zynischen Kommentare berühmt-berüchtigt. Da herrschte immer ein eher despektierlicher Ton. Als Modern Talking über Deutschland hereinbrach, musste Thomas Anders in der vermeintlich seriösen Popmusikpresse auch dran glauben und hat viel Häme auf sich gezogen. Er hat aber auch eine große Angriffsfläche dafür geboten. Thomas hat nach meiner Äußerung den Verlag auf Schmerzensgeld verklagt. Da hat er in der ersten Instanz nicht recht bekommen, vor der zweiten Verhandlung haben wir uns dann verglichen und 10.000 Euro an bedürftige Kinder gespendet. Danach haben wir uns noch einmal getroffen. Thomas Anders wurde live bei der Sendung "Schreinemakers" interviewt und dann wurde ich als Überraschungsgast dazu gebeten. Das war ganz lustig und völlig entspannt und ich habe auch später noch einen versöhnlichen Artikel im Musikexpress über ihn geschrieben. Der Mann ist ja ein Profi.

Bizarre Show mit Leoparden auf der Bühne

eurovision.de: Was hatte die "Marty Brem Show" vom ORF eigentlich mit dem ESC zu tun, bei der Sie moderiert und gesungen haben?

Brem: Das war ein massiver Teil des Desasters. Denn die Show war nichts anderes als die acht unbekannten Finalsongs der Ausscheidung, die ins Finale gekommen und mit großem Aufwand produziert worden sind. Man hat eine Fernsehshow gemacht mit einem eher merkwürdigen Humor, den ich selber nicht mal verstanden habe. Aber es gibt mittlerweile, das hat mich echt verblüfft, als ich beim OGAE-Treffen in München war, einen richtigen DVD-Handel mit dieser Show. Weil die Show so neben der Spur war, dass das heute wahrscheinlich sogar für besonders innovativ durchgeht. Ich stand da mit spärlich bekleideten Rollergirls oder echten Leoparden auf der Bühne und habe merkwürdige Witze über Dean Martin gemacht. Damals wurde diese bizarre Show überhaupt nicht verstanden. Und stand auch heftig in der Kritik - weil das Werk vier Millionen Schilling gekostet hat.

eurovision.de: Modemäßig waren diese Jahre sehr prägnant. Blue Danube hatte einen Designer, der später Weltruhm erlangte. Was haben Sie mit Ihrem Outfit gemacht?

Brem: In Den Haag 1980 sind wir mit Anzügen aufgetreten, die Helmut Lang geschneidert hat. Damals war er noch ganz am Anfang seiner Karriere. Es hat geheißen, wir sollten zu diesem "Boubou" zur Anprobe gehen, so lautete sein Spitzname, in der Singerstrasse im 1. Wiener Gemeindebezirk. Da hatte der etwas schüchterne junge Mann ein kleines Atelier und zwei Jahre später war er der große Helmut Lang: Paris, die großen Shows, der innovativste Designer der Achtzigerjahre. Den Anzug hätte ich mir gerne geholt, aber der ORF Fundus wollte soviel Geld dafür haben, dass das gute maßgeschneiderte Stück noch immer dort im Fundus hängt, wenn die Motten sich nicht zwischenzeitlich daran verlustiert haben.

Porträt
Marty Brem, zweifacher Vertreter Österreichs, beim Clubtreffen der OGAE Deutschland in München © NDR Foto: Patricia Batlle

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eurovision.de: Wie war es erstmals wieder Ihren Song von 1981 zu spielen?

Brem: Ich habe 30 Jahre "Wenn Du da bist" nicht gesungen. Weil das für mich auch abgeschlossen und weit, weit weg war. Insofern war das für mich schon eine große Erfahrung, zum OGAE zu kommen und zu merken, plötzlich stehen da Menschen, die mit deinen Schallplattencovern aus den Siebzigern ein Autogramm haben wollen. Ich war wirklich gerührt! Und es hat auch dazu beigetragen, dass ich mit der Geschichte mich endlich habe final versöhnen können. Ein großes Danke an alle, die das möglich gemacht haben.

eurovision.de: Verfolgen Sie überhaupt den Song Contest?

Brem: Nicht wirklich. Ich habe natürlich Lena mitbekommen, auch weil ich Stefan Raab schon seit seinen frühen musikalischen Gehversuchen verfolge. Der ganze Hype drum herum hat mich schon interessiert. Der Song Contest ist mittlerweile in erster Linie Event-TV. Da geht es nicht mehr primär um Musik, sondern um das emotionale Ereignis. Das ist bei Lena extrem gut geglückt. Aber musikalisch ist das alles meine Sache nicht. Und Fernsehen schaue ich eigentlich auch keins mehr.

eurovision.de: Wie meinen Sie, schneidet Österreich ab? Nadine Beiler bereits wird sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet, den Song hat der ehemalige Falco-Bandleader Thomas Rabitschgeschrieben.

Brem: Ach, der Rabitsch (lacht)! Ja, klingt doch wunderbar. Thomas ist ein grossartiger und erfahrener Musiker. Der weiß, was er da zu tun hat.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 04.04.1981 | 21:00 Uhr

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