ESC-Finale: Partystimmung und Voting-Krimi
Eines lässt sich zu Beginn festhalten: Die letzten Momente des ESC-Finales bieten Abstimmungskrimi und eine gefühlsmäßige Achterbahnfahrt für viele. Während die Bekanntgabe der Juryergebnisse aus den 42 Teilnehmerländern eher unspektakulär abläuft, geht es bei der Verkündung der Publikumsstimmen drunter und drüber. Polens Musketier Michał Szpak kämpft sich plötzlich vom bis dahin vorletzten Platz in die Top Ten, Sergey Lazarev aus Russland landet auf Rang drei und die Australierin Dami Im muss den fast sicher geglaubten Sieg der Ukraine und damit der Sängerin Jamala überlassen.
Damit ist der Plan der EBU aufgegangen und die radikale Änderung des Abstimmungsverfahrens hat die Spannung bei den Zuschauern erhöht. Deutlich sogar. Für Jamie-Lee wendet sich das Blatt leider nicht mehr - sie bleibt mit elf Punkten das Schlusslicht. Damit ist der deutschen Kandidatin am Ende des Showabends wohl nur bedingt zum Feiern zumute.
Partypeople In The House
Bis dahin liefert die Final-Show in Stockholm aber viele große Partymomente. Allen voran der Auftritt von einem, der außerhalb der Wertung steht: Superstar Justin Timberlake tritt als Pausen-Act auf. Für ihn können die Zuschauer nicht abstimmen - nicht unwahrscheinlich, dass der nächste Song Contest ansonsten in den USA stattgefunden hätte. Und auch die Gastgeber Petra Mede und Måns Zelmerlöw liefern zum Persiflage-Song "Love Love Peace Peace" eine tolle Show. Große Stimmung auf der Bühne macht aber auch Poli Genova. Die Bulgarin wirbelt mit Leuchtdioden am Körper, strahlendem Lachen auf dem Gesicht und ungewöhnlichen Tanzschritten über die Bühne. Ebenso Barei aus Spanien, die die Globe Arena mit Glitter-Footballshirt und Boots bekleidet in einen Tanztempel verwandelt. Die Young Georgian Lolitaz bieten zu ihrem Indiesong mit Britpop-und-Elektro-Einschlägen eine Psychedelic-Show mit Bühnenbeleuchtung wie aus einem riesigen Kaleidoskop. Die Belgierin Laura Tesoro fegt voll Power und im Silberoutfit zur funky Retro-Pop-Nummer über die Bühne.
Punkteregen für unaufgeregte Popsongs
Daneben gibt es einige unaufgeregte Popnummern, die recht gute Platzierungen erhalten. Der Franzose Amir trägt seinen mitreißenden, souligen Gute-Laune-Popsong mit Power, aber in einer dezenten Show vor und landet auf Platz sechs - hinter Frans. Der erst 17-jährige Schwede wird mit seiner Elektro-Popnummer, seinem sympathisch-schlichten Auftritt und dem niedlichen, schüchternen Lächeln Fünfter. Entschleunigung gibt es bei Douwe Bob mit seiner Country-Popnummer und der zehnsekündigen Kunstpause mitten im Song.
Song mit Botschaft: Jamala siegt mit "1944"
Am Ende liegen aber vor allem drei Teilnehmer mit weitem Abstand vorn. Russland hatte keine Kosten und Mühen gescheut und zu "You Are The Only One" einen wahren Bombastauftritt frei nach dem Motto "Viel hilft viel" hingelegt. Dabei wachsen Sergey Lazarev auf den LED-Wänden Flügel und er erklimmt Bühnenelemente, die aus dem Hintergrund hervortreten. Mit 491 Punkten wird er Dritter. Die Australierin Dami Im sorgt vor allem durch ihre gewaltige Stimme für Wow-Momente: so viel Stimme in einer so kleinen Frau. Der Auftritt ist ansonsten schlicht und dezent und kommt ohne größeres Brimborium aus. Sie erhält 511 Punkte. Als Siegerin - mit 534 Punkten - steht am Ende Jamala da, die sich schon eher als Drama-Queen präsentiert. Inmitten eines Käfigs aus Laserstrahlen, mit viel Geschrei - als Opernsängerin beherrscht sie dieses aber - und symbolstarken Bühnenbildern. Immerhin geht es in "1944" aber auch um ein dramatisches Thema: das Schicksal der Krimtataren im selben Jahr.
Die ESC-Gemeinde ist also ganz offenbar bereit für einen Popsong mit einer wichtigen Message. Für Sängerinnen im Manga-Look hingegen wohl leider noch nicht.