Ukraine-Bestrafung: Mehr Transparenz, bitte!
Deutliche Worte? Ja, das sind sie. Frank-Dieter Freiling, Chef der Lenkungsgruppe des Eurovision Song Contest, betont es ausdrücklich: Der ukrainische Sender UA:PBC, Ausrichter des ESC im Mai in Kiew, wird mit einer hohen Geldstrafe belegt. Das geschieht nicht allein als Teil des Konflikts mit Russland, sondern auch, weil der Sender bis März eine solch chaotische ESC-Vorbereitung an den Tag legte, dass alle Verantwortlichen außerhalb der Ukraine nicht recht wussten, ob es den 62. Eurovision Song Contest überhaupt geben würde. Aber, und hierauf kommt es an: Russlands Sender One wird nur gerügt, nicht bestraft. Obwohl Geld in diesem Land ohnehin nicht knapp ist, im Gegensatz zur Ukraine. Aber mehr als ein etwas böserer Fingerzeig wird es an die Adresse der russischen ESC-Verantwortlichen nicht geben.
Russland trägt zur Hälfte Mitschuld
Das ist ungerecht: Denn Russlands Sender One war es doch, der die Sängerin Julia Samoylova für Kiew nominierte, wissend selbstverständlich, dass diese Künstlerin keine Einreiseerlaubnis in die ukrainische Hauptstadt bekommen würde - denn sie reiste über Russland zu einem Auftritt auf der Krim, nach der Annexion durch Russland. Russland vertraute darauf, dass es politisch in der Ukraine nicht durchsetzbar ist, der russischen Sängerin einfach freies Geleit zu gewähren, so wie es beim ESC üblich ist. Das war eine nicht mal subtile Provokation an die Adresse der ukrainischen Gastgeber und der Sicherheitsinstitutionen des Landes. Und für diese scheinnaive Geschichte soll es nur für eine Rüge reichen?
Die Ukraine wird - zu Recht - auch finanziell bestraft. Die Folgen dieser Entscheidung der Reference Group werden in Russland wohlwollend aufgenommen. Dem ukrainischen Sender, der für den ESC verantwortlich war, wird es starke Sorgen bereiten: Der für die Sicherheit zuständige Geheimdienst, der auch Listen führt, wer seitens Russlands die ukrainischen Gesetze verletzt, wird sich an der hohen Geldstrafe gewiss nicht beteiligen.
Phantasielose Strafen
Das größte Ärgernis aber ist, dass die Höhe der Geldsumme, die die Ukraine nun bezahlen muss, nicht nur nicht bekannt ist. Die EBU belässt es bei der vagen Formulierung - aber Zahlen werden keine genannt. Wenn Senderangestellte nun fürchten, der Betrag könne das Budget überstrapazieren, ist das nur zu berechtigt: Der Sender gilt ohnehin als klamm. Surab Alasanija, Chef des öffentlich-rechtlichen ukrainischen Senders UA:PBC, sprach von mindestens 200.000 Euro - offiziell bestätigt ist das aber nicht.
Ärgerlicher ist, dass Geld im Bereich der früheren Sowjetunion sehr ungleich verteilt ist. Russland hat, die Ukraine nicht. Besser wäre gewesen, beiden Ländern nur Rügen auszusprechen und zusätzlich zehn bis 15 Jahre von jeder Möglichkeit auszuschließen, im Falle eines Sieges den prestigereichen ESC auch ausrichten zu dürfen. Das hätte das heilige Prinzip, wie Frank-Dieter Freiling richtig sagt, auch öffentlich stärker in den Fokus gerückt: Dass jedes gastgebende Land die freie Einreise aller Künstler garantieren nicht nur müsste - sondern dies auch, nötigenfalls mit Brief und Siegel durch den Präsidenten, zusagen muss.