Sergey Lazarev: "Man darf nicht am Video sparen"
Dass Russland den Eurovision Song Contest nach Hause holen will, daran besteht spätestens seit Bekanntgabe des Teilnehmers für Stockholm kein Zweifel: Sergey Lazarev zählt seit vielen Jahren zu den bekanntesten Künstlern des Landes und setzte mit dem Videoclip zu seinem Beitrag "You Are The Only One" auch produktionstechnische Maßstäbe. Der russische Superstar gab das Interview in seiner Suite im Grand Hotel mit Blick auf das Stockholmer Königsschloss.
Herr Lazarev, Sie wurden in den vergangenen Jahren immer wieder als potenzieller russischer Teilnehmer für den Eurovision Song Contest gehandelt. Produzent und Komponist Filipp Kirkorow versuchte vergeblich, Sie zu einer Teilnahme zu bewegen. Was gab in diesem Jahr den Ausschlag, diesen Schritt nach ihrem letzten Anlauf [Lazarev wurde beim russischen Vorentscheid 2008 Vierter hinter Dima Bilan, Anm. d. Red.] nun doch zu wagen?
Sergey Lazarev: Ganz ehrlich: der Song! Und das Team, das dahintersteckt: Der griechische Choreograph und Stage Director Fokas Evangelinos, die beiden Komponisten Filipp Kirkorow und Dimitris Kontopoulos und die vielen anderen, die an diesem Projekt mitwirken, sind für mich ein echtes "Dream Team". Diese Konstellation hat mich davon überzeugt, in diesem Jahr mein Glück zu versuchen.
2002 gewannen Sie gemeinsam mit Ihrem Duo-Partner Vlad Topalow das New Wave Festival im lettischen Jurmala. Wie wichtig ist dieses Festival für einen russischen Newcomer?
Sergey Lazarev: Für unser Duo Smash war das eine riesige Chance. Wir waren ja beide noch sehr jung [Vlad 17 Jahre und Sergey 19 Jahre, Anm. d. Red.] und wurden dadurch fast über Nacht berühmt. Man hat dort eine gute Möglichkeit, neue Fans zu gewinnen und einem breiten Publikum sein Talent unter Beweis zu stellen. Ich hatte davor aber schon sehr viel gemacht, insofern war es für mich zwar ein wichtiger Karriereschritt, aber nur einer von vielen. Und der ESC ist die nächste große Herausforderung.
Der russische Musikmarkt ist sehr wettbewerbsorientiert. Sie sind ausgebildeter Schauspieler wie Ihre Kollegin und ESC-Vorgängerin Polina Gagarina …
Sergey Lazarev: … wir waren sogar auf der gleichen Schauspielschule, aber ich bin ein bisschen älter und habe ein paar Jahre früher abgeschlossen als sie …
… wie wichtig sind denn solche zusätzlichen Talente, um im russischen Showbusiness bestehen zu können? Für Ihre Bühnenshow müssen Sie ja auch akrobatische Fähigkeiten an den Tag legen …
Sergey Lazarev: Ich bin sehr früh zum Entertainer ausgebildet worden. Schon als Kind trat ich in Shows mit vielen Kostümwechseln, unterschiedlichsten Choreographien und anspruchsvoller Technik auf, daher verstehe ich mich nicht als Sänger, sondern als Künstler, der singt, tanzt, schauspielt und moderiert.
Wie viel Einfluss haben Sie selbst auf die Gestaltung dieses Gesamtkunstwerks auf der ESC-Bühne?
Sergey Lazarev: Wir besprechen jedes Detail gemeinsam im Team, den Sound, die Grafiken, die Produktion, die Tanzschritte. Ich bekomme da nichts vorgesetzt, sondern bin an jedem einzelnen Schritt des Entscheidungsprozesses beteiligt. Ich war im Laufe meiner Karriere immer mein eigener Producer und Manager, und das ist auch in Stockholm nicht anders.
Mit Ihrer ESC-Teilnahme treten Sie in die Fußstapfen berühmter russischer Stars wie Alla Pugatschowa, Filipp Kirkorow oder Polina Gagarina. Doch selbst Dima Bilan konnte seinen ESC-Sieg in Europa nicht in Plattenverkäufe ummünzen. Was kann der Song Contest für einen russischen Künstler karrieretechnisch eigentlich bewegen?
