Laurence: "Ein echt krasses neues Level"
Duncan Laurence gibt Interviews, er hat das übliche Programm eines ESC-Künstlers zu absolvieren: Proben und nochmals Proben, außerdem eben Medientermine. Wir treffen uns auf dem schicken angesagten Gelände des alten Bahnhofs von Jaffa, der Altstadt von Tel Aviv, unter Schatten spendenden Bäumen. Seine liebsten drei holländischen ESC-Songs sind: "Birds" von Anouk im Jahre 2013: "Sie hat bei uns alles verändert - plötzlich war das Niveau stark und auf der Höhe der Zeit." Und auch die Kandidaten von 2014, die Common Linnets mit "Calm Before The Storm", gefallen ihm extrem: "Der Beweis, dass sehr gute Musik beim Publikum belohnt wird." Und dann Teach-In mit "Ding-A-Dong" - das letzte holländische Siegeslied, er weiß sogar auf Anhieb: "vor 44 Jahren!"
Duncan, dein Vorname ist nicht gerade typisch für einen Niederländer.
Duncan Laurence: Das stimmt. Und das hat etwas mit meiner Geburt zu tun. Sie war für mich, für meine Mutter und für meinen Vater schwer. Ich hatte keine normale Sauerstoffzufuhr und lief schwarz an, wie mein Vater sich erinnert. Ich lag lange im Brutkasten und hatte ein dunkles Gesicht.
Du stehst deinen Eltern sehr nahe?
Laurence: Ja, sehr, auch meinen Brüdern. Meine Eltern und meine zwei Brüder kommen allesamt nach Tel Aviv, um mich zu unterstützen. Das ist ein tolles Gefühl, von der eigenen Familie in seinem Weg so beflügelt zu werden. Ich fühle, sie sind alle sehr stolz auf mich. Mir kann, egal wie das hier ausgeht, nichts mehr passieren.
Wie es ist für dich, zu den Favoriten gezählt zu werden?
Laurence: Oh, ich kriege das schon mit, aber ich weiß, dass sich noch viel verändern kann. Mein Lied ist schön, wir haben alles getan, damit es gut auf der Bühne aussieht. Aber klar, zu den am höchsten gewetteten Acts gezählt zu werden, ist nicht nichts.
Sondern was?
Laurence: Auch eine Art Druck. Zu merken, dass etwas von einem erwartet wird und dass man Hoffnungen weckt. Das versuche ich für mich konstruktiv zu verwenden und die Erwartungshaltungen anderer Menschen etwas aus dem Blick zu nehmen - ich möchte nicht fürchten, sie zu enttäuschen.
Es läge doch so nah, dass nach Nettas Lied "Toy" mal wieder eine ruhigeres Lied gewinnt, oder?
Laurence: Ich schätze, so ein Gesetz gibt es nur in der Fantasie, nicht in der Wirklichkeit. Wobei es mir gefallen könnte, der Nachfolger von Netta zu werden - ich mag ihr Lied "Toy" wirklich extrem gern, und das sage ich nicht, weil es das letzte Eurovisions-Siegerlied war.
In deiner niederländischen Heimat spiegelt sich die allgemeine Aufgeregtheit über dich als Eurovisions-Kandidat in vielen Medien wieder. Macht dich das nervös?
Laurence: Nein, aber ich musste schlucken vor Schreck, als die Leiterin unserer Delegation von über 40 Journalisten sprach, die eigens für mich zur Berichterstattung nach Tel Aviv angereist kommen. Das ist einfach nur: Wow!
Wir nehmen an, dass dieses massive Medieninteresse auch für dich neu ist?
Laurence: Ich bin nicht erst seit gestern im Showgeschäft, aber zwischen meinem Dasein als vollständig Unbekannter und dem niederländischen ESC-Repräsentanten liegen nur wenige Jahre: Ich konnte mich an die Aufmerksamkeit gewöhnen. Das hier in Tel Aviv, das ist ein echt krass neues Level.
Mal eine Frage jenseits der Eurovisionsszene: Was hälst du von der Bewegung "Fridays for Future"?
Laurence: Bitte?
Die Schülerbewegung, die sich klimaaktivistisch versteht - und Schulstreiks an Freitagen organisiert?
Laurence: Ich bin gegen den Klimawandel, und ich finde gut, wenn Menschen, auch sehr junge Menschen, sich für Rechte und eine bessere Welt einsetzen, egal, ob es für ein besseres Klima ist oder für LGBTI*-Rechte. Hauptsache, Menschen engagieren sich.
Aber Vegetarier bist du nicht?
Laurence: Nein, nicht ganz. Ich trenne meinen Müll natürlich, und ich versuche, so wenig Fleisch wie möglich zu essen, aber ich bin kein strikter Vegetarier. Überhaupt bin ich dagegen, dass alles mit letzter Konsequenz sein muss. Alles Engagement sollte nicht provozieren oder Menschen in Angst versetzen oder ihnen zuviel abverlangen.