Vom DDR-Breakdancer zum ESC-Paten
Als Jamie-Lee Kriewitz das Finale des Eurovision Song Contests 2016 hinter sich gebracht hatte, war noch einer um das Erlebnis ESC reicher: Bürger Lars Dietrich. Der 43-Jährige stand der jungen Kandidatin gewissermaßen als Pate zur Seite. Und auch 2017 war Bürger Lars Dietrich, oder wie er sich selbst gern abkürzt, BLD, wieder am Start - als Host der Videoblogs, als Moderator der ESC-Doku, und natürlich live vor Ort in Kiew beim Finale. Aber was hat er eigentlich vor seiner ESC-Zeit gemacht? Zusammengefasst lässt sich sagen: fast alles.
Breakdancer, Balletttänzer, Bürger
Lars Dietrich kommt am 2. Februar 1973 in Potsdam zur Welt. Den Beinamen "Bürger" legt er sich zwar erst viele Jahre später zu, aber der Name verweist auf seine Kindheit und Jugend in der DDR: Dort spricht die Polizei die Einwohner häufig nämlich ganz volksfern als "Bürger" an. Die ersten Jahre seines Lebens verlaufen wohl halbwegs normal. Das ändert sich allerdings bereits 1985, als Dietrich mit Freunden Crazy Feif gründet: Die Hip-Hop-Gruppe nimmt an Breakdance-Wettbewerben teil und ist ganz sicher nicht das, was die DDR-Obrigkeit als gewünschte Norm ansieht. Nachdem Dietrich die Schule beendet hat, behält er die Richtung bei, die er schon als Breakdancer einschlug - jedenfalls ungefähr: Er lässt sich, erst in Dresden und dann in Berlin, zum Balletttänzer ausbilden.
Einer, den die Kinder mögen
So weit, so ungewöhnlich. Aber da geht noch mehr: 1992 sucht er im mittlerweile wiedervereinigten Deutschland neue Herausforderungen und wird Stuntman in den Babelsberger Filmstudios. In der Tat ein etwas anderer Ansatz als Ballett, aber wohl auch nicht so recht erfüllend. Das zumindest legt Dietrichs weiterer Werdegang nahe. Mitte der 90er-Jahre tut er sich mit dem damaligen Viva-Moderator Stefan Raab zusammen: als Team veröffentlichen beide Chart-Hits wie die Funk-Version von Jürgen Drews "Ein Bett im Kornfeld", "Sexy Eis" und "Hier kommt die Maus" - zum 25. Geburtstag der "Sendung mit der Maus". Und auch wenn Dietrich später mit Ausflügen beispielsweise in den Revue-Jazz und Swing zeigt, dass er durchaus auch ernsthaft sein kann, deutet sich hier schon an, dass der Gewinner des Deutschen Comedypreises 2007 ein jung gebliebener Erwachsener ist - einer, der auch mal Quatsch macht, der lustig ist, der nicht verbissen dem Ernst einer Erwachsenenrolle verfällt. Er ist einer, den die Kinder mögen.
"Onkel Lars" auf allen Kinderkanälen
Und so macht Dietrich, der selbst eine Tochter und zwei Söhne hat, viel Programm für Kinder: Er schreibt einen Geburtstagssong für die Sendung "Löwenzahn", er steuert Titelsongs für einen Ottifanten-Film und "SpongeBob Schwammkopf" bei, er nimmt Klassiker der Kinderplatte "Der Traumzauberbaum" neu auf, er spricht auf Kinderhörbüchern. Und auch im TV ist seine Beliebtheit bei Kindern gefragt: Er moderiert ab 2006 beim Kindersender Nickelodeon die Sendung "Alles Nick" und später die "Nick Kids Choice Awards". Beim Sender KiKa betreut er die kleinen Teilnehmer des Songwriter-Wettbewerbs "Dein Song", in der KiKa-Produktion "Sturmfrei" spielt er drei Staffeln lang den "Onkel Lars", auf Pro7 ist er in Märchenfilmen wie "Der kleine Muck" und "Rumpelstilzchen: Auf Wache im Märchenwald" zu sehen. Dietrichs Vergangenheit als Breakdancer und Balletttänzer lebt schließlich auch wieder auf, als er 2015 Juror der Castingshow "Got To Dance Kids" wird.
Der "Bürger" kommt durch
Eines fällt noch auf in Dietrichs Biografie: Es ist die wiederholte Beschäftigung mit seiner DDR-Vergangenheit. Erst veröffentlicht der "Bürger" 2009 seine Autobiografie "Schlecht Englisch kann ich gut", in der er seine Kindheit und Jugend in dem "Arbeiter- und Bauernstaat" beschreibt. 2012 bringt er das Buch als Theaterstück auf die Bühne: "Dietrichs Demokratische Republik" begeistert mit selbst geschriebenen Liedern, Sketchen und Einspielern nicht nur Menschen, die damals im Osten gewohnt haben. Auch "Wessis" finden sich in dem Stück wieder und mögen es. Und weil das so ist, tritt Dietrich ab Herbst 2015 ein halbes Jahr lang in Schwedt an der Oder in "Sonnenallee" auf. Das Musical gründet auf dem gleichnamigen Film, dauert allerdings drei Stunden und beinhaltet viele Songs, die Dietrich singt - und zwar auf Englisch. Ausgerechnet.
Eine Sprache, die jeder versteht
Das mit dem Englisch dürfte demnächst schon wieder wichtig werden, nämlich wenn Dietrich das Finale des Junior Eurovision Song Contest 2020 kommentiert. Noch viel wichtiger ist dort allerdings eine Sprache, die jeder versteht und die Bürger Lars Dietrich spielend beherrscht - gute Laune verbreiten.