Sergey Lazarev: Ich mache das nicht mit Blick auf eine internationale Karriere. Natürlich finde ich es gut, neue Zuschauer und vielleicht auch Fans zu gewinnen, aber für mich ist es in erster Linie eine große Ehre, mein Land zu repräsentieren. Die russischen Zuschauer sehen im Eurovision Song Contest eine Art Olympische Spiele, und darum werden auch die Größen des russischen Showbusiness dorthin geschickt, um ein möglichst gutes Ergebnis zu erzielen.
Also ist es eine gute Investition in Ihre Karriere in Russland …?
Sergey Lazarev: Das würde ich so nicht sagen, denn ich habe aktuell in Russland eine Menge verschiedener Projekte am Laufen. Es ist eine andere Ebene, und auch ohne den ESC hätte ich genügend zu tun: Ich gehe auf Tour, habe viele Engagements in TV-Shows und eine große Fanbase. Für mich ist es eine neue Erfahrung, nachdem mir so viele Kollegen von der besonderen Atmosphäre beim ESC vorgeschwärmt haben. Das wollte ich auch gerne einmal erleben.
Ihr Video ist wohl der professionellste Clip des diesjährigen ESC, wenn nicht sogar der ganzen ESC-Geschichte. Schon der Einsatz der modernen Produktionstechnik muss ein Vermögen gekostet haben. Lohnt sich das denn?
Sergey Lazarev: Es hat tatsächlich eine ganze Menge gekostet, aber ich investiere immer viel Geld in meine Clips, denn wenn man an den Videos spart, sieht man es ihnen auch an. Für mich ist es eine gute Investition, weil ich damit den Level halte, den ich mir im Laufe meiner künstlerischen Laufbahn erarbeitet habe. Alle meine Songs werden in Top-Studios aufgenommen und produziert, und ich suche mir auch nur die besten Komponisten und Texter. Und wenn ich schon so viel in die Produktion meiner Titel investiere, dann darf ich auch nicht an den Videos sparen, denn sie sollen ja der Qualität meiner Arbeit gerecht werden. Das machen nicht alle so, aber mir ist das wichtig.
Glauben Sie, der Clip verschafft Ihnen einen Vorteil im Wettbewerb?
Sergey Lazarev: Nun, es ist ein erster Eindruck und natürlich wird die Bühnenshow völlig anders aussehen, aber nachdem angekündigt worden war, dass ich am ESC teilnehmen werde, war die Erwartungshaltung sehr hoch. Dem musste ich mit meinem Video gerecht werden.
Es gibt ja eine gewisse Konkurrenz zwischen Ihnen und Dima Bilan. Sie sprechen die gleiche Zielgruppe an und setzen auch ähnliche Mittel ein. Stichwort: Sex sells! Auch Måns Zelmerlöw hat im vergangenen Jahr viel nackte Haut gezeigt. Wie wichtig ist es denn, sich vor dem ESC in sexy Pose ablichten zu lassen?
Sergey Lazarev: Dima ist ein großartiger Sänger, und er hat seine Karriere im gleichen Jahr wie ich beim New Wave Festival in Jurmala begonnen, wo er hinter unserem Duo Smash den vierten Platz belegte. Seither wurden wir immer miteinander verglichen, weil wir beide ungefähr gleich alt und Mädchenschwarm waren. Mittlerweile sind wir erwachsen und haben uns auch musikalisch sehr unterschiedlich entwickelt. Und was die sexy Fotos angeht: Die wurden vor zwei Jahren für meine Single "Take It Off" gemacht, und darin geht es ja darum, dass man sich ausziehen soll. Dass die Leute solche Fotos mögen, ist ja kein Geheimnis.
Und? Ist der ESC so toll, wie Ihre Kollegen Ihnen vorgeschwärmt haben?
Sergey Lazarev: Soweit ich das nach zwei Tagen sagen kann: ja. Es ist eine sehr gute Erfahrung, und sie wird bestimmt von Tag zu Tag noch besser.