Abba: Ein Museum der guten alten Zeiten
Ohne Katholiken auf die Füße treten zu wollen, aber: Für Leute, die in den Siebziger- und Achtzigerjahren groß wurden, ist das Haus, um das es hier geht, ein Vatikan. Eine wichtige Stätte des Glaubens, der erhebenden Gefühle und der Freundlichkeit. Die Rede ist vom Abba-Museum in Stockholm. Es liegt auf der bewaldeten Halbinsel Djurgården als ein Juwel am Rande des Skansen, des Vergnügungsparks in der schwedischen Hauptstadt.
Vor drei Jahren wurde es eröffnet. Vor allem Björn Ulvaeus, der Blonde von Abba, hat mit dafür gesorgt, dass etliche Exponate der Ausstellung Originale sind. Seine Gitarre vom Sieg der Gruppe in Brighton 1974 etwa liegt unter Glas zum Angucken bereit. Man sieht auch verschiedene Versionen von "Waterloo", die der schwedischen Vorentscheidung (auf Schwedisch) und natürlich auch jene vom Sieg in der südenglischen Küstenstadt.
Melancholische Zeitreise
Es ist für Abba-Nerds nichts wirklich Neues dabei - aber für Kunsthistoriker liegt in den Museen auch nie viel von Newswert: Was in diesem Museum - es ist das einzige, das einem ESC-Sieger gewidmet ist - besticht, ist, dass die Atmosphäre jener Jahre spürbar zu werden scheint. Besser noch: Das Material ist so angeordnet, dass man die eigene Stimmung von einst als Resonanztöne in sich hört. Aus allen Lautsprechern, kommen Klänge wie "Ring Ring", "I Do I Do I Do", "The Day Before You Came" oder "Summer Night City" und so viele andere mehr.
Wir als Besucher werden durch die Stationen der vier Leben der Abbas geführt, lesen von den Anfängen Annafrid Lyngstads, Agnetha Fältskogs, Benny Anderssons und Björn Ulvaeus'. Solistinnen die Frauen, die Männer Teile von Bands. Als sie sich zusammentaten, entstand erst die magische Mixtur, die aus einem schwedischen Bandprojekt eine Legende machte. Mit Abba, die mit "Ring Ring" an der schwedischen Vorentscheidung für den internationalen Einsatz noch scheiterten, gewann eine Gruppe, die aus dem Grand Prix Eurovision de la Chanson den Eurovision Song Contest gemacht hat. Aus dem Liederabend europäischer Prägung war durch die Schweden ein Pop-Fest geworden.
Das Projekt Abba
Im Museum sieht man zugleich, dass da nicht vier geniale Menschen zusammenfanden, sondern dass das Projekt eine Gruppenarbeit war. Die Musiker waren Profis sondergleichen, die Sekretärin Görel im Abba-Büro und vor allem der Manager Stikkan Andersson, der den Feldzug Abbas auf den europäischen, später globalen Popmarkt akribisch plante.
Als Eyecandy sieht man das Mischpult Michael Tretows, an dem der Abba-Sound ausgetüftelt wurde; man sieht Klamotten noch und nöcher - alles im Seventies-Stil. Und man kann auf einer Art Tanzkaraokebühne die Performances von Abba nachstellen: Das ist die vielleicht sympathischste Art, die wirklich berühmten Choreographien nachzustellen.
Ein Besuch im Vatikan des schwedisch-europäischen Pop lohnt sich natürlich. Eine Zeitreise in diese gewisse Melancholie der Gruppe, eine gewisse Traurigkeit, die selbst in fröhlichsten Liedern hindurch schimmerte. Die Audioguides, nebenbei, lohnen sich nicht, vorausgesetzt, jemand spricht wenigstens passabel Englisch.
Auch ein Schlagermuseum
Nicht minder auffällig ist im Abba-Museum, dass im letzten Raum - alle liegen zwei Etagen unter der Erde im Keller - eine Ausstellung zur Geschichte des schwedischen Schlager beziehungsweise Pop zu sehen und zu hören ist. Eine solche historiographische Anordnung gibt es in Deutschland ja leider nicht. Hier in Stockholm erkennt man, wie sehr Schlager und Pop die jeweiligen politischen und kulturellen Atmosphären einer Zeit spiegeln können: Von Kikki Danielssohn, Evert Taube, Tommy Körberg, Siw Malmkvist, zeitgenössischen Popfiguren bis hin zu Anne Louise Hansson, Star der Sechziger - um nur wenige von sehr vielen zu nennen - sind alle dabei.
Am Sonntag öffnet die Ausstellung zu "60 Jahre Eurovision Song Contest" im Abba Museum. Wir werden darüber berichten.