Schabbat-Mahl unter Freunden
Als wir am Freitagabend bei Zohara Ron eintreffen, öffnet Freundin Debby die Haustür. Gastgeberin Zohara ist noch in der Küche beschäftigt. "Ihr wolltet es authentisch, ihr bekommt authentisch", lacht die 55-Jährige, die eine ganze Batterie köstlicher Speisen vorbereitet hat, um gemeinsam mit ihrer Familie, meinem belgischen Kollegen Paul Lashmana und mir den Schabbat einzuläuten. Gegen einen kleinen Unkostenbeitrag hat uns die Online-Plattform Betzavta Familie Ron als Gastgeber vermittelt. Eine Einladung mit Vertrauensvorschuss: Weil die Eingangstür defekt ist, haben wir den Einlasscode per WhatsApp zugeschickt bekommen.
(K)eine typisch israelische Familie
Das Haus von Zohara Ron liegt in einem beschaulichen Wohnviertel im Zentrum von Tel Aviv. Die Frau wohnt hier mit ihrem 16-jährigen Sohn Michael in einem Hochhausappartement mit offener Wohnküche. Der Rest der Familie wartet schon mit Spannung auf die ausländischen Gäste: Filmemacher Yair Qedar, Michaels Vater, und dessen Ehemann Gidi Yona. "Wir sind vielleicht keine typische israelische Familie", erzählt er, "aber wir sind eine richtige Familie." Dazu zählt auch Museumschefin Debby Hershman, die mit Zohara Ron eine langjährige Freundschaft verbindet. Eine echte Regenbogenfamilie also. Damit hatten wir, ehrlich gesagt, nicht gerechnet.
Erinnerungen an den ESC
Während sich der liebevoll gedeckte Tisch mit zahllosen Schüsseln voller israelischer Köstlichkeiten füllt, entspinnt sich ein unterhaltsames Frage-und-Antwort-Spiel: "Woher kommst du?", "Was machst du beruflich?", "Trinkst du Rotwein?". Die Stimmung ist gelöst, die Gastgeber plaudern munter drauflos und schnell sind wir thematisch beim Eurovision Song Contest, den alle am Tisch mit mehr oder minder großer Begeisterung verfolgen. "Ich erinnere mich noch gut an die erste ESC-Teilnahme Israels 1973", erzählt Zohara. "Israel war damals vom Rest der Welt ziemlich isoliert, und plötzlich fühlten wir uns alle als Teil Europas, der Welt. Das hat mich als Kind nachhaltig geprägt."
Gespräch über die israelische Kultur
Während des Gesprächs bedienen wir uns immer wieder an gegrilltem Hühnerfleisch, gebackenem Blumenkohl, Reis mit Linsen, Kürbisstückchen und gemischtem Salat. "Das sind alles typische Speisen, die in Israel beim Schabbat-Mahl serviert werden", erklärt Zohara. "Vielleicht in einer etwas gesünderen Version", fügt sie lachend hinzu. Wir trinken kräftigen israelischen Rotwein und am Ende des Mahls auch den einen oder anderen Whisky. Das Gespräch streift alle möglichen Themen: israelische Küche, Kultur, Sprache, Religion und natürlich auch Politik. Wie im Flug vergeht die Zeit und wir haben den Eindruck, mit alten Bekannten zusammenzusitzen, die wir schon seit Ewigkeiten kennen.
Erfahrung abseits der Touristenpfade
Es ist das zweite Mal, dass Zohara über Betzavta Gäste bei sich zu Hause empfängt. Als sie von der Idee hörte, war sie sofort begeistert. Sie habe so etwas Ähnliches schon einmal in Jamaika mitgemacht und sei dort bei einer Familie eingeladen gewesen. "Die Frau war Hobby-Ornithologin, und wir saßen zusammen in einem Garten, betrachteten die exotischen Vögel und tranken Limonade", erinnert sich Zohara. "Das sind Dinge, die man als Tourist sonst nicht erleben kann."
Menschen kennenlernen durch das, was und wie sie essen
Und ein zweiter Grund bewegt Zohara: "Ich weiß, dass Israel unter einem schlechten Image leidet. Wenn ich das Land nur aus den Medien kennen würde, hätte ich wohl auch eine schlechte Meinung von den Menschen hier", gesteht sie. "Ich will zeigen, dass wir ganz normale Menschen sind." Die 55-Jährige arbeitet für ein Verlagshaus, das auf Essen, Kulinarik und Kultur spezialisiert ist - mit einer Mission, wie sie auch auf diesen Abend zutrifft: Menschen kennenlernen durch das, was und wie sie essen. Paul und ich haben eine Menge über Israel erfahren und vor allem Freundschaft mit vier liebenswerten Menschen geschlossen, die wir gerne wiedersehen wollen - vielleicht bei einem Abendessen in Deutschland.