Lampenfieber haben alle
Die für das Finale gesetzten Länder, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Dänemark, Italien und Spanien, haben den zweiten Probendurchlauf hinter sich. Hier geht es nur noch um Feinabstimmung, um Kostüme, Bühnenpositionen, Laufwege, Kameraschwenks, Soundchecks und Atmosphären.
Die große ESC-Bühne: Ein erster Schock für alle
Atmosphären? Alle Künstler, auch die der Big Five und Basim aus Dänemark, mussten den gleichen Schock durchleben, den alle Halbfinalkandidaten zu verdauen hatten: Wie überlebt man es, auf einer Bühne zu performen, die für alle 37 ESC-Acts größer ist als das, was sie bisher als Plattform kannten? Gucken sie nach oben, können sie nicht einmal die Decke erkennen. Es ist ein Unterschied, ob man in einem Studio vor handverlesenem Publikum Beifall einheimst oder in einer Halle antritt, deren Publikum natürlich nicht buhen würde, aber doch wählerisch genug ist, nicht allen Entertainern Beifall in gleicher Lautstärke zu zollen.
Elaiza: Gute Performance, schlechte Kameraführung
Das Trio vonElaiza machte am Dienstag den Auftakt. Die drei kamen im fertig aufgebrezelten Kostüm und mit akkuratem Make-up, gingen auf die Bühne, wurden kurz in die letzten Regiepläne eingeweiht und legten los. Klappte schon alles ganz gut, etwas besser sogar als am Sonntag bei derersten Probe. Nachbesserungsbedarf gibt es freilich bei der Kameraführung, so der Eindruck von Beobachtern im Pressebereich der Halle: Warum läuft nicht ein Kameramensch mit Steady-Cam die drei Minuten von "Is It Right?" um sie herum? Weshalb sieht man so viele Totaleinstellungen der Halle? Nein, das war noch nicht so recht right, sondern eher wrong. Allen Details zum Trotz: Ela, Nathalie und Yvonne waren auch bei der Pressekonferenz in einladend guter Laune.
Molly Smitten-Downes: UK at its best
Molly Smitten-Downes scheint ihrer Aufgabe gewachsen. Ihr "Power To The People", entscheidender Appell in ihrem Lied "Children Of The Universe", bellt sie sauber und verständlich hinaus. Ein Gedicht, typisch UK, ist mal wieder dieser sensationelle Chor: Jeder Ton eine präzise Setzung von Effekten, nichts ist ungenau oder wabert - alles sitzt. Die junge Nachwuchssängerin, die inzwischen einen Vertrag mit einer Plattenfirma hat, war gut in Form. Hoffentlich wird sie ihre Form noch weiter verbessern können.
Twin Twin: Die frankophone Version von Studio Braun
Die französische Équipe der Twin Twin fräst sich immer stärker ins Ohr der ESC-Community von Kopenhagen: Möglicherweise, was auch bei den Proben zu hören war, empfehlen sie sich schon durch die prinzipiell ironisch-gute Laune, die ihr Lied "Moustache" verströmt. Frankreichs Act sieht bei der zweiten Probe noch mehr denn je wie eine frankophone Version des deutschen Kulturprojekts "Studio Braun" aus - schöner, plärrender und lustiger Pop in bester Laune.
Basim: Noch viel Luft nach oben
Der Däne Basim hatte am Dienstag vielleicht am stärksten zu kämpfen. Unentwegt wurden die fünf Tänzer und Tänzerinnen neu positioniert - und sei es nur um Zentimeter. Die Stimme des Sängers wirkte leicht fahrig - aber insgesamt ist sein "Cliché Love Song" selbst in einer noch unfertigen, ja verbesserungswürdigen Fassung noch ein Hallenkracher: Er weiß ja, dass er am Samstag an 23. Stelle auftritt. Wenn bis dahin die Sache eher schläfrig gewesen sein sollte - Basim ließ bei der Pressekonferenz keinen Zweifel daran, dass er schon für einen Wake-up-Call sorgen wird.
Emma Marrone: Gestandene Sängerin im Göttinnen-Gewand
Emma Marrone aus Italien hat am Dienstag schließlich gezeigt, was eine gestandene San-Remo-Gewinnerin so kann. Im wahren Leben sieht sie eigentlich - was positiv zu verstehen ist - aus wie eine charmante, energische Freundin, mit der man gern eine Pizza essen geht. Hier in Kopenhagen, bei der letzten Probe vor den Generaldurchgängen, trägt sie eine Art Goldbrokatfummel, der sie wie eine römische Göttin wirken lässt. Sie hat sich die Haare sehr, sehr schön machen lassen und trägt in ihnen einen güldenen Lorbeerkranz. Ihr Rock-Song bekam durch dieses Outfit unbedingt weiteren Schwung. Frau Marrone, deutschem Publikum schon von der Vorentscheidung im März aus Köln bekannt, hat ihre Aufgabe ziemlich gut im Griff gehabt. Selbst ihre Stöckelei auf Schuhen, die den Damen aus "Sex And The City" Neidgefühle beschert hätte, gelang meisterinnenhaft.
Ruth Lorenzo: Stabile Stimme und wüste Haarpracht
Und schließlich die Spanierin Ruth Lorenzo. Ihr "Dancing In The Rain" trägt sie in einem Meerjungfrauenkleid vor - und sind die ersten Takte angeklungen, hört es sich an wie irgendeine spanische Pomphymne: sehr Eighties. Beobachter im Pressegraben vor der Bühne begannen sich nach 30 Sekunden um das Hairstyling der Interpretin zu sorgen: Soll dieses ungekämmte Halbgewuschel schon die Festfrisur sein? Einer sagte: "Ach, was macht eigentlich Pastora Soler?" Die Stimme der Lorenzo, musicalerprobt, ist aber ausgereift und offenbar dauerbelastbar. Sie wird mit stabil gutem Gewissen in die Generalproben gehen können. Gute Auftritte, von einigen Details in dekorativer Hinsicht einmal abgesehen.