Eurovision ist ein Lifestyle - kein Hobby
Jedes Jahr lädt die OGAE (Organisation générale des amateurs de l’Eurovision) zu einer großen Party in München ein. Wer dort auftritt, wird vom Publikum stark gefordert. Das stellten am Sonnabend vier Grand Prix Promis aus Irland, Italien, Österreich und Großbritannien fest, darunter die ESC-Gewinnerin von 1993: Niamh Kavanagh.
Einfach nur vorbeischauen, seinen Standard abspulen und wieder verschwinden: Auf diese Idee würde keiner der Künstler kommen, der beim jährlichen Treffen der OGAE Deutschland auf die Bühne geholt wird. Zu genau weiß das kundige Publikum, was es von seinen prominenten Gästen fordern kann - und tut das recht unverblümt. So auch am vergangenen Sonntag im rustikalen Wirtshaus Isartal in München.
Marty Brem, verkappter Kabarettist
"Wie genau lief das 1981 beim Vorentscheid des ORF?" fragte ein Zwischenrufer den zweifachen Vertreter Österreichs, Marty Brem, mitten im Konzert. Der ehemalige Musiker, der mittlerweile in Berlin als Consultant für die Werbebranche arbeitet, konterte mit süffisanten Anekdoten und einem variablem Programm von den Beatles bis zum Grand Prix unplugged, begleitet auf seiner Gitarre. An ihm ist wahrlich ein Kabarettist verloren gegangen. Für viele Lacher sorgte ebenfalls ein Einspieler mit ORF-Archivaufnahmen von 1981, auf denen ein blutjunger Brem in einer eigenen TV-Show zu sehen war, die an Skurrilität nicht zu überbieten war.
Niam Kavanagh: "Winning is overrated"
Kontrastreich dazu war etwa der Auftritt des jüngsten Gastes, des 20-jährigen Briten Josh Dubovie, der in Begleitung seiner Eltern nach München reiste. Dubovie bewies mit beschwingtem Michael-Bublé-Repertoire, 2010 unverdient letzter geworden zu sein. Zuvor hatte die unumstrittene Diva des Abends, die Irin Niamh Kavanagh und einzige ESC-Siegerin unter den Gästen, selbstironisch gefrotzelt, "winning is overrated" (deutsch: das Siegen wird überbewertet) und spielte damit auf ihr schlechtes Vorjahresergebnis in Oslo an. Dubovie sollte später den Ball zurückspielen: "Losing is overrated!" Kavanagh brachte die Fans mit einem Grand-Prix-Potpourri zum Kochen und sang mit Dubovie im Duett den Titel "Fairytale" als Höhepunkt des Abends.
Clubpräsident Woryna dankt dem NDR
Aus halb Europa waren Mitglieder der OGAE der Einladung des deutschen Club-Präsidenten Klaus Woryna gefolgt, um das jährliche Clubtreffen zu feiern. "Hier sind Fans aus Malta, Schweden, Finnland, Irland, aber auch aus Frankreich, Österreich, der Schweiz und natürlich aus Deutschland", so Woryna, der seit sieben Jahren im Amt ist. Er freut sich besonders darüber, dass ein Traum in Erfüllung gegangen ist: "Endlich findet der Grand Prix wieder in Deutschland statt". Er dankte besonders dem NDR, der dafür gesorgt hat, dass die OGAE-Clubmitglieder ein gesondertes Kontingent an Karten fürs Finale erhalten haben, denn: "Der NDR weiß ganz genau, was er an den OGAE-Fans hat".
Lena wird gut abschneiden
Die etwa 200 anwesenden Gäste fachsimpelten darüber, wie viele Male man schon live beim ESC-Finale und ob man zudem akkreditiert war, oder wie die bereits feststehenden Beiträge für 2011 ausfallen - Rumänien kam dabei übrigens gut weg. Auch über Italiens Rückkehr zum Wettbewerb freute man sich und diskutierte über Lenas Chancen auf einen Sieg in Düsseldorf - wenn auch mit sehr geteilter Meinung: "Ganz ehrlich, ich glaube, sie kommt nicht einmal unter die ersten zehn", schätzte Maiken Mäemet aus Helsinki als ehemalige Club-Vorsitzende Finnlands die Chancen der deutschen Interpretin ein. Ihr Kollege von OGAE Frankreich Matthieu Krone sieht das anders: "Lena hat das 2010 ganz toll gemacht und wird dieses Jahr gut abschneiden. Mindestens Top-5." Am häufigsten fiel auf Nachfrage jedoch der Satz: "Alles ist möglich".
Rückkehr von Jalisse zum ESC?
Möglich ist ebenfalls, dass das Duo Jalisse, der vierten Star-Gast des Abends und bis dato letzten Teilnehmer für Italien von 1997, dieses Jahr erneut sein Glück versuchen möchte: "Wir wollen uns bei der RAI bewerben", sagte der Sänger Fabio Ricci im Gespräch mit eurovision.de. "Falls das nicht klappt, werden wir uns an andere Länder wenden", ergänzte die Sängerin Alessandra Drusian, die mit Ricci verheiratet ist.
Nach dem Konzert unterhielten sich die Künstler stundenlang mit den Fans, verteilten Autogramme und tanzten bis spät in die Nacht. Denn wer zu so einem Treffen geht, lebt ein Stück weit für den Eurovision Song Contest. "Die Eurovision ist für uns ein Lebensstil, nicht nur ein Hobby", brachte es der französische OGAE-Präsident Krone auf den Punkt. Und freut sich auf ein Wiedersehen beim Grand Prix Finale in Düsseldorf.