Konzertbesuch: Céline Dion in Las Vegas
Es gibt nur wenige Künstler und Künstlerinnen aus dem ESC-Kosmos, die niemals zu Fantreffen kommen würden. Gewiss sind dies Abba oder Vicky Leandros, aber diese hält eher ab, dass sie entweder nicht mehr gemeinsam auftreten oder aber den amateurhaften Charme von Showevents der ESC-Fans (noch) nicht für sich als nutzbringend erkannt haben. Eine allerdings hat schlicht keine Zeit, denn sie ist seit Langem in Las Vegas beschäftigt: Céline Dion.
Publikumsmagnet in Las Vegas
Zwar singt sie noch gelegentlich im französischsprachigen Europa, in Belgien und Frankreich, aber meist tritt sie im glamourösesten Showtempel der USA auf, im Caesars Palace. Sie ist für diese Daddelhallen-, Roulette- und Black-Jack-Stadt in der Wüste von Nevada seit vielen Jahren der wichtigste Star, wie Tourismusverantwortliche in Las Vegas betonen. Dion, heißt es, habe Klasse und sei familientauglich. Sie ist die liebste Mobilisatorin für einen Ausflug in die grellste Metropole der USA.
Einst bekannter Kinderstar
Die Karriere der Frankokanadierin hatte schon vor ihrem ESC-Einsatz für die Schweiz im Jahre 1988 Fahrt aufgenommen. Sie war in Québec ein bekannter Kinderstar, deren Stimme immer gelobt wurde als voluminös, wandlungsfähig und so robust wie elegant.
"Ne partez pas sans moi", ihr Siegeslied von Dublin 1988, war nicht der Titel, der sie für den US-amerikanischen Markt interessant machte. Anders ihre Performance 1989 beim ESC in Lausanne, wo sie als Vorjahressiegerin ihren ersten englischsprachigen Titel "Where Does My Heart Beat Now" sang. Der soll der Legende nach von Walt-Disney-Managern gehört worden sein. Sie erkannten in der auf der Bühne noch recht ungelenkig wirkenden Chanteuse - beim ESC-Auftakt in Lausanne im eher sperrigen Glamour-Tankwartinnenaufzug - die richtige Stimme für die eigenen Zwecke: Filme aus dem global operierenden Traum(trick)filmkonzern.
Über den Rest der Karriere braucht es kaum Details: Céline Dion ist seit den frühen 90er-Jahren jene Sängerin im internationalen Pop, die die meisten Tonträger verkaufte, den stärksten Umsatz zu verbuchen hatte, die generationell allumfassende Königin des Entertainments wurde - und ein Werk zusammengesungen hat wie keine andere.
Wieder zurück auf der Bühne
Im Sommer ist sie wieder zurückgekommen nach Las Vegas, sie hat eine gewisse Zeit Abstand genommen von der Bühne, verständlicherweise nach dem Tod ihres Mannes (und Managers) René Agélil am 14. Januar dieses Jahres. Im Colosseum, der Riesenhalle im Caesars Palace, bringt Céline Dion vor fast ausverkaufter Vorstellung an einem Mittwochabend eine ziemlich grandiose Vorstellung.
"Ne partez pas sans moi" ist nicht im Repertoire, sie mochte den Titel seit den frühen 90er-Jahren ohnehin nicht sehr. Dafür aber viele bekannte Titel: "Where Does My Heart Beat Now", "My Heart Will Go On", "The Reason" oder "Call The Man". Besonders die pompösen Stücke bringt sie mit ihrer Stimme nach wie vor akkurat auf fette Höhen.
Zwischen den Liedern plaudert sie, spricht über ihre Familie in Kanada, über ihre Kinder ein wenig, bringt sogar ein frivoles Stückchen, das sie, als sie unterm langen Kleid ihr Bein entblößt, mit den Worten "For René" kommentiert. Ansonsten waren ihre Zwischenstatements so, wie man es von ihren Konzerten gewohnt ist, eher burschikos, wenig elfenhaft gehalten. Céline Dion ist nicht der Typ Märchenfee, der sich in ihre Powerballaden hineinfräst, eher die Kumpelin, die aus Gesang früher gern ein Leistungssingen machte. Motto: Hey, das kann ich alles!
Glamouröse Show
Nach knapp zwei Stunden ist die Show - ohne Pause - am Ende. Céline Dion, inzwischen auch schon 48 Jahre alt, wird mit prächtigem Beifall verabschiedet. Sie ruft noch "Goodbye", ehe sie hinter dem ultrabauschigen Bühnenvorhang verschwindet. Nichts fehlte, es war für einigermaßen üppige Eintrittsgelder alles geboten: sechs Kostümwechsel, 21 Lieder, ein Live-Orchester, ein Chor, mutmaßlich kein Playback (aber wer kann das schon genau prüfen?), und ein Gefühl, dass da eine den ESC restlos gut hat nutzen können: als Bühne, um sich für den nordamerikanisch-englischsprachigen Markt zu empfehlen. Ihr ist es gelungen, sich über die meisten Jahre seit ihrem Sieg 1988 ganz oben zu halten.
Céline Dion in Las Vegas: eine Reise, die sich für jeden ESC-Fan lohnt. Weitere Konzerte gibt es noch im Herbst, dann wieder im Frühjahr.