Polen feiert 30-jähriges ESC-Jubiläum
1994 nahm Polen zum ersten Mal am Eurovision Song Contest teil. Direkt beim Debüt feierte das Land seinen größten Erfolg. Danach kamen nur noch zwei Top-10-Platzierungen zustande. Ein Blick auf 30 Jahre Polen beim ESC.
Seit 1994 tritt das Land an der Ostsee nun schon beim Eurovision Song Contest an. Doch man tut der osteuropäischen Nation Unrecht, wenn man die Teilnahme Polens bei Musikwettbewerben nur auf die letzten 30 Jahre beschränkt. Schon vorher trat die ehemalige Volksrepublik Polen beim Song Contest auf.
Von Sopot und Intervision zum ESC
Nur eben zunächst als Veranstalter des Internationalen Musikfestivals der polnischen Küstenstadt Sopot, welches 1961 durch Władysław Szpilman (dessen Geschichte durch Roman Polańskis Film "Der Pianist" internationale Bekanntheit erlangte) ins Leben gerufen wurde. Von 1977 bis 1980 erhielt das "Międzynarodowy Festiwal Piosenki" dann einen neuen Anstrich und sollte als "Intervision Song Contest" direkte Konkurrenz zum ESC sein. Die Intervision war das sozialistische Pendant zur Eurovision: ein Zusammenschluss der damals sowjetisierten Länder und ihren Rundfunkanstalten.
Nur vier Mal fand der Liederwettbewerb der Intervision statt und 1979 gewann Polen sogar die dritte Edition mit Czesław Niemens Lied "Nim przyjdzie wiosna" ("Bevor der Frühling kommt"). Nach dem Zerfall der Sowjetunion löste sich die Intervision auf und die beteiligten Länder schlossen sich der European Broadcasting Union (EBU), der europäischen Rundfunkunion, an. Das Sopot Festival hingegen findet übrigens auch heutzutage noch statt. Mittlerweile treten aber fast ausschließlich polnisch-sprachige Künstler auf.
Erfolg und Kontroverse bei erster ESC-Teilnahme
Bei der ersten ESC-Teilnahme 1994 feierte Polen dann direkt seinen bis zum jetzigen Zeitpunkt größten Erfolg: Edyta Górniak landete mit "To nie ja" auf dem zweiten Platz. Beinahe wäre es aber gar nicht erst so weit gekommen: Górniak sang bei der Generalprobe am Nachmittag, welche auch die Juroren als erste Hörprobe nutzten, ihr Lied auf Englisch. Das war den Regeln nach aber verboten. Bis 1998 mussten "wesentliche Teile" des Songs laut EBU-Statuten noch in der jeweiligen Landessprache gesungen werden. Sechs Länder forderten daraufhin den Ausschluss der Polin. 13 Stimmen wären aber für eine Disqualifikation notwendig gewesen.
Kein Erfolg auf Dauer
Doch spätere Beiträge Polens konnten nicht an den Erfolg beim Debüt anknüpfen. Das Jahr darauf wurde Justyna Steczkowkas Beitrag "Sama" 18. 1996 landete das Land auf dem 15. Platz. Nach den weiteren Rängen 11, 17 und 18 musste Polen 1999 sogar aufgrund der Halbfinal-Regelung zum ersten Mal aussetzen. Erst nach weiteren vier Jahren erzielte die Band Ich Troje mit dem siebten Platz für den Song "Keine Grenzen" einen weiteren Erfolg für unseren Nachbarn. Sowohl dieses Lied, als auch der Debüt-Song "To nie ja" sind bis zu diesem Zeitpunkt die einzigen Songs, die es unter die Top 10 geschafft haben.
Die Sache mit dem Butterfass
Der ESC ist zum Glück mehr als nur die Frage nach Erfolg oder Misserfolg. Es gibt genügend Beiträge, Momente und Inszenierungen, die sich ganz unabhängig von der abschließenden Platzierung ins kollektive Gedächtnis der Zuschauer eingebrannt haben. Polens Beitrag von 2014 ist einer davon. Googelt man "Polen ESC" ist einer der ersten Vorschläge "Polen ESC Butterfass". Da war doch was.
Vor zehn Jahren räkelten sich in traditionellen und tiefdekolletierten Trachten nur knapp angezogene Polinnen zum Beitrag von Donatan & Cleo: "My Słowianie - We Are Slavic" - und stampften recht zweideutig im Butterfass. Bei den Zuschauern kam das gut an: Sie sahen die Polinnen und ihr Butterfass auf dem fünften Platz. Sex sells. Die Jurys hingegen fanden kaum Gefallen an dem auffällig inszenierten Beitrag und sahen Polen auf Platz 23 von 26 teilnehmenden Ländern.
Ignoriert von der Jury - Geliebt vom Publikum
Es war nicht das erste Mal, dass Zuschauer und Jurys eine gänzlich unterschiedliche Meinung über Polens Beitrag hatten. 2014 wurde erst im Nachgang klar, wie oft die Fans für "My Słowianie" anriefen - der 14. Platz ließ das zunächst nicht vermuten. Das damalige Votingsystem zeigte bei der Punktevergabe noch nicht klar auf, wie viele Punkte jeweils von Zuschauern oder Jury kamen, sondern addierte die Punkte direkt zusammen.
2016 wurde es hingegen offensichtlich - und überraschend. Zunächst wurden die internationalen Jurypunkte verteilt und Polen dabei sträflich vernachlässigt. Lediglich sieben magere Punkte erhielt Michał Szpak für "Color Of Your Life". Vor der Vergabe der Publikumsstimmen lag er damit nur auf dem vorletzten Rang. Nachdem fast alle Länder ihre Punkte in aufsteigender Reihenfolge bekamen, erhielt Szpak erst als Drittletzter die Publikumsstimmen. Die Zuschauer sahen ihn mit 222 vergebenen Punkten auf Platz drei. Seit dem veränderten Votingsystem von 2016 gab es keine größere Diskrepanz mehr zwischen Jury und Publikum. Ganze 22 Plätze lagen dazwischen. Am Ende lag Szpak dann auf dem achten Platz.
Mal subtil, mal offensichtlich
Auch 2023 nahmen Jury und Publikum Blankas Song "Solo" gänzlich unterschiedlich auf. Die Jurys sahen den Beitrag auf Platz 24, das Publikum auf Platz 8, gelandet ist sie schließlich auf Platz 19. Es scheint, als ob Polens Beiträge auf eine subtile Art und Weise polarisieren würden. Ausgenommen von der Butterfass-Darbietung, die definitiv polarisierte - und auch heute noch, ob man will oder nicht, einen nicht unerheblichen Teil von Polens ESC-Geschichte ausmacht.