Israel - Durststrecke mit einer Oase
In Tel Aviv wird Israel als Gastgeber seine 42. ESC-Teilnahme feiern. Sein Debüt gab das Mittelmeer-Land 1973 in Luxemburg. Israels TV-Anstalt IBA durfte an der zunächst europäischen Fernsehshow teilnehmen, weil die 1950 gegründete European Broadcasting Union, kurz EBU, immer schon ein öffentlich-rechtliches TV- und Radionetzwerk über die geografischen Grenzen Europas hinaus war.
Zweck der EBU war zunächst, TV-Filme auszutauschen und, etwa im Nachrichtenbereich, den Mitgliedssendern rasch und unkompliziert Bildmaterial zur Verfügung zu stellen. Als der ESC erstmals ausgetragen wurde, 1956 im schweizerischen Lugano, war das Fernsehen ein sehr junges Medium; Fernsehgeräte waren kaum verbreitet. Inzwischen sind 56 Länder mit 72 Sendern in der EBU vernetzt und der ESC ist die populärste TV-Show der EBU. Israel hat während seiner inzwischen fast 46 Jahre währenden ESC-Geschichte vier Mal gewonnen, zwei Mal belegte es den zweiten Platz, einmal wurde das Land Dritter - insgesamt belegt es in der Ruhmesgeschichte den sechsten Rang.
Israel verzichtet zunächst auf Vorentscheide
Wenn der israelische Sender IBA in all seinen Jahren seit dem israelischen Eurovisionsdebüt 1973 keine ESC-Vorentscheidung ausrichten wollte, hatte dies meist zwei Gründe. Entweder fehlte es an finanziellen Mitteln - oder man wollte bestimmte Künstler mit dem Ausflug zum Eurovisionsfestival betrauen und sie nicht durch das Feuer einer Qualifikationsrunde schicken. Wie in fast allen ESC-Ländern scheuen große Stars den Vorentscheid, weil alles andere als ein Sieg bei dieser Qualifikationsrunde rufschädigend wäre.
1990 war es die in Israel sehr prominente Sängerin Rita, die automatisch mit der Fahrkarte nach Jugoslawien versehen wurde. Ihr Lied "Shara barchovot" ("Singen in den Straßen") war nach dem Geschmack vieler ESC-Fans das beste des ESC in jenem Jahr. Es hört sich noch heute expressiv und anspruchsvoll an, vielleicht ein wenig zu traurig und eingetrübt, als dass man damit ein lebensfrohes Lied, gesungen auf einer Straße, verbinden könnte. Ihr 18. Platz in Zagreb enttäuschte viele ihrer Freunde in Israel - möglicherweise schreckte die Juroren damals die komplizierte hebräische Sprache ab. So oder so: Ihrer Karriere konnte das Ergebnis nichts anhaben: Rita war, ist und bleibt ein Star, inzwischen unter dem Namen Rita Yahan Farouz.
Ein ESC-Lied als Zeichen von Angst vor Bomben
Im Jahr 1991 stand die Angst vor den Auswirkungen des Golfkriegs im Mittelpunkt aller Wahrnehmungen. Raketen aus dem Irak oder Iran könnten Israel bombardieren - und taten es auch. Das Kdam, den Vorentscheid, gewann das Duo Datz mit dem kämpferischen Lied "Kan", was "Hier" bedeutet. Im Text, den nur Hebräischsprachige einzuordnen wussten, war von Heimat und vom sicheren Zuhause die Rede, von Widerstandskraft und dem Mut, sich nicht vertreiben zu lassen. Orna und Moshe Datz landeten in Rom mit ihrem Lied, nur sieben Punkte am Sieg vorbei, auf dem dritten Rang. Nach ihrer Heimreise wurden sie stark gefeiert. Nebenbei: Bei der Punktevergabe, Israel hatte gerade zwölf Punkte an Frankreich verkündet, ging die tunesischstämmige und muslimische Sängerin Amina, die Frankreich auf den zweiten Rang brachte, auf die beiden jüdischen Künstler zu und herzte sie zum Dank. Eine spontane, berührende und ESC-typische Verständigungs- und Friedensgeste.
In Malmö 1992 kam durch Dafna Dekel ein ordentlicher sechster Platz heraus. "Ze rak sport" ("Es ist bloß Sport") wurde in Israel jedoch kein besonderer Hit, die Sängerin aber prominent. 1999 moderierte sie den ESC in Jerusalem mit, bis heute ist sie im Entertainment gut beschäftigt. 1993 schickte der TV-Sender IBA eine eigens für den Vorentscheid gegründete Formation nach Millstreet: Lahakat Shiru bescherte mit dem Lied "Shiru" Israel das bis dahin schlechteste ESC-Resultat. Das Lied hörte sich wie eine Karikatur aller israelischen Beiträge an, zum gemäßigten Mitsingen stimulierend, ohne Kraft, die am Flügel sitzende Anführerin ohne musikalische Funktion, ihr Instrument wie eine Dekoration betastend. Der 24. und vorletzte Platz war die Strafe, und nur weil die Belgierin Barbara ein schlimmes Outfit auf der Bühne trug, wurde die Lahakat Shiru nicht an den Schluss gewertet.
Lioras "Amen" als hohe Liedkunst
1994 mussten die neuen ESC-Mitglieder aus Osteuropa integriert werden, inzwischen war der Eiserne Vorhang gefallen: Nicht mehr alle Länder, die auch wollten, konnten teilnehmen. Israel jedenfalls musste in Dublin aussetzen. Dafür wartete man seitens des TV-Senders IBA 1995 mit einem der pompösesten israelischen ESC-Lieder überhaupt auf: "Amen". Liora interpretierte die Monsterhymne in einem weißen, bodenlangen Kleid, begleitet von drei minirockigen Frauen und zwei Männern, allesamt lächelnd, voller Inbrunst. Der achte Platz war der Lohn in Dublin und das Publikum in Israel war zufrieden.
Israel und Deutschland straucheln in der Qualifikation
1996 kam die nächste Zurückweisung: Israel musste wie Deutschland für den ESC in Oslo in eine Qualifikationsrunde. Und so wie der Deutsche Leon an dieser Hürde strauchelte, so auch die Israelin Galit Bell, die mit ihrem "Shalom olam" ("Hallo Welt") einfach überhört wurde. Die Qualität war in der Tat erbarmungswürdig. Israels Sender IBA stand vor dem gleichen Problem wie die ARD: Mit Vorentscheidungen bekam man durch das eher konservative Publikum stets nur den gleichen Stoff. Ein Mann oder eine Frauen singen vom Singen, dazu tanzen mehrere junge Menschen um sie herum. So verzichtete man 1997 in Dublin auf eine Teilnahme, außerdem wurde der Kdam ausgesetzt. Man wollte durch interne Auswahlen unkonventionellen Künstlern eine Chance geben.